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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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wenn auch nur ganz skizzenhaften, Reconstructionsversuch der
grösseren Deutlichkeit wegen hinzugefügt. Ich habe daher hier
nur das Wesentliche zu wiederholen, wobei ich natürlich von
der Beschreibung des Pausanias ausgehe.

"Es sitzt der Gott auf einem Throne, aus Gold gebildet
und Elfenbein. Ein Kranz ruht auf seinem Haupte aus künst-
lichen Oelzweigen. In der Rechten hält er die Nike, auch sie
aus Gold und Elfenbein; sie trägt eine Siegesbinde und auf
dem Haupte einen Kranz. In der Linken des Gottes ruht das
Scepter, mit allen Arten von Metallen geschmückt. Der Vo-
gel, der auf dem Scepter sitzt, ist der Adler. Von Gold sind
auch die Sohlen des Gottes und der Mantel ebenfalls; in den
Mantel sind aber Figürchen und Blumen, nämlich Lilien, ein-
gelegt." In dieser Beschreibung ist der Zeustypus im Ganzen
als bekannt vorausgesetzt: das Verdienst, welches sich Phidias
um die Feststellung desselben erwarb, werden wir später wür-
digen. In der äusseren Darstellung verdient zuerst der Kranz
aus Oelzweigen Beachtung, welcher dem Zeus offenbar mit
Bezug auf den in den olympischen Kampfspielen ertheilten
Siegespreis gegeben war. Ebenso wird er durch die Nike in
der Rechten als oberster Sieger der Götter bezeichnet. Nach
eleischen Münzdarstellungen 1) war diese dem Gotte zugewandt,
gewiss aber nicht, um ihn mit der Binde zu schmücken, son-
dern, gleichsam seines Winkes gewärtig, um den olympischen
Kämpfern ihren Lohn zu ertheilen. Dass der Vogel auf dem
Scepter der Adler war, versteht sich eigentlich von selbst;
weshalb Schubart vermuthet, es sei ursprünglich nicht der
Name desselben, sondern der Stoff, aus dem er gebildet war,
nämlich Gold, angegeben gewesen 2). Bei den Verzierungen
des Gewandes haben wir zodia von Figuren lebender Wesen,
darunter möglicher Weise auch menschliche Figuren, im Ge-
gensatze zu den Blumen zu verstehen. Dass diese letzteren
Lilien gewesen seien, ist von Preller bezweifelt worden, der
an ihre Stelle Frühlingsblumen (anthon ta erina anstatt krina)
setzen will. Doch scheint nach den Bemerkungen Schubarts 3)
für diese Veränderung nicht genügende Nöthigung vorhanden

1) Müller u. Oesterley. I, Taf. 20, n. 103.
2) S. 390. Er betrachtet o
aetos als Glossem zu ornis, welches in den Text gekommen, während khrusou
wegen der unmittelbaren Wiederholung dieses Wortes am Anfange des folgen-
den Satzes ausgefallen sei.
3) in d. Ztschr. f. Altw. 1847, S. 229.

wenn auch nur ganz skizzenhaften, Reconstructionsversuch der
grösseren Deutlichkeit wegen hinzugefügt. Ich habe daher hier
nur das Wesentliche zu wiederholen, wobei ich natürlich von
der Beschreibung des Pausanias ausgehe.

„Es sitzt der Gott auf einem Throne, aus Gold gebildet
und Elfenbein. Ein Kranz ruht auf seinem Haupte aus künst-
lichen Oelzweigen. In der Rechten hält er die Nike, auch sie
aus Gold und Elfenbein; sie trägt eine Siegesbinde und auf
dem Haupte einen Kranz. In der Linken des Gottes ruht das
Scepter, mit allen Arten von Metallen geschmückt. Der Vo-
gel, der auf dem Scepter sitzt, ist der Adler. Von Gold sind
auch die Sohlen des Gottes und der Mantel ebenfalls; in den
Mantel sind aber Figürchen und Blumen, nämlich Lilien, ein-
gelegt.” In dieser Beschreibung ist der Zeustypus im Ganzen
als bekannt vorausgesetzt: das Verdienst, welches sich Phidias
um die Feststellung desselben erwarb, werden wir später wür-
digen. In der äusseren Darstellung verdient zuerst der Kranz
aus Oelzweigen Beachtung, welcher dem Zeus offenbar mit
Bezug auf den in den olympischen Kampfspielen ertheilten
Siegespreis gegeben war. Ebenso wird er durch die Nike in
der Rechten als oberster Sieger der Götter bezeichnet. Nach
eleischen Münzdarstellungen 1) war diese dem Gotte zugewandt,
gewiss aber nicht, um ihn mit der Binde zu schmücken, son-
dern, gleichsam seines Winkes gewärtig, um den olympischen
Kämpfern ihren Lohn zu ertheilen. Dass der Vogel auf dem
Scepter der Adler war, versteht sich eigentlich von selbst;
weshalb Schubart vermuthet, es sei ursprünglich nicht der
Name desselben, sondern der Stoff, aus dem er gebildet war,
nämlich Gold, angegeben gewesen 2). Bei den Verzierungen
des Gewandes haben wir ζῴδια von Figuren lebender Wesen,
darunter möglicher Weise auch menschliche Figuren, im Ge-
gensatze zu den Blumen zu verstehen. Dass diese letzteren
Lilien gewesen seien, ist von Preller bezweifelt worden, der
an ihre Stelle Frühlingsblumen (ἀνϑῶν τὰ ἠρινὰ anstatt κρῖνα)
setzen will. Doch scheint nach den Bemerkungen Schubarts 3)
für diese Veränderung nicht genügende Nöthigung vorhanden

