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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Kephisodotos.

Diese Schreibung des Namens, wie sie bei Pausanias fest-
steht, ist auch bei Plinius durch die besseren Handschriften fast
durchgängig als die richtige (anstatt Kephisodoros) erkannt
worden, und es genügt daher, auf Sillig's Ausgabe zu verweisen.
Pausanias 1) nennt den Kephisodot einen Athener, und dies
geht auch daraus hervor, dass Phokions erste Gemahlin seine
Schwester war 2). Plinius aber unterscheidet ausdrücklich zwei
Künstler gleiches Namens und führt in der chronologischen
Uebersicht 3) den einen unter Ol. 102, den andern unter Ol. 121
an. Den wahrscheinlichen Grund für die erste Angabe lernen
wir aus Pausanias 4) kennen. In Megalopolis war ein Heilig-
thum des Zeus Soter, ringsum mit Säulen geschmückt. Neben
dem Zeus, der auf einem Throne sass, standen auf der einen
Seite die Stadtgöttin von Megalopolis, auf der andern, der
linken, das Bild der Artemis Soteira. Diese Statuen wa-
ren aus pentelischem Marmor und Werke der Athener Kephi-
sodotos und Xenophon. Megalopolis aber war Ol. 102, 2 ge-
gründet, und wahrscheinlich gleichzeitig auch der Tempel mit
den Bildern. Es ist natürlich nicht nöthig, in diese Zeit den
Beginn der Thätigkeit des Kephisodot zu setzen. Noch weni-
ger durfte Sillig, wenn er aus der Verwandtschaft mit Phokion
etwas schliessen wollte, dessen Todesjahr Ol. 115, 3 in Be-
tracht ziehen, sondern musste bedenken, dass derselbe, Ol. 94, 2
oder 3 geboren, schon um Ol. 100 heirathen konnte. In diese
frühere Zeit kann uns auch die folgende Vermuthung führen:
der jüngere Kephisodot ist Sohn des Praxiteles, und da nach
griechischer Sitte der Enkel häufig den Namen des Grossva-
ters erhielt, so wäre es sehr wohl möglich, dass der ältere
Kephisodot der Vater des Praxiteles war. Betrachten wir nun
die 104te Olympiade, in welche Plinius den letzteren setzt,
auch nur als den Anfangspunkt seiner Thätigkeit, so musste
Kephisodot, wenn er wirklich sein Vater war, schon geraume
Zeit vorher die Kunst ausüben. Endlich verdient hier noch
eine Bemerkung Müller's 5) angeführt zu werden. Plinius 6)
nennt als Werke des Kephisodot, freilich ohne zu sagen, ob
des älteren, oder des jüngeren, eine bewundernswürdige Mi-

1) VIII, 30, 5.
2) Plut. Phoc. 19.
3) 34, 50 u. 51.
4) VIII, 30, 5.
5) de Phid. §. 3. n. d.
6) 34, 74.

Kephisodotos.

Diese Schreibung des Namens, wie sie bei Pausanias fest-
steht, ist auch bei Plinius durch die besseren Handschriften fast
durchgängig als die richtige (anstatt Kephisodoros) erkannt
worden, und es genügt daher, auf Sillig’s Ausgabe zu verweisen.
Pausanias 1) nennt den Kephisodot einen Athener, und dies
geht auch daraus hervor, dass Phokions erste Gemahlin seine
Schwester war 2). Plinius aber unterscheidet ausdrücklich zwei
Künstler gleiches Namens und führt in der chronologischen
Uebersicht 3) den einen unter Ol. 102, den andern unter Ol. 121
an. Den wahrscheinlichen Grund für die erste Angabe lernen
wir aus Pausanias 4) kennen. In Megalopolis war ein Heilig-
thum des Zeus Soter, ringsum mit Säulen geschmückt. Neben
dem Zeus, der auf einem Throne sass, standen auf der einen
Seite die Stadtgöttin von Megalopolis, auf der andern, der
linken, das Bild der Artemis Soteira. Diese Statuen wa-
ren aus pentelischem Marmor und Werke der Athener Kephi-
sodotos und Xenophon. Megalopolis aber war Ol. 102, 2 ge-
gründet, und wahrscheinlich gleichzeitig auch der Tempel mit
den Bildern. Es ist natürlich nicht nöthig, in diese Zeit den
Beginn der Thätigkeit des Kephisodot zu setzen. Noch weni-
ger durfte Sillig, wenn er aus der Verwandtschaft mit Phokion
etwas schliessen wollte, dessen Todesjahr Ol. 115, 3 in Be-
tracht ziehen, sondern musste bedenken, dass derselbe, Ol. 94, 2
oder 3 geboren, schon um Ol. 100 heirathen konnte. In diese
frühere Zeit kann uns auch die folgende Vermuthung führen:
der jüngere Kephisodot ist Sohn des Praxiteles, und da nach
griechischer Sitte der Enkel häufig den Namen des Grossva-
ters erhielt, so wäre es sehr wohl möglich, dass der ältere
Kephisodot der Vater des Praxiteles war. Betrachten wir nun
die 104te Olympiade, in welche Plinius den letzteren setzt,
auch nur als den Anfangspunkt seiner Thätigkeit, so musste
Kephisodot, wenn er wirklich sein Vater war, schon geraume
Zeit vorher die Kunst ausüben. Endlich verdient hier noch
eine Bemerkung Müller’s 5) angeführt zu werden. Plinius 6)
nennt als Werke des Kephisodot, freilich ohne zu sagen, ob
des älteren, oder des jüngeren, eine bewundernswürdige Mi-

