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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch
zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine
Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der
Tempel des Theseus sei gebaut "später als die Meder Mara-
thon inne hatten", obwohl er selbst durch die Erwähnung des
Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den
Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die
ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die
Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen
seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese
Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa-
nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach-
richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der
obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies
wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn
er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae
sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den
Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten,
so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu-
folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente
als aristeion erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das
Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol-
denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische
Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte
Inschrift: "Die Athener von den Medern und Thebanern, als
diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften", wo diese
Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet.
Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben.
Demosthenes 4), obwohl er von aristeion spricht, wo er nur
von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die
Stadt habe das Bild geweiht als aristeion vom Kriege gegen
die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber
geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh-
nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu-
kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen
Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich

1) I, 17, 6.
2) Arist. 20.
3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.
4) de
fals. leg. p. 428.
5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.
6) p. 104.
ed. Frommel.
11 *

meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch
zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine
Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der
Tempel des Theseus sei gebaut „später als die Meder Mara-
thon inne hatten”, obwohl er selbst durch die Erwähnung des
Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den
Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die
ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die
Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen
seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese
Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa-
nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach-
richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der
obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies
wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn
er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae
sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den
Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten,
so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu-
folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente
als ἀριστεῖον erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das
Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol-
denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische
Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte
Inschrift: „Die Athener von den Medern und Thebanern, als
diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften”, wo diese
Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet.
Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben.
Demosthenes 4), obwohl er von ἀριστεῖον spricht, wo er nur
von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die
Stadt habe das Bild geweiht als ἀριστεῖον vom Kriege gegen
die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber
geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh-
nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu-
kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen
Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich

1) I, 17, 6.
2) Arist. 20.
3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.
4) de
fals. leg. p. 428.
5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.
6) p. 104.
ed. Frommel.
11 *
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[163/0176] meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der Tempel des Theseus sei gebaut „später als die Meder Mara- thon inne hatten”, obwohl er selbst durch die Erwähnung des Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa- nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach- richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten, so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu- folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente als ἀριστεῖον erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol- denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte Inschrift: „Die Athener von den Medern und Thebanern, als diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften”, wo diese Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet. Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben. Demosthenes 4), obwohl er von ἀριστεῖον spricht, wo er nur von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die Stadt habe das Bild geweiht als ἀριστεῖον vom Kriege gegen die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh- nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu- kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich 1) I, 17, 6. 2) Arist. 20. 3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk. 4) de fals. leg. p. 428. 5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597. 6) p. 104. ed. Frommel. 11 *

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/176>, abgerufen am 27.04.2024.