meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der Tempel des Theseus sei gebaut "später als die Meder Mara- thon inne hatten", obwohl er selbst durch die Erwähnung des Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa- nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach- richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten, so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu- folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente als aristeion erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol- denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte Inschrift: "Die Athener von den Medern und Thebanern, als diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften", wo diese Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet. Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben. Demosthenes 4), obwohl er von aristeion spricht, wo er nur von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die Stadt habe das Bild geweiht als aristeion vom Kriege gegen die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh- nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu- kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich
1) I, 17, 6.
2) Arist. 20.
3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.
4) de fals. leg. p. 428.
5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.
6) p. 104. ed. Frommel.
11 *
meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der Tempel des Theseus sei gebaut „später als die Meder Mara- thon inne hatten”, obwohl er selbst durch die Erwähnung des Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa- nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach- richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten, so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu- folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente als ἀριστεῖον erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol- denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte Inschrift: „Die Athener von den Medern und Thebanern, als diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften”, wo diese Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet. Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben. Demosthenes 4), obwohl er von ἀριστεῖον spricht, wo er nur von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die Stadt habe das Bild geweiht als ἀριστεῖον vom Kriege gegen die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh- nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu- kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich
1) I, 17, 6.
2) Arist. 20.
3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.
4) de fals. leg. p. 428.
5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.
6) p. 104. ed. Frommel.
11 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0176"n="163"/>
meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch<lb/>
zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine<lb/>
Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt <noteplace="foot"n="1)">I, 17, 6.</note>: der<lb/>
Tempel des Theseus sei gebaut „später als die Meder Mara-<lb/>
thon inne hatten”, obwohl er selbst durch die Erwähnung des<lb/>
Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den<lb/>
Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die<lb/>
ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die<lb/>
Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen<lb/>
seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese<lb/>
Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa-<lb/>
nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach-<lb/>
richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der<lb/>
obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies<lb/>
wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn<lb/>
er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae<lb/>
sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den<lb/>
Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten,<lb/>
so wird sein Zeugniss durch Plutarch <noteplace="foot"n="2)">Arist. 20.</note> aufgewogen, demzu-<lb/>
folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente<lb/>
als ἀριστεῖον erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das<lb/>
Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol-<lb/>
denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische<lb/>
Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines <noteplace="foot"n="3)">in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.</note> berührte<lb/>
Inschrift: „Die Athener von den Medern und Thebanern, als<lb/>
diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften”, wo diese<lb/>
Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet.<lb/>
Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben.<lb/>
Demosthenes <noteplace="foot"n="4)">de<lb/>
fals. leg. p. 428.</note>, obwohl er von ἀριστεῖον spricht, wo er nur<lb/>
von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die<lb/>
Stadt habe das Bild geweiht als ἀριστεῖον vom Kriege gegen<lb/>
die Barbaren <noteplace="foot"n="5)">Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.</note>. Der Scholiast zu Aristides <noteplace="foot"n="6)">p. 104.<lb/>
ed. Frommel.</note> nennt sie aber<lb/>
geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh-<lb/>
nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu-<lb/>
kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen<lb/>
Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">11 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[163/0176]
meinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch
zu Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine
Geltung hatte, sehen wir recht deutlich, wenn er sagt 1): der
Tempel des Theseus sei gebaut „später als die Meder Mara-
thon inne hatten”, obwohl er selbst durch die Erwähnung des
Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den
Perserkriegen fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die
ausdrückliche Angabe des Pausanias: es scheine ihm, dass die
Athener auf den marathonischen Sieg besonders stolz gewesen
seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben, dass sie diese
Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften: Da Pausa-
nias aus dem Munde des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nach-
richten schöpfte, so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der
obige Sprachgebrauch seine Zuverlässigkeit vermindert; und dies
wird noch mehr durch die einzelnen Beispiele bestätigt. Wenn
er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu Plataeae
sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den
Plataeern nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten,
so wird sein Zeugniss durch Plutarch 2) aufgewogen, demzu-
folge die Plataeer nach der Schlacht von Plataeae 80 Talente
als ἀριστεῖον erhielten, mit denen Tempel, Gemälde und das
Bild der Göttin hergestellt worden seien. Dass ferner die gol-
denen Schilde zu Delphi mit Unrecht auf die marathonische
Schlacht bezogen wurden, lehrt ihre bei Aeschines 3) berührte
Inschrift: „Die Athener von den Medern und Thebanern, als
diese auf der Gegenpart der Hellenen kämpften”, wo diese
Erwähnung der Thebaner an Marathon zu denken verbietet.
Auch bei der ehernen Pallas in Athen schwanken die Angaben.
Demosthenes 4), obwohl er von ἀριστεῖον spricht, wo er nur
von Beuteantheil sprechen durfte, sagt doch wenigstens: die
Stadt habe das Bild geweiht als ἀριστεῖον vom Kriege gegen
die Barbaren 5). Der Scholiast zu Aristides 6) nennt sie aber
geradezu nach den persischen Kriegen geweiht. Bei Erwäh-
nung des athenischen Schatzhauses und des Tempels der Eu-
kleia endlich bedient sich Pausanias gerade jener allgemeinen
Ausdrucksweise, wie sie im Munde des Volkes gebräuchlich
1) I, 17, 6.
2) Arist. 20.
3) in Ctes. p. 70; 570 ed. Reisk.
4) de
fals. leg. p. 428.
5) Vgl. adv. Timocr. p. 74; adv. Androt. p. 597.
6) p. 104.
ed. Frommel.
11 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/176>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.