Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

auch anderwärts Nachahmung gefunden habe, wie in Olympia,
wohin Phidias mit seinen Schülern selbst ging, so auch in Delphi.

Ueber die Darstellungen selbst hat Welcker (a. a. O.) aus-
führlich gehandelt. Doch ist er nicht im Stande gewesen, über
die Vertheilung der Compositionen mit Sicherheit mehr fest-
zustellen, als dass Apollo, Artemis, Leto nebst den Musen
den vorderen Giebel einnahmen, während der Untergang des
Helios nebst Dionysos und den Thyiaden der Rückseite zuzu-
theilen sind. Ich bemerke, dass auch hier der Gegensatz einer
ruhigeren und einer bewegteren Darstellung sich wiederfindet.
In dem Chor des Euripides endlich hat Welcker noch den In-
halt von fünf Metopenbildern angegeben gefunden, welche wir
wohl ebenfalls als Werke der genannten Künstler betrachten
dürfen. Es sind: Herakles, welcher mit der Harpe die lernäi-
sche Schlange tödtet, wobei Iolaos mit einer Fackel ihm Bei-
stand leistet; Bellerophon, die Chimaera bezwingend; Pallas,
das Gorgoneion gegen Enkelados schwingend; Zeus, den Mi-
mas niederschmetternd; Dionysos, einen der Erdensöhne mit
dem Thyrsos tödtend. Natürlich sind dieses nur wenige Bruch-
stücke einer ganzen Reihe, welche vielleicht den Kampf der
Götter gegen finstere Erdmächte und Kämpfe der Heroen zur
Befreiung der Erde von verderbenbringenden Geschöpfen als
Grundthema behandelte.

Arbeiter am Fries des Erechtheum.

Die Figuren aus Marmor in hohem Relief, welche den
Fries des Erechtheum schmückten, waren nach den noch vor-
handenen Spuren und Resten einzeln auf die Fläche desselben
aufgesetzt. Die Composition des Ganzen musste natürlich von
einem einzigen Künstler entworfen sein. Dass dagegen bei
der Ausführung verschiedene Hände thätig waren, lehren die
bedeutenden Fragmente der Baurechnung, welche nach und
nach in der neueren Zeit entdeckt und am vollständigsten von
Stephani 1) publicirt worden sind. In derselben ist unter an-
dern auch der Lohn verzeichnet, welcher den Arbeitern für
einzelne Theile des Frieses ausgezahlt wurde. Ob dieselben
freilich wirkliche Künstler oder nur geübte Marmorarbeiter wa-
ren, vermögen wir nicht zu bestimmen. Bekannte Namen fin-
den wir unter ihnen nicht, wenn wir nicht einen Phyromachos

1) in den Ann. dell' Inst. 1843, p. 286--327.

auch anderwärts Nachahmung gefunden habe, wie in Olympia,
wohin Phidias mit seinen Schülern selbst ging, so auch in Delphi.

Ueber die Darstellungen selbst hat Welcker (a. a. O.) aus-
führlich gehandelt. Doch ist er nicht im Stande gewesen, über
die Vertheilung der Compositionen mit Sicherheit mehr fest-
zustellen, als dass Apollo, Artemis, Leto nebst den Musen
den vorderen Giebel einnahmen, während der Untergang des
Helios nebst Dionysos und den Thyiaden der Rückseite zuzu-
theilen sind. Ich bemerke, dass auch hier der Gegensatz einer
ruhigeren und einer bewegteren Darstellung sich wiederfindet.
In dem Chor des Euripides endlich hat Welcker noch den In-
halt von fünf Metopenbildern angegeben gefunden, welche wir
wohl ebenfalls als Werke der genannten Künstler betrachten
dürfen. Es sind: Herakles, welcher mit der Harpe die lernäi-
sche Schlange tödtet, wobei Iolaos mit einer Fackel ihm Bei-
stand leistet; Bellerophon, die Chimaera bezwingend; Pallas,
das Gorgoneion gegen Enkelados schwingend; Zeus, den Mi-
mas niederschmetternd; Dionysos, einen der Erdensöhne mit
dem Thyrsos tödtend. Natürlich sind dieses nur wenige Bruch-
stücke einer ganzen Reihe, welche vielleicht den Kampf der
Götter gegen finstere Erdmächte und Kämpfe der Heroen zur
Befreiung der Erde von verderbenbringenden Geschöpfen als
Grundthema behandelte.

Arbeiter am Fries des Erechtheum.

Die Figuren aus Marmor in hohem Relief, welche den
Fries des Erechtheum schmückten, waren nach den noch vor-
handenen Spuren und Resten einzeln auf die Fläche desselben
aufgesetzt. Die Composition des Ganzen musste natürlich von
einem einzigen Künstler entworfen sein. Dass dagegen bei
der Ausführung verschiedene Hände thätig waren, lehren die
bedeutenden Fragmente der Baurechnung, welche nach und
nach in der neueren Zeit entdeckt und am vollständigsten von
Stephani 1) publicirt worden sind. In derselben ist unter an-
dern auch der Lohn verzeichnet, welcher den Arbeitern für
einzelne Theile des Frieses ausgezahlt wurde. Ob dieselben
freilich wirkliche Künstler oder nur geübte Marmorarbeiter wa-
ren, vermögen wir nicht zu bestimmen. Bekannte Namen fin-
den wir unter ihnen nicht, wenn wir nicht einen Phyromachos

