versucht, um den Inhalt annähernd zu bezeichnen, folgende Wiederherstellung: [Oide] phi[len alokhon Muron] anetheke thanousan L[ampit]o aidoien les apo patroes. Endoios epoiesen.
Ueber die Buchstaben bemerkt er, dass die Formen des E und allerdings vor die 80ste Ol. gehören, übrigens kein sehr hohes Alter verrathen, so dass die Inschrift eher nach, als vor Ol. 70 zu setzen wäre. Gewiss ist kein Grund, sie sogar, wie es geschehen ist, bis gegen Ol. 55 hinaufzurücken.
Nach den einfachsten Grundsätzen historischer Kritik müssen wir bei der Zeitbestimmung des Endoeos von der noch erhaltenen Inschrift ausgehen, also ihn für einen Künstler et- wa der 70sten Ol. erklären. Was wir von seinen Werken wissen, streitet in keiner Weise dagegen. Marmor und Elfen- bein als das Material mehrerer derselben bieten sogar für An- nahme dieser späteren Zeit eine gewisse Bestätigung. Der Styl ferner wird als vorzugsweise alterthümlich nirgends be- zeichnet. Dass endlich Endoeos bei Athenagoras Schüler des Daedalos heisst, braucht nichts anderes zu bedeuten, als dass er den alt-attischen Daedaliden zugezählt wurde. Nun aber tritt Pausanias auf und erzählt uns1): Endoeos sei nicht nur Schüler des Daedalos gewesen, sondern habe ihn sogar auf seiner Flucht nach Kreta begleitet. Auf diese Angabe hin hat sich bei neueren Forschern die Meinung ausgebildet, En- doeos sei ein mehr der Künstlersage, als der Geschichte an- gehöriger Name, oder wenigstens müsse man neben dem ge- schichtlichen noch einen mythischen Endoeos annehmen. Die Deutung des Namens zwar aus der inneren Structur der Bilder, tes endon ergasias, hat Welcker2), der sie zuerst aufgestellt, nach der oben erwähnten Verbesserung Schubarts selbst wie- der aufgegeben. Allein auch er nimmt Anstand, die Zeit des Endoeos irgendwie fest zu bestimmen. Ich kann diese Mei- nung nach dem Gange, den unsere bisherigen Erörterungen über die gesammte ältere Künstlergeschichte genommen haben, nicht mehr theilen. Denn ich erkenne hier nur wieder einen der Fälle, wo Pausanias durch gänzlichen Mangel einer künst- lerischen Kritik sich verleiten lässt, Thatsachen aus klarer
1) I, 26, 5.
2) Kl. Schr. III, S. 516 flgd.
versucht, um den Inhalt annähernd zu bezeichnen, folgende Wiederherstellung: [Ὧιδε] φί[λην ἄλοχον Μύρων] ἀνέϑηκε ϑανοῦσαν Λ[αμπιτ]ὼ αἰδοίην λῆς ἀπὸ πατρῴης. Ἔνδοιος ἐποίησεν.
Ueber die Buchstaben bemerkt er, dass die Formen des Ε und ⨂ allerdings vor die 80ste Ol. gehören, übrigens kein sehr hohes Alter verrathen, so dass die Inschrift eher nach, als vor Ol. 70 zu setzen wäre. Gewiss ist kein Grund, sie sogar, wie es geschehen ist, bis gegen Ol. 55 hinaufzurücken.
