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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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stens ein Beispiel, die Statue des Glaukos in der Stellung des
skiamakhein, dass man auch schon in dieser frühen Zeit nach
Mannigfaltigkeit in der Bewegung strebte. Durch olympische
Siegesdenkmale von Viergespannen und Rennpferden musste
ferner bie Bildung der Thiere, zunächst des Rosses, wesent-
liche Fortschritte machen; und wir finden daher auch schon
unter den Weihgeschenken der Tarentiner Kämpfer zu Ross.
Noch selbstständiger erscheinen daneben die Löwen des Amphi-
krates und vielleicht die Stiere des Theopropos und Philesias.

Indem wir so aus den einzelnen Thatsachen das Gebiet
der Kunstthätigkeit in dieser Periode näher zu umgrenzen ver-
suchten, hatten wir zunächst die eigentlich statuarische Kunst
im Auge und wir glauben auch, dass die Resultate mit dem, was
uns ohne Rücksicht auf bestimmte Künstler aus dieser Zeit
überliefert ist, wenigstens im Allgemeinen im Einklang stehen.
Thöricht indessen würde es sein, zu läugnen, dass die Kunst
auch nach andern Richtungen hin sich weiter ausgebildet habe,
namentlich auf dem Gebiete des Reliefs und der untergeordne-
ten Gattungen des Decorativen. Nur sind wir hier zu mangel-
haft unterrichtet, um die Ausbreitung derselben bestimmen zu
können. Wir haben den umfangreichen Werken der vorigen
Periode nur den Tempel der Athene Chalkioekos und die Dreifüsse
des Gitiades und Kallon an die Seite zu stellen; als neu aber
nur einige Grabmonumente hinzuzufügen, deren eines freilich,
weil es erhalten ist, eine besondere Wichtigkeit für uns hat.

Wollen wir nun weiter die innere Entwickelung der Kunst
verfolgen, so dürfen wir nicht vergessen, dass sie auch in
diesem Zeitraume noch vorzugsweise im Dienste der Religion
steht. Mögen die grossen Weihgeschenke im Laufe der Zeit,
je länger, auch desto mehr selbstständige Kunstwerke gewor-
den sein, ihrem Ursprunge nach waren sie religiös, und Götter
erscheinen noch immer zwischen den Bildern der Heroen und
selbst der Sterblichen. In den Götterbildern aber sind die
alten Bande noch streng, und selbst bedeutende Künstler dür-
fen es nicht wagen sie zu sprengen. Von höchstem Gewicht
ist uns hier, was von Onatas erzählt wird. Er arbeitet seine
schwarze Demeter theils nach einem alten Bilde, theils nach
Erscheinungen, die er im Traume gehabt. Hier erkennen wir
deutlich, dass der Künstler das Unkünstlerische des Gegen-
standes fühlt, den ihm der Priester aufzwingt. Geradezu wi-

stens ein Beispiel, die Statue des Glaukos in der Stellung des
σκιαμαχεῖν, dass man auch schon in dieser frühen Zeit nach
Mannigfaltigkeit in der Bewegung strebte. Durch olympische
Siegesdenkmale von Viergespannen und Rennpferden musste
ferner bie Bildung der Thiere, zunächst des Rosses, wesent-
liche Fortschritte machen; und wir finden daher auch schon
unter den Weihgeschenken der Tarentiner Kämpfer zu Ross.
Noch selbstständiger erscheinen daneben die Löwen des Amphi-
krates und vielleicht die Stiere des Theopropos und Philesias.

Indem wir so aus den einzelnen Thatsachen das Gebiet
der Kunstthätigkeit in dieser Periode näher zu umgrenzen ver-
suchten, hatten wir zunächst die eigentlich statuarische Kunst
im Auge und wir glauben auch, dass die Resultate mit dem, was
uns ohne Rücksicht auf bestimmte Künstler aus dieser Zeit
überliefert ist, wenigstens im Allgemeinen im Einklang stehen.
Thöricht indessen würde es sein, zu läugnen, dass die Kunst
auch nach andern Richtungen hin sich weiter ausgebildet habe,
namentlich auf dem Gebiete des Reliefs und der untergeordne-
ten Gattungen des Decorativen. Nur sind wir hier zu mangel-
haft unterrichtet, um die Ausbreitung derselben bestimmen zu
können. Wir haben den umfangreichen Werken der vorigen
Periode nur den Tempel der Athene Chalkioekos und die Dreifüsse
des Gitiades und Kallon an die Seite zu stellen; als neu aber
nur einige Grabmonumente hinzuzufügen, deren eines freilich,
weil es erhalten ist, eine besondere Wichtigkeit für uns hat.

