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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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kurz. Zuerst giebt er den Gegenstand allgemein an, als den
Kampf der Lapithen gegen die Kentauren bei der Hochzeit des
Peirithoos. Ueber die einzelnen Figuren berichtet er Folgen-
des: In der Mitte des Giebels stand Peirithoos, neben ihm
Eurytion, welcher das Weib des Peirithoos geraubt hat, und
Kaeneus für diesen kämpfend. Auf der andern Seite wehrt
Theseus mit der Axt die Kentauren ab, deren einer eine Jung-
frau, ein anderer einen schönen Knaben geraubt hat. Damit
endet die Beschreibung des Pausanias, welcher nur noch hinzu-
fügt: es scheine ihm die Wahl des Gegenstandes darin be-
gründet, dass Peirithoos nach Homer von Zeus, Theseus aber
in vierter Linie von Pelops abstamme. Dass die angeführten
Figuren nicht genügen konnten, um den ganzen Raum des
Giebels auszufüllen, hat schon Welcker (Denkm. alt. K. I,
S. 185 flgdd.) richtig bemerkt. Wahrscheinlich schweigt Pau-
sanias von den übrigen, weil er ihnen keine bestimmten Na-
men beizulegen wusste.

Ein Kämpfer im Pentathlon aus Erz wird von Plinius
(34, 72) angeführt. Durch den Beinamen Enkrinomenos
scheint das Werk als vorzüglich, ja als mustergültig bezeich-
net worden zu sein.

Ob die Gruppe der Prokne, welche auf den Mordanschlag
gegen Itys sinnt, auf der Akropolis zu Athen (Paus. I, 24, 3),
ein Werk des Alkamenes war, scheint mir durchaus zweifel-
haft. Der Gegenstand ist ein für diese Epoche der Kunst so
ungewöhnlicher, pathetisch-tragischer, dass ich nicht umhin
kann, mich streng an die Worte des Pausanias zu halten, wel-
cher einzig von der Weihung der Gruppe durch einen Alka-
menes spricht.

Der Eros zu Thespiae, welchen der Scholiast zu Lucian
(adv. indoct. 3) dem Alkamenes beilegen will, war bekanntlich
ein Werk des Praxiteles.

Für eine in das Einzelne eingehende Charakteristik des
Künstlers liegen nur sehr wenige Zeugnisse vor. Zum Theil
musste schon früher auf ihn Rücksicht genommen werden.
Aus den hier angeführten Nachrichten ersehen wir, dass er,
wie sein Meister, in verschiedenen Stoffen gearbeitet hat: aus
Gold und Elfenbein war der Asklepios, aus Marmor die olym-
pischen Giebelgruppen, die Aphrodite en kepois, die thebanische

kurz. Zuerst giebt er den Gegenstand allgemein an, als den
Kampf der Lapithen gegen die Kentauren bei der Hochzeit des
Peirithoos. Ueber die einzelnen Figuren berichtet er Folgen-
des: In der Mitte des Giebels stand Peirithoos, neben ihm
Eurytion, welcher das Weib des Peirithoos geraubt hat, und
Kaeneus für diesen kämpfend. Auf der andern Seite wehrt
Theseus mit der Axt die Kentauren ab, deren einer eine Jung-
frau, ein anderer einen schönen Knaben geraubt hat. Damit
endet die Beschreibung des Pausanias, welcher nur noch hinzu-
fügt: es scheine ihm die Wahl des Gegenstandes darin be-
gründet, dass Peirithoos nach Homer von Zeus, Theseus aber
in vierter Linie von Pelops abstamme. Dass die angeführten
Figuren nicht genügen konnten, um den ganzen Raum des
Giebels auszufüllen, hat schon Welcker (Denkm. alt. K. I,
S. 185 flgdd.) richtig bemerkt. Wahrscheinlich schweigt Pau-
sanias von den übrigen, weil er ihnen keine bestimmten Na-
men beizulegen wusste.