Nach den einfachsten Grundsätzen historischer Kritik müssen wir bei der Zeitbestimmung des Endoeos von der noch erhaltenen Inschrift ausgehen, also ihn für einen Künstler et- wa der 70sten Ol. erklären. Was wir von seinen Werken wissen, streitet in keiner Weise dagegen. Marmor und Elfen- bein als das Material mehrerer derselben bieten sogar für An- nahme dieser späteren Zeit eine gewisse Bestätigung. Der Styl ferner wird als vorzugsweise alterthümlich nirgends be- zeichnet. Dass endlich Endoeos bei Athenagoras Schüler des Daedalos heisst, braucht nichts anderes zu bedeuten, als dass er den alt-attischen Daedaliden zugezählt wurde. Nun aber tritt Pausanias auf und erzählt uns1): Endoeos sei nicht nur Schüler des Daedalos gewesen, sondern habe ihn sogar auf seiner Flucht nach Kreta begleitet. Auf diese Angabe hin hat sich bei neueren Forschern die Meinung ausgebildet, En- doeos sei ein mehr der Künstlersage, als der Geschichte an- gehöriger Name, oder wenigstens müsse man neben dem ge- schichtlichen noch einen mythischen Endoeos annehmen. Die Deutung des Namens zwar aus der inneren Structur der Bilder, τῆς ἔνδον ἐργασίας, hat Welcker2), der sie zuerst aufgestellt, nach der oben erwähnten Verbesserung Schubarts selbst wie- der aufgegeben. Allein auch er nimmt Anstand, die Zeit des Endoeos irgendwie fest zu bestimmen. Ich kann diese Mei- nung nach dem Gange, den unsere bisherigen Erörterungen über die gesammte ältere Künstlergeschichte genommen haben, nicht mehr theilen. Denn ich erkenne hier nur wieder einen der Fälle, wo Pausanias durch gänzlichen Mangel einer künst- lerischen Kritik sich verleiten lässt, Thatsachen aus klarer
1) I, 26, 5.
2) Kl. Schr. III, S. 516 flgd.
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[100/0113]
versucht, um den Inhalt annähernd zu bezeichnen, folgende
Wiederherstellung:
[Ὧιδε] φί[λην ἄλοχον Μύρων] ἀνέϑηκε ϑανοῦσαν
Λ[αμπιτ]ὼ αἰδοίην λῆς ἀπὸ πατρῴης.
Ἔνδοιος ἐποίησεν.
Ueber die Buchstaben bemerkt er, dass die Formen des
Ε und ⨂ allerdings vor die 80ste Ol. gehören, übrigens kein
sehr hohes Alter verrathen, so dass die Inschrift eher nach,
als vor Ol. 70 zu setzen wäre. Gewiss ist kein Grund, sie
sogar, wie es geschehen ist, bis gegen Ol. 55 hinaufzurücken.
Nach den einfachsten Grundsätzen historischer Kritik
müssen wir bei der Zeitbestimmung des Endoeos von der noch
erhaltenen Inschrift ausgehen, also ihn für einen Künstler et-
wa der 70sten Ol. erklären. Was wir von seinen Werken
wissen, streitet in keiner Weise dagegen. Marmor und Elfen-
bein als das Material mehrerer derselben bieten sogar für An-
nahme dieser späteren Zeit eine gewisse Bestätigung. Der
Styl ferner wird als vorzugsweise alterthümlich nirgends be-
zeichnet. Dass endlich Endoeos bei Athenagoras Schüler des
Daedalos heisst, braucht nichts anderes zu bedeuten, als dass
er den alt-attischen Daedaliden zugezählt wurde. Nun aber
tritt Pausanias auf und erzählt uns 1): Endoeos sei nicht nur
Schüler des Daedalos gewesen, sondern habe ihn sogar auf
seiner Flucht nach Kreta begleitet. Auf diese Angabe hin
hat sich bei neueren Forschern die Meinung ausgebildet, En-
doeos sei ein mehr der Künstlersage, als der Geschichte an-
gehöriger Name, oder wenigstens müsse man neben dem ge-
schichtlichen noch einen mythischen Endoeos annehmen. Die
Deutung des Namens zwar aus der inneren Structur der Bilder,
τῆς ἔνδον ἐργασίας, hat Welcker 2), der sie zuerst aufgestellt,
nach der oben erwähnten Verbesserung Schubarts selbst wie-
der aufgegeben. Allein auch er nimmt Anstand, die Zeit des
Endoeos irgendwie fest zu bestimmen. Ich kann diese Mei-
nung nach dem Gange, den unsere bisherigen Erörterungen
über die gesammte ältere Künstlergeschichte genommen haben,
nicht mehr theilen. Denn ich erkenne hier nur wieder einen
der Fälle, wo Pausanias durch gänzlichen Mangel einer künst-
lerischen Kritik sich verleiten lässt, Thatsachen aus klarer
1) I, 26, 5.
2) Kl. Schr. III, S. 516 flgd.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/113>, abgerufen am 24.11.2024.
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