1) in den Ann. dell’ Inst. 1843, p. 286—327.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0261" n="248"/>
auch anderwärts Nachahmung gefunden habe, wie in Olympia,<lb/>
wohin Phidias mit seinen Schülern selbst ging, so auch in Delphi.</p><lb/>
            <p>Ueber die Darstellungen selbst hat Welcker (a. a. O.) aus-<lb/>
führlich gehandelt. Doch ist er nicht im Stande gewesen, über<lb/>
die Vertheilung der Compositionen mit Sicherheit mehr fest-<lb/>
zustellen, als dass Apollo, Artemis, Leto nebst den Musen<lb/>
den vorderen Giebel einnahmen, während der Untergang des<lb/>
Helios nebst Dionysos und den Thyiaden der Rückseite zuzu-<lb/>
theilen sind. Ich bemerke, dass auch hier der Gegensatz einer<lb/>
ruhigeren und einer bewegteren Darstellung sich wiederfindet.<lb/>
In dem Chor des Euripides endlich hat Welcker noch den In-<lb/>
halt von fünf Metopenbildern angegeben gefunden, welche wir<lb/>
wohl ebenfalls als Werke der genannten Künstler betrachten<lb/>
dürfen. Es sind: Herakles, welcher mit der Harpe die lernäi-<lb/>
sche Schlange tödtet, wobei Iolaos mit einer Fackel ihm Bei-<lb/>
stand leistet; Bellerophon, die Chimaera bezwingend; Pallas,<lb/>
das Gorgoneion gegen Enkelados schwingend; Zeus, den Mi-<lb/>
mas niederschmetternd; Dionysos, einen der Erdensöhne mit<lb/>
dem Thyrsos tödtend. Natürlich sind dieses nur wenige Bruch-<lb/>
stücke einer ganzen Reihe, welche vielleicht den Kampf der<lb/>
Götter gegen finstere Erdmächte und Kämpfe der Heroen zur<lb/>
Befreiung der Erde von verderbenbringenden Geschöpfen als<lb/>
Grundthema behandelte.</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#g">Arbeiter am Fries des Erechtheum.</hi> </p><lb/>
            <p>Die Figuren aus Marmor in hohem Relief, welche den<lb/>
Fries des Erechtheum schmückten, waren nach den noch vor-<lb/>
handenen Spuren und Resten einzeln auf die Fläche desselben<lb/>
aufgesetzt. Die Composition des Ganzen musste natürlich von<lb/>
einem einzigen Künstler entworfen sein. Dass dagegen bei<lb/>
der Ausführung verschiedene Hände thätig waren, lehren die<lb/>
bedeutenden Fragmente der Baurechnung, welche nach und<lb/>
nach in der neueren Zeit entdeckt und am vollständigsten von<lb/>
Stephani <note place="foot" n="1)">in den Ann. dell&#x2019; Inst. 1843, p. 286&#x2014;327.</note> publicirt worden sind. In derselben ist unter an-<lb/>
dern auch der Lohn verzeichnet, welcher den Arbeitern für<lb/>
einzelne Theile des Frieses ausgezahlt wurde. Ob dieselben<lb/>
freilich wirkliche Künstler oder nur geübte Marmorarbeiter wa-<lb/>
ren, vermögen wir nicht zu bestimmen. Bekannte Namen fin-<lb/>
den wir unter ihnen nicht, wenn wir nicht einen Phyromachos<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0261] auch anderwärts Nachahmung gefunden habe, wie in Olympia, wohin Phidias mit seinen Schülern selbst ging, so auch in Delphi. Ueber die Darstellungen selbst hat Welcker (a. a. O.) aus- führlich gehandelt. Doch ist er nicht im Stande gewesen, über die Vertheilung der Compositionen mit Sicherheit mehr fest- zustellen, als dass Apollo, Artemis, Leto nebst den Musen den vorderen Giebel einnahmen, während der Untergang des Helios nebst Dionysos und den Thyiaden der Rückseite zuzu- theilen sind. Ich bemerke, dass auch hier der Gegensatz einer ruhigeren und einer bewegteren Darstellung sich wiederfindet. In dem Chor des Euripides endlich hat Welcker noch den In- halt von fünf Metopenbildern angegeben gefunden, welche wir wohl ebenfalls als Werke der genannten Künstler betrachten dürfen. Es sind: Herakles, welcher mit der Harpe die lernäi- sche Schlange tödtet, wobei Iolaos mit einer Fackel ihm Bei- stand leistet; Bellerophon, die Chimaera bezwingend; Pallas, das Gorgoneion gegen Enkelados schwingend; Zeus, den Mi- mas niederschmetternd; Dionysos, einen der Erdensöhne mit dem Thyrsos tödtend. Natürlich sind dieses nur wenige Bruch- stücke einer ganzen Reihe, welche vielleicht den Kampf der Götter gegen finstere Erdmächte und Kämpfe der Heroen zur Befreiung der Erde von verderbenbringenden Geschöpfen als Grundthema behandelte. Arbeiter am Fries des Erechtheum. Die Figuren aus Marmor in hohem Relief, welche den Fries des Erechtheum schmückten, waren nach den noch vor- handenen Spuren und Resten einzeln auf die Fläche desselben aufgesetzt. Die Composition des Ganzen musste natürlich von einem einzigen Künstler entworfen sein. Dass dagegen bei der Ausführung verschiedene Hände thätig waren, lehren die bedeutenden Fragmente der Baurechnung, welche nach und nach in der neueren Zeit entdeckt und am vollständigsten von Stephani 1) publicirt worden sind. In derselben ist unter an- dern auch der Lohn verzeichnet, welcher den Arbeitern für einzelne Theile des Frieses ausgezahlt wurde. Ob dieselben freilich wirkliche Künstler oder nur geübte Marmorarbeiter wa- ren, vermögen wir nicht zu bestimmen. Bekannte Namen fin- den wir unter ihnen nicht, wenn wir nicht einen Phyromachos 1) in den Ann. dell’ Inst. 1843, p. 286—327.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/261
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/261>, abgerufen am 12.05.2024.