Ein Kämpfer im Pentathlon aus Erz wird von Plinius
(34, 72) angeführt. Durch den Beinamen Enkrinomenos
scheint das Werk als vorzüglich, ja als mustergültig bezeich-
net worden zu sein.

Ob die Gruppe der Prokne, welche auf den Mordanschlag
gegen Itys sinnt, auf der Akropolis zu Athen (Paus. I, 24, 3),
ein Werk des Alkamenes war, scheint mir durchaus zweifel-
haft. Der Gegenstand ist ein für diese Epoche der Kunst so
ungewöhnlicher, pathetisch-tragischer, dass ich nicht umhin
kann, mich streng an die Worte des Pausanias zu halten, wel-
cher einzig von der Weihung der Gruppe durch einen Alka-
menes spricht.

Der Eros zu Thespiae, welchen der Scholiast zu Lucian
(adv. indoct. 3) dem Alkamenes beilegen will, war bekanntlich
ein Werk des Praxiteles.

Für eine in das Einzelne eingehende Charakteristik des
Künstlers liegen nur sehr wenige Zeugnisse vor. Zum Theil
musste schon früher auf ihn Rücksicht genommen werden.
Aus den hier angeführten Nachrichten ersehen wir, dass er,
wie sein Meister, in verschiedenen Stoffen gearbeitet hat: aus
Gold und Elfenbein war der Asklepios, aus Marmor die olym-
pischen Giebelgruppen, die Aphrodite ἐν κήποις, die thebanische

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[237/0250] kurz. Zuerst giebt er den Gegenstand allgemein an, als den Kampf der Lapithen gegen die Kentauren bei der Hochzeit des Peirithoos. Ueber die einzelnen Figuren berichtet er Folgen- des: In der Mitte des Giebels stand Peirithoos, neben ihm Eurytion, welcher das Weib des Peirithoos geraubt hat, und Kaeneus für diesen kämpfend. Auf der andern Seite wehrt Theseus mit der Axt die Kentauren ab, deren einer eine Jung- frau, ein anderer einen schönen Knaben geraubt hat. Damit endet die Beschreibung des Pausanias, welcher nur noch hinzu- fügt: es scheine ihm die Wahl des Gegenstandes darin be- gründet, dass Peirithoos nach Homer von Zeus, Theseus aber in vierter Linie von Pelops abstamme. Dass die angeführten Figuren nicht genügen konnten, um den ganzen Raum des Giebels auszufüllen, hat schon Welcker (Denkm. alt. K. I, S. 185 flgdd.) richtig bemerkt. Wahrscheinlich schweigt Pau- sanias von den übrigen, weil er ihnen keine bestimmten Na- men beizulegen wusste. Ein Kämpfer im Pentathlon aus Erz wird von Plinius (34, 72) angeführt. Durch den Beinamen Enkrinomenos scheint das Werk als vorzüglich, ja als mustergültig bezeich- net worden zu sein. Ob die Gruppe der Prokne, welche auf den Mordanschlag gegen Itys sinnt, auf der Akropolis zu Athen (Paus. I, 24, 3), ein Werk des Alkamenes war, scheint mir durchaus zweifel- haft. Der Gegenstand ist ein für diese Epoche der Kunst so ungewöhnlicher, pathetisch-tragischer, dass ich nicht umhin kann, mich streng an die Worte des Pausanias zu halten, wel- cher einzig von der Weihung der Gruppe durch einen Alka- menes spricht. Der Eros zu Thespiae, welchen der Scholiast zu Lucian (adv. indoct. 3) dem Alkamenes beilegen will, war bekanntlich ein Werk des Praxiteles. Für eine in das Einzelne eingehende Charakteristik des Künstlers liegen nur sehr wenige Zeugnisse vor. Zum Theil musste schon früher auf ihn Rücksicht genommen werden. Aus den hier angeführten Nachrichten ersehen wir, dass er, wie sein Meister, in verschiedenen Stoffen gearbeitet hat: aus Gold und Elfenbein war der Asklepios, aus Marmor die olym- pischen Giebelgruppen, die Aphrodite ἐν κήποις, die thebanische

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/250>, abgerufen am 22.11.2024.