Die Erwähnung von Kydonia, wie das Versmaass führen hier wie von selbst auf die Veränderung: Kudoniatas Kresilas eirgaxato. Ausserdem ist auch in der ersten Zeile für pure aus der pa- latinischen Handschrift Pures als Eigenname mit vollem Rechte aufgenommen worden.
Ein Bewohner von Kydonia konnte aber eben sowohl Ku- don, als Kudoniatas genannt werden 1). Dieser Umstand muss den Verdacht rege machen, dass auch bei Plinius ein Versehen hinsichtlich des Kresilas obwalte: ein Verdacht, auf den ich selbst verfallen war, noch ehe ich wusste, dass ihn Jahn 2) bereits ausgesprochen hatte. In der schon früher erwähnten Erzählung des Wettstreites verschiedener Künstler in der Bildung von Amazonenstatuen sagt nemlich Plinius 3): tertia (est) Cresilae, quarta Cydonis. Hier ist es gewiss im höchsten Grade wahrscheinlich, dass er die Bezeichnung der Vaterstadt des Kresilas irrthümlich für einen besonderen Künst- lernamen gehalten hat. Endlich herrscht nochmals Verwirrung in der alphabetischen Aufzählung der Künstler bei demselben Schriftsteller. Nachdem er an erster Stelle unter C, wo der Name Cresilas auch durch die besten Handschriften gesichert ist, zwei Werke desselben, einen sterbenden Verwundeten und das Bild des Perikles, angeführt hat, folgen später, gerade auf der Grenze zwischen C und D, nach der gewöhnlichen Les- art die Worte: Desilaus doryphoron et Amazonem vulneratam. Auch hier stehe ich nicht an, ebenfalls in Desilaus nur eine Cor- ruption von Cresilas zu erkennen. Von einer Amazone des letz- teren wissen wir ohnehin; die Lesarten c. tesilaus in der Bamber- ger, desilas in der Münchner Handchrift führen gleichfalls auf diesen Namen. Endlich spricht dafür auch die Stelle, an welcher der vermeintliche Desilaus erscheint. Wie Plinius eine zweite Notiz über Lykios am Ende des L einfügt, so hier eine zweite über Kresilas am Ende des C.
Wir haben also Nachricht von wenigstens sechs Werken des Kresilas; doch vermögen wir bei den Weihgeschen- ken der Pallas Tritogeneia und der Demeter Chthonia nicht einmal den Gegenstand der Darstellung anzugeben. Des Do-
1) s. Steph. Byz. s. v. Kudonia, und unten die rhodische Inschrift des Bildhauers Protos.
2) in den Berichten der sächs. Gesellsch. 1850, S. 37.
3) 34, 53.
Die Erwähnung von Kydonia, wie das Versmaass führen hier wie von selbst auf die Veränderung: Κυδωνιάτας Κρησίλας εἰργάξατο. Ausserdem ist auch in der ersten Zeile für πυρῆ aus der pa- latinischen Handschrift Πυρῆς als Eigenname mit vollem Rechte aufgenommen worden.
Ein Bewohner von Kydonia konnte aber eben sowohl Κύ- δων, als Κυδωνιάτας genannt werden 1). Dieser Umstand muss den Verdacht rege machen, dass auch bei Plinius ein Versehen hinsichtlich des Kresilas obwalte: ein Verdacht, auf den ich selbst verfallen war, noch ehe ich wusste, dass ihn Jahn 2) bereits ausgesprochen hatte. In der schon früher erwähnten Erzählung des Wettstreites verschiedener Künstler in der Bildung von Amazonenstatuen sagt nemlich Plinius 3): tertia (est) Cresilae, quarta Cydonis. Hier ist es gewiss im höchsten Grade wahrscheinlich, dass er die Bezeichnung der Vaterstadt des Kresilas irrthümlich für einen besonderen Künst- lernamen gehalten hat. Endlich herrscht nochmals Verwirrung in der alphabetischen Aufzählung der Künstler bei demselben Schriftsteller. Nachdem er an erster Stelle unter C, wo der Name Cresilas auch durch die besten Handschriften gesichert ist, zwei Werke desselben, einen sterbenden Verwundeten und das Bild des Perikles, angeführt hat, folgen später, gerade auf der Grenze zwischen C und D, nach der gewöhnlichen Les- art die Worte: Desilaus doryphoron et Amazonem vulneratam. Auch hier stehe ich nicht an, ebenfalls in Desilaus nur eine Cor- ruption von Cresilas zu erkennen. Von einer Amazone des letz- teren wissen wir ohnehin; die Lesarten c. tesilaus in der Bamber- ger, desilas in der Münchner Handchrift führen gleichfalls auf diesen Namen. Endlich spricht dafür auch die Stelle, an welcher der vermeintliche Desilaus erscheint. Wie Plinius eine zweite Notiz über Lykios am Ende des L einfügt, so hier eine zweite über Kresilas am Ende des C.
