Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Styppax selbst, welches eine grosse Aehnlichkeit mit dem
Räucherknaben des Lykios, dem Gegenstande, wie der Auffas-
sung nach, verräth. Wir wollen die Frage nicht aufwerfen,
wem die Priorität der Erfindung gebühre. Denn gewiss haben
beide Künstler auf gleiche Weise die Anregung zu ihren Schö-
pfungen von einem und demselben Punkte aus erhalten, nem-
lich aus der Lehre und den Werken des Myron.

Strongylion.

Auf der Akropolis von Athen, unweit der Propylaeen, sah
Pausanias 1) das sogenannte hölzerne (trojanische) Pferd
aus Erz gebildet, aus welchem Menestheus und Teukros, so-
wie auch die Söhne des Theseus, hervorschauten. Dass sich
eine Anspielung auf dieses Kunstwerk schon bei Aristophanes 2)
findet, bemerkt der Scholiast desselben, und theilt uns zu-
gleich die Weihinschrift mit: Khairedemos Euaggelou ek Koiles
anetheke. Den Namen des Künstlers Strongylion haben wir
erst durch die 1840 wiedergefundene Inschrift der Basis ken-
nen gelernt 3):

[Abbildung]
Der Fundort, in der Nähe der inneren Südecke der Pro-
pylaeen, so wie der erste Theil der Inschrift lassen keinen
Zweifel, dass wir hier wirklich die Basis jenes Pferdes vor
uns haben. Die archaischen Schriftzüge, die sich in ein-
zelnen Punkten (z. B. dem ) der euklidischen Zeit annähern,
bestätigen es, dass das Werk nicht lange vor Aufführung der
Vögel (Ol. 91, 2) aufgestellt sein kann, und durch seine Neu-
heit und seine Grösse (die Länge der Basis beträgt an 11 Fuss)
jene Anspielung veranlasst haben mag. -- Ein zweites Werk
des Strongylion sah Pausanias 4) zu Megara. Er erzählt, dass
die Megareer einem Streifcorps des Mardonios eine Niederlage
beigebracht und deshalb der Artemis Soteira eine Statue
errichtet hätten. Da er nun fortfährt: "In demselben Tempel
sind auch Bilder der zwölf Götter, welche Werke des Praxi-
teles sein sollen; die Artemis selbst aber machte Strongy-
lion"; so glaubte man, die Artemis gehöre zu den zwölf Göt-
tern, und der Künstler müsse ein Zeitgenosse des Praxiteles

1) I, 23, 10.
2) in d. Vögeln 1128.
3) Schöll im Kunstblatt 1840, N. 75.
Arch. Mitth. S. 126. Stephani im Rh. Mus. N. F. IV, S. 17.
4) I, 40, 2.

Styppax selbst, welches eine grosse Aehnlichkeit mit dem
Räucherknaben des Lykios, dem Gegenstande, wie der Auffas-
sung nach, verräth. Wir wollen die Frage nicht aufwerfen,
wem die Priorität der Erfindung gebühre. Denn gewiss haben
beide Künstler auf gleiche Weise die Anregung zu ihren Schö-
pfungen von einem und demselben Punkte aus erhalten, nem-
lich aus der Lehre und den Werken des Myron.

Strongylion.

Auf der Akropolis von Athen, unweit der Propylaeen, sah
Pausanias 1) das sogenannte hölzerne (trojanische) Pferd
aus Erz gebildet, aus welchem Menestheus und Teukros, so-
wie auch die Söhne des Theseus, hervorschauten. Dass sich
eine Anspielung auf dieses Kunstwerk schon bei Aristophanes 2)
findet, bemerkt der Scholiast desselben, und theilt uns zu-
gleich die Weihinschrift mit: Χαιρέδημος Εὐαγγέλου ἐκ Κοίλης
ἀνέϑηκε. Den Namen des Künstlers Strongylion haben wir
erst durch die 1840 wiedergefundene Inschrift der Basis ken-
nen gelernt 3):