1) Müller u. Oesterley. I, Taf. 20, n. 103.
2) S. 390. Er betrachtet ὁ
ἀετὸς als Glossem zu ὄρνις, welches in den Text gekommen, während χρυσοῦ
wegen der unmittelbaren Wiederholung dieses Wortes am Anfange des folgen-
den Satzes ausgefallen sei.
3) in d. Ztschr. f. Altw. 1847, S. 229.
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[169/0182] wenn auch nur ganz skizzenhaften, Reconstructionsversuch der grösseren Deutlichkeit wegen hinzugefügt. Ich habe daher hier nur das Wesentliche zu wiederholen, wobei ich natürlich von der Beschreibung des Pausanias ausgehe. „Es sitzt der Gott auf einem Throne, aus Gold gebildet und Elfenbein. Ein Kranz ruht auf seinem Haupte aus künst- lichen Oelzweigen. In der Rechten hält er die Nike, auch sie aus Gold und Elfenbein; sie trägt eine Siegesbinde und auf dem Haupte einen Kranz. In der Linken des Gottes ruht das Scepter, mit allen Arten von Metallen geschmückt. Der Vo- gel, der auf dem Scepter sitzt, ist der Adler. Von Gold sind auch die Sohlen des Gottes und der Mantel ebenfalls; in den Mantel sind aber Figürchen und Blumen, nämlich Lilien, ein- gelegt.” In dieser Beschreibung ist der Zeustypus im Ganzen als bekannt vorausgesetzt: das Verdienst, welches sich Phidias um die Feststellung desselben erwarb, werden wir später wür- digen. In der äusseren Darstellung verdient zuerst der Kranz aus Oelzweigen Beachtung, welcher dem Zeus offenbar mit Bezug auf den in den olympischen Kampfspielen ertheilten Siegespreis gegeben war. Ebenso wird er durch die Nike in der Rechten als oberster Sieger der Götter bezeichnet. Nach eleischen Münzdarstellungen 1) war diese dem Gotte zugewandt, gewiss aber nicht, um ihn mit der Binde zu schmücken, son- dern, gleichsam seines Winkes gewärtig, um den olympischen Kämpfern ihren Lohn zu ertheilen. Dass der Vogel auf dem Scepter der Adler war, versteht sich eigentlich von selbst; weshalb Schubart vermuthet, es sei ursprünglich nicht der Name desselben, sondern der Stoff, aus dem er gebildet war, nämlich Gold, angegeben gewesen 2). Bei den Verzierungen des Gewandes haben wir ζῴδια von Figuren lebender Wesen, darunter möglicher Weise auch menschliche Figuren, im Ge- gensatze zu den Blumen zu verstehen. Dass diese letzteren Lilien gewesen seien, ist von Preller bezweifelt worden, der an ihre Stelle Frühlingsblumen (ἀνϑῶν τὰ ἠρινὰ anstatt κρῖνα) setzen will. Doch scheint nach den Bemerkungen Schubarts 3) für diese Veränderung nicht genügende Nöthigung vorhanden 1) Müller u. Oesterley. I, Taf. 20, n. 103. 2) S. 390. Er betrachtet ὁ ἀετὸς als Glossem zu ὄρνις, welches in den Text gekommen, während χρυσοῦ wegen der unmittelbaren Wiederholung dieses Wortes am Anfange des folgen- den Satzes ausgefallen sei. 3) in d. Ztschr. f. Altw. 1847, S. 229.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/182>, abgerufen am 28.04.2024.