Doch hat hier Pausanias offenbar den Pankratiasten Hermoly- kos, den Sohn des Euthynos, im Auge, welcher nach Hero- dot 1) den Preis der Tapferkeit in der Schlacht bei Mykale davontrug. Möglich wäre es freilich immer, dass Pausanias aus Flüchtigkeit den Namen des Diitrephes übersehen und fälsch- lich an den bekannten Hermolykos gedacht hätte. Betrachten wir hiernach die erhaltene Basis als nicht der Statue des Diitre- phes angehörig, so bleibt dennoch eine grosse Wahrscheinlich- keit, dass Kresilas, wenn er das eine Werk für dessen Sohn aus- führte, auch der Künstler der Statue des Vaters war, und dass auf diese auch die Worte des Plinius zu beziehen sind. Als das Todesjahr des Diitrephes hat man gewöhnlich Ol. 91, 4 angenom- men. Damals nemlich führte er thessalische Hülfsvölker, welche zu spät nach Athen gelangt waren, um mit Demosthenes nach Sicilien zu segeln, nach ihrem Vaterlande zurück, überfiel un- terwegs Mykalessos in Boeotien, erlitt aber unmittelbar nach Einnahme der Stadt eine Niederlage durch die herbeieilenden Thebaner 2). Allein mit Recht verweist Rangabe 3) auf die Angabe des Thucydides 4), dass noch Ol. 92, 2, als die Athe- ner die Verfassung in Thasos umstürzten, Diitrephes den Be- fehl in Thrakien führte. Wir müssen es also ungewiss lassen, wann sein Tod erfolgte. Arbeitete aber auch Kresilas schon bei Lebzeiten des Phidias, so konnte er doch, wie dessen Schüler Alkamenes, recht wohl gegen das Ende des pelopon- nesischen Krieges noch am Leben und thätig sein.
Endlich ist hier eine Vermuthung Bergk's 5) zu erwähnen, selbst wenn sie nicht als durchaus sicher anzunehmen ist. Pausanias nemlich spricht kurz vor Erwähnung des Hermoly- kos von Oinobios, auf dessen Antrag Thucydides aus dem Exil zurückgerufen wurde. Man erwartet dem Zusammen- hange gemäss, dass Pausanias die Statue des Oinobios, sowie den Künstler erwähne; weshalb Bergk nach Epikharinou ... ten eikona epoiese Kritias die Worte Oinobiou de Kresilas ein- fügt. Der vorhergehende ähnliche Name Kritias und das fol- gende Wort Oinobio geben dieser Ergänzung einen grossen Schein von Wahrscheinlichkeit, und das Zeitalter des Kresilas scheint sie zu bestätigen.
1) IX, 105.
2) Paus. a. a. O. Thuc. VII, 29.
3) Ant. hell. p. 42.
4) VIII, 64.
5) a. a. O. S. 964.
Doch hat hier Pausanias offenbar den Pankratiasten Hermoly- kos, den Sohn des Euthynos, im Auge, welcher nach Hero- dot 1) den Preis der Tapferkeit in der Schlacht bei Mykale davontrug. Möglich wäre es freilich immer, dass Pausanias aus Flüchtigkeit den Namen des Diitrephes übersehen und fälsch- lich an den bekannten Hermolykos gedacht hätte. Betrachten wir hiernach die erhaltene Basis als nicht der Statue des Diitre- phes angehörig, so bleibt dennoch eine grosse Wahrscheinlich- keit, dass Kresilas, wenn er das eine Werk für dessen Sohn aus- führte, auch der Künstler der Statue des Vaters war, und dass auf diese auch die Worte des Plinius zu beziehen sind. Als das Todesjahr des Diïtrephes hat man gewöhnlich Ol. 91, 4 angenom- men. Damals nemlich führte er thessalische Hülfsvölker, welche zu spät nach Athen gelangt waren, um mit Demosthenes nach Sicilien zu segeln, nach ihrem Vaterlande zurück, überfiel un- terwegs Mykalessos in Boeotien, erlitt aber unmittelbar nach Einnahme der Stadt eine Niederlage durch die herbeieilenden Thebaner 2). Allein mit Recht verweist Rangabé 3) auf die Angabe des Thucydides 4), dass noch Ol. 92, 2, als die Athe- ner die Verfassung in Thasos umstürzten, Diitrephes den Be- fehl in Thrakien führte. Wir müssen es also ungewiss lassen, wann sein Tod erfolgte. Arbeitete aber auch Kresilas schon bei Lebzeiten des Phidias, so konnte er doch, wie dessen Schüler Alkamenes, recht wohl gegen das Ende des pelopon- nesischen Krieges noch am Leben und thätig sein.