Wollen wir nun weiter die innere Entwickelung der Kunst
verfolgen, so dürfen wir nicht vergessen, dass sie auch in
diesem Zeitraume noch vorzugsweise im Dienste der Religion
steht. Mögen die grossen Weihgeschenke im Laufe der Zeit,
je länger, auch desto mehr selbstständige Kunstwerke gewor-
den sein, ihrem Ursprunge nach waren sie religiös, und Götter
erscheinen noch immer zwischen den Bildern der Heroen und
selbst der Sterblichen. In den Götterbildern aber sind die
alten Bande noch streng, und selbst bedeutende Künstler dür-
fen es nicht wagen sie zu sprengen. Von höchstem Gewicht
ist uns hier, was von Onatas erzählt wird. Er arbeitet seine
schwarze Demeter theils nach einem alten Bilde, theils nach
Erscheinungen, die er im Traume gehabt. Hier erkennen wir
deutlich, dass der Künstler das Unkünstlerische des Gegen-
standes fühlt, den ihm der Priester aufzwingt. Geradezu wi-

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[121/0134] stens ein Beispiel, die Statue des Glaukos in der Stellung des σκιαμαχεῖν, dass man auch schon in dieser frühen Zeit nach Mannigfaltigkeit in der Bewegung strebte. Durch olympische Siegesdenkmale von Viergespannen und Rennpferden musste ferner bie Bildung der Thiere, zunächst des Rosses, wesent- liche Fortschritte machen; und wir finden daher auch schon unter den Weihgeschenken der Tarentiner Kämpfer zu Ross. Noch selbstständiger erscheinen daneben die Löwen des Amphi- krates und vielleicht die Stiere des Theopropos und Philesias. Indem wir so aus den einzelnen Thatsachen das Gebiet der Kunstthätigkeit in dieser Periode näher zu umgrenzen ver- suchten, hatten wir zunächst die eigentlich statuarische Kunst im Auge und wir glauben auch, dass die Resultate mit dem, was uns ohne Rücksicht auf bestimmte Künstler aus dieser Zeit überliefert ist, wenigstens im Allgemeinen im Einklang stehen. Thöricht indessen würde es sein, zu läugnen, dass die Kunst auch nach andern Richtungen hin sich weiter ausgebildet habe, namentlich auf dem Gebiete des Reliefs und der untergeordne- ten Gattungen des Decorativen. Nur sind wir hier zu mangel- haft unterrichtet, um die Ausbreitung derselben bestimmen zu können. Wir haben den umfangreichen Werken der vorigen Periode nur den Tempel der Athene Chalkioekos und die Dreifüsse des Gitiades und Kallon an die Seite zu stellen; als neu aber nur einige Grabmonumente hinzuzufügen, deren eines freilich, weil es erhalten ist, eine besondere Wichtigkeit für uns hat. Wollen wir nun weiter die innere Entwickelung der Kunst verfolgen, so dürfen wir nicht vergessen, dass sie auch in diesem Zeitraume noch vorzugsweise im Dienste der Religion steht. Mögen die grossen Weihgeschenke im Laufe der Zeit, je länger, auch desto mehr selbstständige Kunstwerke gewor- den sein, ihrem Ursprunge nach waren sie religiös, und Götter erscheinen noch immer zwischen den Bildern der Heroen und selbst der Sterblichen. In den Götterbildern aber sind die alten Bande noch streng, und selbst bedeutende Künstler dür- fen es nicht wagen sie zu sprengen. Von höchstem Gewicht ist uns hier, was von Onatas erzählt wird. Er arbeitet seine schwarze Demeter theils nach einem alten Bilde, theils nach Erscheinungen, die er im Traume gehabt. Hier erkennen wir deutlich, dass der Künstler das Unkünstlerische des Gegen- standes fühlt, den ihm der Priester aufzwingt. Geradezu wi-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/134>, abgerufen am 09.11.2024.