Wir haben also Nachricht von wenigstens sechs Werken des Kresilas; doch vermögen wir bei den Weihgeschen- ken der Pallas Tritogeneia und der Demeter Chthonia nicht einmal den Gegenstand der Darstellung anzugeben. Des Do-
1) s. Steph. Byz. s. v. Κυδωνία, und unten die rhodische Inschrift des Bildhauers Protos.
2) in den Berichten der sächs. Gesellsch. 1850, S. 37.
3) 34, 53.
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Die Erwähnung von Kydonia, wie das Versmaass führen hier
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Κυδωνιάτας Κρησίλας εἰργάξατο.
Ausserdem ist auch in der ersten Zeile für πυρῆ aus der pa-
latinischen Handschrift Πυρῆς als Eigenname mit vollem Rechte
aufgenommen worden.
Ein Bewohner von Kydonia konnte aber eben sowohl Κύ-
δων, als Κυδωνιάτας genannt werden 1). Dieser Umstand
muss den Verdacht rege machen, dass auch bei Plinius ein
Versehen hinsichtlich des Kresilas obwalte: ein Verdacht,
auf den ich selbst verfallen war, noch ehe ich wusste, dass
ihn Jahn 2) bereits ausgesprochen hatte. In der schon früher
erwähnten Erzählung des Wettstreites verschiedener Künstler
in der Bildung von Amazonenstatuen sagt nemlich Plinius 3):
tertia (est) Cresilae, quarta Cydonis. Hier ist es gewiss im
höchsten Grade wahrscheinlich, dass er die Bezeichnung der
Vaterstadt des Kresilas irrthümlich für einen besonderen Künst-
lernamen gehalten hat. Endlich herrscht nochmals Verwirrung
in der alphabetischen Aufzählung der Künstler bei demselben
Schriftsteller. Nachdem er an erster Stelle unter C, wo der
Name Cresilas auch durch die besten Handschriften gesichert
ist, zwei Werke desselben, einen sterbenden Verwundeten
und das Bild des Perikles, angeführt hat, folgen später, gerade
auf der Grenze zwischen C und D, nach der gewöhnlichen Les-
art die Worte: Desilaus doryphoron et Amazonem vulneratam.
Auch hier stehe ich nicht an, ebenfalls in Desilaus nur eine Cor-
ruption von Cresilas zu erkennen. Von einer Amazone des letz-
teren wissen wir ohnehin; die Lesarten c. tesilaus in der Bamber-
ger, desilas in der Münchner Handchrift führen gleichfalls auf
diesen Namen. Endlich spricht dafür auch die Stelle, an welcher
der vermeintliche Desilaus erscheint. Wie Plinius eine zweite
Notiz über Lykios am Ende des L einfügt, so hier eine zweite
über Kresilas am Ende des C.
Wir haben also Nachricht von wenigstens sechs Werken
des Kresilas; doch vermögen wir bei den Weihgeschen-
ken der Pallas Tritogeneia und der Demeter Chthonia nicht
einmal den Gegenstand der Darstellung anzugeben. Des Do-
1) s. Steph. Byz. s. v. Κυδωνία, und unten die rhodische Inschrift des
Bildhauers Protos.
2) in den Berichten der sächs. Gesellsch. 1850, S. 37.
3) 34, 53.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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