[Abbildung]
Der Fundort, in der Nähe der inneren Südecke der Pro-
pylaeen, so wie der erste Theil der Inschrift lassen keinen
Zweifel, dass wir hier wirklich die Basis jenes Pferdes vor
uns haben. Die archaischen Schriftzüge, die sich in ein-
zelnen Punkten (z. B. dem ⵉ) der euklidischen Zeit annähern,
bestätigen es, dass das Werk nicht lange vor Aufführung der
Vögel (Ol. 91, 2) aufgestellt sein kann, und durch seine Neu-
heit und seine Grösse (die Länge der Basis beträgt an 11 Fuss)
jene Anspielung veranlasst haben mag. — Ein zweites Werk
des Strongylion sah Pausanias 4) zu Megara. Er erzählt, dass
die Megareer einem Streifcorps des Mardonios eine Niederlage
beigebracht und deshalb der Artemis Soteira eine Statue
errichtet hätten. Da er nun fortfährt: „In demselben Tempel
sind auch Bilder der zwölf Götter, welche Werke des Praxi-
teles sein sollen; die Artemis selbst aber machte Strongy-
lion”; so glaubte man, die Artemis gehöre zu den zwölf Göt-
tern, und der Künstler müsse ein Zeitgenosse des Praxiteles

1) I, 23, 10.
2) in d. Vögeln 1128.
3) Schöll im Kunstblatt 1840, N. 75.
Arch. Mitth. S. 126. Stephani im Rh. Mus. N. F. IV, S. 17.
4) I, 40, 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0280" n="267"/>
Styppax selbst, welches eine grosse Aehnlichkeit mit dem<lb/>
Räucherknaben des Lykios, dem Gegenstande, wie der Auffas-<lb/>
sung nach, verräth. Wir wollen die Frage nicht aufwerfen,<lb/>
wem die Priorität der Erfindung gebühre. Denn gewiss haben<lb/>
beide Künstler auf gleiche Weise die Anregung zu ihren Schö-<lb/>
pfungen von einem und demselben Punkte aus erhalten, nem-<lb/>
lich aus der Lehre und den Werken des Myron.</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#g">Strongylion.</hi> </p><lb/>
            <p>Auf der Akropolis von Athen, unweit der Propylaeen, sah<lb/>
Pausanias <note place="foot" n="1)">I, 23, 10.</note> das sogenannte <hi rendition="#g">hölzerne</hi> (trojanische) <hi rendition="#g">Pferd</hi><lb/>
aus Erz gebildet, aus welchem Menestheus und Teukros, so-<lb/>
wie auch die Söhne des Theseus, hervorschauten. Dass sich<lb/>
eine Anspielung auf dieses Kunstwerk schon bei Aristophanes <note place="foot" n="2)">in d. Vögeln 1128.</note><lb/>
findet, bemerkt der Scholiast desselben, und theilt uns zu-<lb/>
gleich die Weihinschrift mit: &#x03A7;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C1;&#x03AD;&#x03B4;&#x03B7;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; &#x0395;&#x1F50;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B3;&#x03AD;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C5; &#x1F10;&#x03BA; &#x039A;&#x03BF;&#x03AF;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C2;<lb/>
&#x1F00;&#x03BD;&#x03AD;&#x03D1;&#x03B7;&#x03BA;&#x03B5;. Den Namen des Künstlers Strongylion haben wir<lb/>
erst durch die 1840 wiedergefundene Inschrift der Basis ken-<lb/>
nen gelernt <note place="foot" n="3)">Schöll im Kunstblatt 1840, N. 75.<lb/>
Arch. Mitth. S. 126. Stephani im Rh. Mus. N. F. IV, S. 17.</note>:<lb/><figure/><lb/>
Der Fundort, in der Nähe der inneren Südecke der Pro-<lb/>
pylaeen, so wie der erste Theil der Inschrift lassen keinen<lb/>
Zweifel, dass wir hier wirklich die Basis jenes Pferdes vor<lb/>
uns haben. Die archaischen Schriftzüge, die sich in ein-<lb/>
