Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Paeonios.

Obwohl er nicht ausdrücklich Schüler des Phidias genannt
wird, dürfen wir ihn in diese Reihe wegen der Figuren auf-
nehmen, welche er für das vordere Giebelfeld des Zeus-
tempels
zu Olympia ausführte. Er war aus Mende in
Thracien gebürtig, wie Pausanias 1) unzweideutig meldet; wo-
nach Sillig den Irrthum derer berichtigt hat, welche an einer
andern Stelle des Pausanias 2) einen Künstler Mendaeos aus
Paeonien zu finden glaubten. Dort ist die Rede von dem Weih-
geschenke, einer Nike auf einer Säule, welches Paeonios für
die Messenier in Naupaktos gemacht hatte. Nach der Inschrift
war es wegen der Siege über Akarnanen und Oeniaden ge-
weiht; nach der Behauptung der Messenier dagegen, wegen
der Niederlage der Lakedaemonier auf Sphakteria: nur habe
man wegen der Furcht vor ihnen nicht gewagt, es in der In-
schrift zu bekennen. Für die Zeitbestimmung des Künstlers
ist dieser Unterschied kaum von Bedeutung; denn die Ueber-
gabe Sphakteria's fällt in Ol. 88, 4; jener andere Krieg in
Ol. 87, 4 3); beide Angaben führen uns also nur wenige
Jahre über die Zeit der Vollendung des Zeusbildes im Tempel
zu Olympia hinaus. Die Statuen des Paeonios im Giebel des-
selben beschreibt Pausanias genauer, als die des Alkamenes,
und zwar in folgender Weise: "Der vordere Giebel enthält
den Wettkampf des Pelops mit dem Wagen gegen Oenomaos
vor seinem Beginnen, wo das Rennen auf beiden Seiten vor-
bereitet wird. Zur Rechten der Bildsäule des Zeus, welche
gerade in die Mitte des Giebelfeldes gestellt ist, steht Oeno-
maos, mit dem Helme auf dem Haupte; neben ihm sein Weib
Sterope, eine der Töchter des Atlas. Myrtilos, der Wagen-
lenker des Oenomaos, sitzt vor den Pferden, die vier an der
Zahl sind. Nach ihm folgen zwei Männer, welche keine Na-
men (in der Sage) haben, aber ebenfalls von Oenomaos zur
Wartung der Pferde bestellt waren. Ganz am Ende lagert der
Kladeos, der auch sonst von den Eleern nächst dem Alpheios
am meisten geehrt wird. Zur linken Seite des Zeus sind Pe-
lops und Hippodamia, der Wagenlenker des Pelops und die
Rosse, ferner zwei Männer, die gleichfalls für die Rosse des
Pelops sorgten; und wo der Giebel wieder in die Enge zusam-

1) V, 20, 2.
2) V, 26, 1.
3) vgl. Thuc. II, 80 flgdd.

Paeonios.