Endlich ist hier eine Vermuthung Bergk’s 5) zu erwähnen, selbst wenn sie nicht als durchaus sicher anzunehmen ist. Pausanias nemlich spricht kurz vor Erwähnung des Hermoly- kos von Oinobios, auf dessen Antrag Thucydides aus dem Exil zurückgerufen wurde. Man erwartet dem Zusammen- hange gemäss, dass Pausanias die Statue des Oinobios, sowie den Künstler erwähne; weshalb Bergk nach Ἐπιχαρίνου ... τὴν εἰκόνα ἐποίησε Κριτίας die Worte Οίνοβίου δὲ Κρησίλας ein- fügt. Der vorhergehende ähnliche Name Κριτίας und das fol- gende Wort Οἰνοβίῳ geben dieser Ergänzung einen grossen Schein von Wahrscheinlichkeit, und das Zeitalter des Kresilas scheint sie zu bestätigen.
1) IX, 105.
2) Paus. a. a. O. Thuc. VII, 29.
3) Ant. hell. p. 42.
4) VIII, 64.
5) a. a. O. S. 964.
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aus Flüchtigkeit den Namen des Diitrephes übersehen und fälsch-
lich an den bekannten Hermolykos gedacht hätte. Betrachten
wir hiernach die erhaltene Basis als nicht der Statue des Diitre-
phes angehörig, so bleibt dennoch eine grosse Wahrscheinlich-
keit, dass Kresilas, wenn er das eine Werk für dessen Sohn aus-
führte, auch der Künstler der Statue des Vaters war, und dass
auf diese auch die Worte des Plinius zu beziehen sind. Als das
Todesjahr des Diïtrephes hat man gewöhnlich Ol. 91, 4 angenom-
men. Damals nemlich führte er thessalische Hülfsvölker, welche
zu spät nach Athen gelangt waren, um mit Demosthenes nach
Sicilien zu segeln, nach ihrem Vaterlande zurück, überfiel un-
terwegs Mykalessos in Boeotien, erlitt aber unmittelbar nach
Einnahme der Stadt eine Niederlage durch die herbeieilenden
Thebaner 2). Allein mit Recht verweist Rangabé 3) auf die
Angabe des Thucydides 4), dass noch Ol. 92, 2, als die Athe-
ner die Verfassung in Thasos umstürzten, Diitrephes den Be-
fehl in Thrakien führte. Wir müssen es also ungewiss lassen,
wann sein Tod erfolgte. Arbeitete aber auch Kresilas schon
bei Lebzeiten des Phidias, so konnte er doch, wie dessen
Schüler Alkamenes, recht wohl gegen das Ende des pelopon-
nesischen Krieges noch am Leben und thätig sein.
Endlich ist hier eine Vermuthung Bergk’s 5) zu erwähnen,
selbst wenn sie nicht als durchaus sicher anzunehmen ist.
Pausanias nemlich spricht kurz vor Erwähnung des Hermoly-
kos von Oinobios, auf dessen Antrag Thucydides aus dem
Exil zurückgerufen wurde. Man erwartet dem Zusammen-
hange gemäss, dass Pausanias die Statue des Oinobios, sowie
den Künstler erwähne; weshalb Bergk nach Ἐπιχαρίνου ... τὴν
εἰκόνα ἐποίησε Κριτίας die Worte Οίνοβίου δὲ Κρησίλας ein-
fügt. Der vorhergehende ähnliche Name Κριτίας und das fol-
gende Wort Οἰνοβίῳ geben dieser Ergänzung einen grossen
Schein von Wahrscheinlichkeit, und das Zeitalter des Kresilas
scheint sie zu bestätigen.
1) IX, 105.
2) Paus. a. a. O. Thuc. VII, 29.
3) Ant. hell. p. 42.
4) VIII, 64.
5) a. a. O. S. 964.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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