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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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aber nicht auswärts, sondern in paralleler Richtung mit diesem.
Die Rechte hängt am Körper anliegend ruhig herab, während
die Linke, bis zur Höhe der Schulter gehoben, die auf den
Boden gestützte Lanze hält. Die Bekleidung besteht aus einem
kurzen, in regelmässige Falten gelegten Untergewande, darüber
ein von Achselklappen getragener Brustharnisch, an dem
sich unterhalb des Nabels eine doppelte Lage breiter, senkrecht
herabhängender Streifen anschliesst. Die Beine vom Knie ab-
wärts sind mit Schienen geschützt; den Kopf endlich deckt
ein Helm, welchen nach Stephani's Meinung ein jetzt fehlender
metallener Aufsatz schmückte.

Wagner hat auf die staunenswerthe Naturwahrheit in der
Bildung der einzelnen Theile an den aeginetischen Giebelstatuen
aufmerksam gemacht. Und in der That scheint das Hauptver-
dienst und das vorzüglichste Kennzeichen dieser Werke in dem
genauen Studium, der getreuen Nachahmung der Natur an al-
len einzelnen Theilen zu bestehen. Dieses Verdienst vermögen
wir dem Werke des Aristokles nicht zuzuerkennen. Aller-
dings zeigen die Beinschienen eine sehr ins Einzelne gehende
Behandlung und eine sehr scharfe Formenbezeichnung. Allein
hier handelt es sich um Schutzwaffen, die sich durch ihre ei-
gene Elasticität am Körper festhalten sollen, und also nament-
lich da, wo sich verschiedene Muskeln von einander sondern,
fest anschliessen müssen. Bei dem Brustharnisch dagegen hat
der Künstler die einzelnen Formen des Körpers anzudeuten so
gut wie ganz unterlassen. Denn dieses Stück der Rüstung
wird vermittelst der Klappen, welche vom Rücken nach der
Brust herübergezogen sind, von den Schultern getragen. --
Das Maass der Naturwahrheit dürfen wir also nur nach der
Behandlung der nackten Theile beurtheilen. Unter diesen fällt
der herabhängende Arm am meisten in die Augen. Aber we-
der auf der Fläche, wo man allerdings in dem Mangel an
Rundung des Reliefs eine Entschuldigung finden könnte, noch
in den Umrissen, finden wir hier irgendwie feinere Andeutun-
gen der einzelnen Formen. Gerade die Handwurzel, wo die
Natur am meisten zu detaillirten Angaben der Formen einla-
det, ist einer der mangelhaftesten Theile des ganzen Werkes.
Aehnlich ist es bei den Füssen; beim Schenkel scheint sogar
die Angabe der Hauptverhältnisse verfehlt, indem derselbe sich
nach oben zu einer unverhältnissmässigen Breite ausweitet,

aber nicht auswärts, sondern in paralleler Richtung mit diesem.
Die Rechte hängt am Körper anliegend ruhig herab, während
die Linke, bis zur Höhe der Schulter gehoben, die auf den
Boden gestützte Lanze hält. Die Bekleidung besteht aus einem
kurzen, in regelmässige Falten gelegten Untergewande, darüber
ein von Achselklappen getragener Brustharnisch, an dem
sich unterhalb des Nabels eine doppelte Lage breiter, senkrecht
herabhängender Streifen anschliesst. Die Beine vom Knie ab-
wärts sind mit Schienen geschützt; den Kopf endlich deckt
ein Helm, welchen nach Stephani’s Meinung ein jetzt fehlender
metallener Aufsatz schmückte.