Obwohl er nicht ausdrücklich Schüler des Phidias genannt
wird, dürfen wir ihn in diese Reihe wegen der Figuren auf-
nehmen, welche er für das vordere Giebelfeld des Zeus-
tempels
zu Olympia ausführte. Er war aus Mende in
Thracien gebürtig, wie Pausanias 1) unzweideutig meldet; wo-
nach Sillig den Irrthum derer berichtigt hat, welche an einer
andern Stelle des Pausanias 2) einen Künstler Mendaeos aus
Paeonien zu finden glaubten. Dort ist die Rede von dem Weih-
geschenke, einer Nike auf einer Säule, welches Paeonios für
die Messenier in Naupaktos gemacht hatte. Nach der Inschrift
war es wegen der Siege über Akarnanen und Oeniaden ge-
weiht; nach der Behauptung der Messenier dagegen, wegen
der Niederlage der Lakedaemonier auf Sphakteria: nur habe
man wegen der Furcht vor ihnen nicht gewagt, es in der In-
schrift zu bekennen. Für die Zeitbestimmung des Künstlers
ist dieser Unterschied kaum von Bedeutung; denn die Ueber-
gabe Sphakteria’s fällt in Ol. 88, 4; jener andere Krieg in
Ol. 87, 4 3); beide Angaben führen uns also nur wenige
Jahre über die Zeit der Vollendung des Zeusbildes im Tempel
zu Olympia hinaus. Die Statuen des Paeonios im Giebel des-
selben beschreibt Pausanias genauer, als die des Alkamenes,
und zwar in folgender Weise: „Der vordere Giebel enthält
den Wettkampf des Pelops mit dem Wagen gegen Oenomaos
vor seinem Beginnen, wo das Rennen auf beiden Seiten vor-
bereitet wird. Zur Rechten der Bildsäule des Zeus, welche
gerade in die Mitte des Giebelfeldes gestellt ist, steht Oeno-
maos, mit dem Helme auf dem Haupte; neben ihm sein Weib
Sterope, eine der Töchter des Atlas. Myrtilos, der Wagen-
lenker des Oenomaos, sitzt vor den Pferden, die vier an der
Zahl sind. Nach ihm folgen zwei Männer, welche keine Na-
men (in der Sage) haben, aber ebenfalls von Oenomaos zur
Wartung der Pferde bestellt waren. Ganz am Ende lagert der
Kladeos, der auch sonst von den Eleern nächst dem Alpheios
am meisten geehrt wird. Zur linken Seite des Zeus sind Pe-
lops und Hippodamia, der Wagenlenker des Pelops und die
Rosse, ferner zwei Männer, die gleichfalls für die Rosse des
Pelops sorgten; und wo der Giebel wieder in die Enge zusam-