zelnen Punkten (z. B. dem &#x2D49;) der euklidischen Zeit annähern,<lb/>
bestätigen es, dass das Werk nicht lange vor Aufführung der<lb/>
Vögel (Ol. 91, 2) aufgestellt sein kann, und durch seine Neu-<lb/>
heit und seine Grösse (die Länge der Basis beträgt an 11 Fuss)<lb/>
jene Anspielung veranlasst haben mag. &#x2014; Ein zweites Werk<lb/>
des Strongylion sah Pausanias <note place="foot" n="4)">I, 40, 2.</note> zu Megara. Er erzählt, dass<lb/>
die Megareer einem Streifcorps des Mardonios eine Niederlage<lb/>
beigebracht und deshalb der <hi rendition="#g">Artemis Soteira</hi> eine Statue<lb/>
errichtet hätten. Da er nun fortfährt: &#x201E;In demselben Tempel<lb/>
sind auch Bilder der zwölf Götter, welche Werke des Praxi-<lb/>
teles sein sollen; die Artemis selbst aber machte Strongy-<lb/>
lion&#x201D;; so glaubte man, die Artemis gehöre zu den zwölf Göt-<lb/>
tern, und der Künstler müsse ein Zeitgenosse des Praxiteles<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0280] Styppax selbst, welches eine grosse Aehnlichkeit mit dem Räucherknaben des Lykios, dem Gegenstande, wie der Auffas- sung nach, verräth. Wir wollen die Frage nicht aufwerfen, wem die Priorität der Erfindung gebühre. Denn gewiss haben beide Künstler auf gleiche Weise die Anregung zu ihren Schö- pfungen von einem und demselben Punkte aus erhalten, nem- lich aus der Lehre und den Werken des Myron. Strongylion. Auf der Akropolis von Athen, unweit der Propylaeen, sah Pausanias 1) das sogenannte hölzerne (trojanische) Pferd aus Erz gebildet, aus welchem Menestheus und Teukros, so- wie auch die Söhne des Theseus, hervorschauten. Dass sich eine Anspielung auf dieses Kunstwerk schon bei Aristophanes 2) findet, bemerkt der Scholiast desselben, und theilt uns zu- gleich die Weihinschrift mit: Χαιρέδημος Εὐαγγέλου ἐκ Κοίλης ἀνέϑηκε. Den Namen des Künstlers Strongylion haben wir erst durch die 1840 wiedergefundene Inschrift der Basis ken- nen gelernt 3): [Abbildung] Der Fundort, in der Nähe der inneren Südecke der Pro- pylaeen, so wie der erste Theil der Inschrift lassen keinen Zweifel, dass wir hier wirklich die Basis jenes Pferdes vor uns haben. Die archaischen Schriftzüge, die sich in ein- zelnen Punkten (z. B. dem ⵉ) der euklidischen Zeit annähern, bestätigen es, dass das Werk nicht lange vor Aufführung der Vögel (Ol. 91, 2) aufgestellt sein kann, und durch seine Neu- heit und seine Grösse (die Länge der Basis beträgt an 11 Fuss) jene Anspielung veranlasst haben mag. — Ein zweites Werk des Strongylion sah Pausanias 4) zu Megara. Er erzählt, dass die Megareer einem Streifcorps des Mardonios eine Niederlage beigebracht und deshalb der Artemis Soteira eine Statue errichtet hätten. Da er nun fortfährt: „In demselben Tempel sind auch Bilder der zwölf Götter, welche Werke des Praxi- teles sein sollen; die Artemis selbst aber machte Strongy- lion”; so glaubte man, die Artemis gehöre zu den zwölf Göt- tern, und der Künstler müsse ein Zeitgenosse des Praxiteles 1) I, 23, 10. 2) in d. Vögeln 1128. 3) Schöll im Kunstblatt 1840, N. 75. Arch. Mitth. S. 126. Stephani im Rh. Mus. N. F. IV, S. 17. 4) I, 40, 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/280
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/280>, abgerufen am 12.05.2024.