Wagner hat auf die staunenswerthe Naturwahrheit in der
Bildung der einzelnen Theile an den aeginetischen Giebelstatuen
aufmerksam gemacht. Und in der That scheint das Hauptver-
dienst und das vorzüglichste Kennzeichen dieser Werke in dem
genauen Studium, der getreuen Nachahmung der Natur an al-
len einzelnen Theilen zu bestehen. Dieses Verdienst vermögen
wir dem Werke des Aristokles nicht zuzuerkennen. Aller-
dings zeigen die Beinschienen eine sehr ins Einzelne gehende
Behandlung und eine sehr scharfe Formenbezeichnung. Allein
hier handelt es sich um Schutzwaffen, die sich durch ihre ei-
gene Elasticität am Körper festhalten sollen, und also nament-
lich da, wo sich verschiedene Muskeln von einander sondern,
fest anschliessen müssen. Bei dem Brustharnisch dagegen hat
der Künstler die einzelnen Formen des Körpers anzudeuten so
gut wie ganz unterlassen. Denn dieses Stück der Rüstung
wird vermittelst der Klappen, welche vom Rücken nach der
Brust herübergezogen sind, von den Schultern getragen. —
Das Maass der Naturwahrheit dürfen wir also nur nach der
Behandlung der nackten Theile beurtheilen. Unter diesen fällt
der herabhängende Arm am meisten in die Augen. Aber we-
der auf der Fläche, wo man allerdings in dem Mangel an
Rundung des Reliefs eine Entschuldigung finden könnte, noch
in den Umrissen, finden wir hier irgendwie feinere Andeutun-
gen der einzelnen Formen. Gerade die Handwurzel, wo die
Natur am meisten zu detaillirten Angaben der Formen einla-
det, ist einer der mangelhaftesten Theile des ganzen Werkes.
Aehnlich ist es bei den Füssen; beim Schenkel scheint sogar
die Angabe der Hauptverhältnisse verfehlt, indem derselbe sich
nach oben zu einer unverhältnissmässigen Breite ausweitet,

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[109/0122] aber nicht auswärts, sondern in paralleler Richtung mit diesem. Die Rechte hängt am Körper anliegend ruhig herab, während die Linke, bis zur Höhe der Schulter gehoben, die auf den Boden gestützte Lanze hält. Die Bekleidung besteht aus einem kurzen, in regelmässige Falten gelegten Untergewande, darüber ein von Achselklappen getragener Brustharnisch, an dem sich unterhalb des Nabels eine doppelte Lage breiter, senkrecht herabhängender Streifen anschliesst. Die Beine vom Knie ab- wärts sind mit Schienen geschützt; den Kopf endlich deckt ein Helm, welchen nach Stephani’s Meinung ein jetzt fehlender metallener Aufsatz schmückte. Wagner hat auf die staunenswerthe Naturwahrheit in der Bildung der einzelnen Theile an den aeginetischen Giebelstatuen aufmerksam gemacht. Und in der That scheint das Hauptver- dienst und das vorzüglichste Kennzeichen dieser Werke in dem genauen Studium, der getreuen Nachahmung der Natur an al- len einzelnen Theilen zu bestehen. Dieses Verdienst vermögen wir dem Werke des Aristokles nicht zuzuerkennen. Aller- dings zeigen die Beinschienen eine sehr ins Einzelne gehende Behandlung und eine sehr scharfe Formenbezeichnung. Allein hier handelt es sich um Schutzwaffen, die sich durch ihre ei- gene Elasticität am Körper festhalten sollen, und also nament- lich da, wo sich verschiedene Muskeln von einander sondern, fest anschliessen müssen. Bei dem Brustharnisch dagegen hat der Künstler die einzelnen Formen des Körpers anzudeuten so gut wie ganz unterlassen. Denn dieses Stück der Rüstung wird vermittelst der Klappen, welche vom Rücken nach der Brust herübergezogen sind, von den Schultern getragen. — Das Maass der Naturwahrheit dürfen wir also nur nach der Behandlung der nackten Theile beurtheilen. Unter diesen fällt der herabhängende Arm am meisten in die Augen. Aber we- der auf der Fläche, wo man allerdings in dem Mangel an Rundung des Reliefs eine Entschuldigung finden könnte, noch in den Umrissen, finden wir hier irgendwie feinere Andeutun- gen der einzelnen Formen. Gerade die Handwurzel, wo die Natur am meisten zu detaillirten Angaben der Formen einla- det, ist einer der mangelhaftesten Theile des ganzen Werkes. Aehnlich ist es bei den Füssen; beim Schenkel scheint sogar die Angabe der Hauptverhältnisse verfehlt, indem derselbe sich nach oben zu einer unverhältnissmässigen Breite ausweitet,

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/122>, abgerufen am 09.11.2024.