1) V, 20, 2.
2) V, 26, 1.
3) vgl. Thuc. II, 80 flgdd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0257" n="244"/>
            <p> <hi rendition="#g">Paeonios.</hi> </p><lb/>
            <p>Obwohl er nicht ausdrücklich Schüler des Phidias genannt<lb/>
wird, dürfen wir ihn in diese Reihe wegen der Figuren auf-<lb/>
nehmen, welche er für das vordere <hi rendition="#g">Giebelfeld</hi> des <hi rendition="#g">Zeus-<lb/>
tempels</hi> zu <hi rendition="#g">Olympia</hi> ausführte. Er war aus Mende in<lb/>
Thracien gebürtig, wie Pausanias <note place="foot" n="1)">V, 20, 2.</note> unzweideutig meldet; wo-<lb/>
nach Sillig den Irrthum derer berichtigt hat, welche an einer<lb/>
andern Stelle des Pausanias <note place="foot" n="2)">V, 26, 1.</note> einen Künstler Mendaeos aus<lb/>
Paeonien zu finden glaubten. Dort ist die Rede von dem Weih-<lb/>
geschenke, einer <hi rendition="#g">Nike</hi> auf einer Säule, welches Paeonios für<lb/>
die Messenier in Naupaktos gemacht hatte. Nach der Inschrift<lb/>
war es wegen der Siege über Akarnanen und Oeniaden ge-<lb/>
weiht; nach der Behauptung der Messenier dagegen, wegen<lb/>
der Niederlage der Lakedaemonier auf Sphakteria: nur habe<lb/>
man wegen der Furcht vor ihnen nicht gewagt, es in der In-<lb/>
schrift zu bekennen. Für die Zeitbestimmung des Künstlers<lb/>
ist dieser Unterschied kaum von Bedeutung; denn die Ueber-<lb/>
gabe Sphakteria&#x2019;s fällt in Ol. 88, 4; jener andere Krieg in<lb/>
Ol. 87, 4 <note place="foot" n="3)">vgl. Thuc. II, 80 flgdd.</note>; beide Angaben führen uns also nur wenige<lb/>
Jahre über die Zeit der Vollendung des Zeusbildes im Tempel<lb/>
zu Olympia hinaus. Die Statuen des Paeonios im Giebel des-<lb/>
selben beschreibt Pausanias genauer, als die des Alkamenes,<lb/>
und zwar in folgender Weise: &#x201E;Der vordere Giebel enthält<lb/>
den Wettkampf des Pelops mit dem Wagen gegen Oenomaos<lb/>
vor seinem Beginnen, wo das Rennen auf beiden Seiten vor-<lb/>
bereitet wird. Zur Rechten der Bildsäule des Zeus, welche<lb/>
gerade in die Mitte des Giebelfeldes gestellt ist, steht Oeno-<lb/>
maos, mit dem Helme auf dem Haupte; neben ihm sein Weib<lb/>
Sterope, eine der Töchter des Atlas. Myrtilos, der Wagen-<lb/>
lenker des Oenomaos, sitzt vor den Pferden, die vier an der<lb/>
Zahl sind. Nach ihm folgen zwei Männer, welche keine Na-<lb/>
men (in der Sage) haben, aber ebenfalls von Oenomaos zur<lb/>
Wartung der Pferde bestellt waren. Ganz am Ende lagert der<lb/>
Kladeos, der auch sonst von den Eleern nächst dem Alpheios<lb/>
am meisten geehrt wird. Zur linken Seite des Zeus sind Pe-<lb/>
lops und Hippodamia, der Wagenlenker des Pelops und die<lb/>
Rosse, ferner zwei Männer, die gleichfalls für die Rosse des<lb/>
Pelops sorgten; und wo der Giebel wieder in die Enge zusam-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0257] Paeonios. Obwohl er nicht ausdrücklich Schüler des Phidias genannt wird, dürfen wir ihn in diese Reihe wegen der Figuren auf- nehmen, welche er für das vordere Giebelfeld des Zeus- tempels zu Olympia ausführte. Er war aus Mende in Thracien gebürtig, wie Pausanias 1) unzweideutig meldet; wo- nach Sillig den Irrthum derer berichtigt hat, welche an einer andern Stelle des Pausanias 2) einen Künstler Mendaeos aus Paeonien zu finden glaubten. Dort ist die Rede von dem Weih- geschenke, einer Nike auf einer Säule, welches Paeonios für die Messenier in Naupaktos gemacht hatte. Nach der Inschrift war es wegen der Siege über Akarnanen und Oeniaden ge- weiht; nach der Behauptung der Messenier dagegen, wegen der Niederlage der Lakedaemonier auf Sphakteria: nur habe man wegen der Furcht vor ihnen nicht gewagt, es in der In- schrift zu bekennen. Für die Zeitbestimmung des Künstlers ist dieser Unterschied kaum von Bedeutung; denn die Ueber- gabe Sphakteria’s fällt in Ol. 88, 4; jener andere Krieg in Ol. 87, 4 3); beide Angaben führen uns also nur wenige Jahre über die Zeit der Vollendung des Zeusbildes im Tempel zu Olympia hinaus. Die Statuen des Paeonios im Giebel des- selben beschreibt Pausanias genauer, als die des Alkamenes, und zwar in folgender Weise: „Der vordere Giebel enthält den Wettkampf des Pelops mit dem Wagen gegen Oenomaos vor seinem Beginnen, wo das Rennen auf beiden Seiten vor- bereitet wird. Zur Rechten der Bildsäule des Zeus, welche gerade in die Mitte des Giebelfeldes gestellt ist, steht Oeno- maos, mit dem Helme auf dem Haupte; neben ihm sein Weib Sterope, eine der Töchter des Atlas. Myrtilos, der Wagen- lenker des Oenomaos, sitzt vor den Pferden, die vier an der Zahl sind. Nach ihm folgen zwei Männer, welche keine Na- men (in der Sage) haben, aber ebenfalls von Oenomaos zur Wartung der Pferde bestellt waren. Ganz am Ende lagert der Kladeos, der auch sonst von den Eleern nächst dem Alpheios am meisten geehrt wird. Zur linken Seite des Zeus sind Pe- lops und Hippodamia, der Wagenlenker des Pelops und die Rosse, ferner zwei Männer, die gleichfalls für die Rosse des Pelops sorgten; und wo der Giebel wieder in die Enge zusam- 1) V, 20, 2. 2) V, 26, 1. 3) vgl. Thuc. II, 80 flgdd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/257
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/257>, abgerufen am 23.11.2024.