1) VIII, 30, 5.
2) Plut. Phoc. 19.
3) 34, 50 u. 51.
4) VIII, 30, 5.
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6) 34, 74.
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[269/0282] Kephisodotos. Diese Schreibung des Namens, wie sie bei Pausanias fest- steht, ist auch bei Plinius durch die besseren Handschriften fast durchgängig als die richtige (anstatt Kephisodoros) erkannt worden, und es genügt daher, auf Sillig’s Ausgabe zu verweisen. Pausanias 1) nennt den Kephisodot einen Athener, und dies geht auch daraus hervor, dass Phokions erste Gemahlin seine Schwester war 2). Plinius aber unterscheidet ausdrücklich zwei Künstler gleiches Namens und führt in der chronologischen Uebersicht 3) den einen unter Ol. 102, den andern unter Ol. 121 an. Den wahrscheinlichen Grund für die erste Angabe lernen wir aus Pausanias 4) kennen. In Megalopolis war ein Heilig- thum des Zeus Soter, ringsum mit Säulen geschmückt. Neben dem Zeus, der auf einem Throne sass, standen auf der einen Seite die Stadtgöttin von Megalopolis, auf der andern, der linken, das Bild der Artemis Soteira. Diese Statuen wa- ren aus pentelischem Marmor und Werke der Athener Kephi- sodotos und Xenophon. Megalopolis aber war Ol. 102, 2 ge- gründet, und wahrscheinlich gleichzeitig auch der Tempel mit den Bildern. Es ist natürlich nicht nöthig, in diese Zeit den Beginn der Thätigkeit des Kephisodot zu setzen. Noch weni- ger durfte Sillig, wenn er aus der Verwandtschaft mit Phokion etwas schliessen wollte, dessen Todesjahr Ol. 115, 3 in Be- tracht ziehen, sondern musste bedenken, dass derselbe, Ol. 94, 2 oder 3 geboren, schon um Ol. 100 heirathen konnte. In diese frühere Zeit kann uns auch die folgende Vermuthung führen: der jüngere Kephisodot ist Sohn des Praxiteles, und da nach griechischer Sitte der Enkel häufig den Namen des Grossva- ters erhielt, so wäre es sehr wohl möglich, dass der ältere Kephisodot der Vater des Praxiteles war. Betrachten wir nun die 104te Olympiade, in welche Plinius den letzteren setzt, auch nur als den Anfangspunkt seiner Thätigkeit, so musste Kephisodot, wenn er wirklich sein Vater war, schon geraume Zeit vorher die Kunst ausüben. Endlich verdient hier noch eine Bemerkung Müller’s 5) angeführt zu werden. Plinius 6) nennt als Werke des Kephisodot, freilich ohne zu sagen, ob des älteren, oder des jüngeren, eine bewundernswürdige Mi- 1) VIII, 30, 5. 2) Plut. Phoc. 19. 3) 34, 50 u. 51. 4) VIII, 30, 5. 5) de Phid. §. 3. n. d. 6) 34, 74.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/282>, abgerufen am 12.05.2024.