Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

wir bei seiner Wahl noch Unbekanntschaft mit dem Marmor
voraussetzen. Bedenken wir dazu, dass einer unserer Ge-
währsmänner dieses Bild mitten unter den ältesten Palladien
und neben den Werken des Dipoenos und Skyllis anführt, dass
Eupalamos als Vater des Simmias durch seinen Namen sehr
an die Zeit der Sage erinnert, so erscheint es gewiss nicht
unwahrscheinlich, dass Simmias selbst der alt-attischen Schule
angehört hat und einer der ersten gewesen ist, der aus der
Sippschaft der Daedaliden namentlich hervortrat: Zenob. V, 13.
Clem. Alex. protr. p. 31 A. Sylb. Beide schöpfen aus Pole-
mon; den Namen des Künstlers bei Clemens hat schon Sillig
berichtigt. Vgl. auch Suidas s. v. moroteros Morukhou.

In die sichere historische Zeit führt uns:

Antenor. Sein Werk waren die Statuen der Tyrannen-
mörder Harmodios und Aristogeiton. Er lebte also nach Ol.
67, 3, aber auch vor Ol. 75, 1, da Xerxes damals bei der Ein-
nahme Athens die Statuen nach Asien wegführte. Sie wur-
den indessen durch andere des Kritios ersetzt, denen sich in
späterer Zeit noch andere des Praxiteles anschlossen, bis end-
lich durch Alexander, Antiochos oder Seleukos den Athenern
die alten Bilder wiedererstattet und neben denen des Kritios
in der Nähe des Arestempels aufgestellt wurden (Paus. I, 8, 5.
Arrian An. III, 16, 13; VII, 19, 4. Plin. 37, 70. Valer. Max.
II, 10.). In Athen wollte man neuerlich die Inschrift die-
ses Werkes wiedergefunden haben (C. Inscr. II, p. 340):

[Abbildung]
Nach der Orthographie könnte sie nicht früher, als nach
der Zurückerstattung der Bilder gemacht sein. Allein Stephani
(Rhein. Mus. N. F. IV, S. 5) konnte den Stein nicht finden,
Rangabe (Rev. arch. II, p. 422) läugnet sogar seine Existenz
und weist mit Recht darauf hin, dass die ganze Fassung un-
antik und fast sinnlos (tonde?), die Inschrift also im höchsten
Grade verdächtig sei.

Mit der Vertreibung der Pisistratiden fällt auch die Er-
wähnung eines andern Künstlers zusammen, des

Amphikrates. Sein Name ist zuerst von Sillig an die
Stelle von Iphikrates gesetzt und später durch die Bamberger

Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 7

wir bei seiner Wahl noch Unbekanntschaft mit dem Marmor
voraussetzen. Bedenken wir dazu, dass einer unserer Ge-
währsmänner dieses Bild mitten unter den ältesten Palladien
und neben den Werken des Dipoenos und Skyllis anführt, dass
Eupalamos als Vater des Simmias durch seinen Namen sehr
an die Zeit der Sage erinnert, so erscheint es gewiss nicht
unwahrscheinlich, dass Simmias selbst der alt-attischen Schule
angehört hat und einer der ersten gewesen ist, der aus der
Sippschaft der Daedaliden namentlich hervortrat: Zenob. V, 13.
Clem. Alex. protr. p. 31 A. Sylb. Beide schöpfen aus Pole-
mon; den Namen des Künstlers bei Clemens hat schon Sillig
berichtigt. Vgl. auch Suidas s. v. μωρότερος Μορύχου.

In die sichere historische Zeit führt uns:

Antenor. Sein Werk waren die Statuen der Tyrannen-
mörder Harmodios und Aristogeiton. Er lebte also nach Ol.
67, 3, aber auch vor Ol. 75, 1, da Xerxes damals bei der Ein-
nahme Athens die Statuen nach Asien wegführte. Sie wur-
den indessen durch andere des Kritios ersetzt, denen sich in
späterer Zeit noch andere des Praxiteles anschlossen, bis end-
lich durch Alexander, Antiochos oder Seleukos den Athenern
die alten Bilder wiedererstattet und neben denen des Kritios
in der Nähe des Arestempels aufgestellt wurden (Paus. I, 8, 5.
Arrian An. III, 16, 13; VII, 19, 4. Plin. 37, 70. Valer. Max.
II, 10.). In Athen wollte man neuerlich die Inschrift die-
ses Werkes wiedergefunden haben (C. Inscr. II, p. 340):

[Abbildung]
Nach der Orthographie könnte sie nicht früher, als nach
der Zurückerstattung der Bilder gemacht sein. Allein Stephani
(Rhein. Mus. N. F. IV, S. 5) konnte den Stein nicht finden,
Rangabé (Rev. arch. II, p. 422) läugnet sogar seine Existenz
und weist mit Recht darauf hin, dass die ganze Fassung un-
antik und fast sinnlos (τόνδε?), die Inschrift also im höchsten
Grade verdächtig sei.

Mit der Vertreibung der Pisistratiden fällt auch die Er-
wähnung eines andern Künstlers zusammen, des

Amphikrates. Sein Name ist zuerst von Sillig an die
Stelle von Iphikrates gesetzt und später durch die Bamberger

Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0110" n="97"/>
wir bei seiner Wahl noch Unbekanntschaft mit dem Marmor<lb/>
voraussetzen. Bedenken wir dazu, dass einer unserer Ge-<lb/>
währsmänner dieses Bild mitten unter den ältesten Palladien<lb/>
und neben den Werken des Dipoenos und Skyllis anführt, dass<lb/>
Eupalamos als Vater des Simmias durch seinen Namen sehr<lb/>
an die Zeit der Sage erinnert, so erscheint es gewiss nicht<lb/>
unwahrscheinlich, dass Simmias selbst der alt-attischen Schule<lb/>
angehört hat und einer der ersten gewesen ist, der aus der<lb/>
Sippschaft der Daedaliden namentlich hervortrat: Zenob. V, 13.<lb/>
Clem. Alex. protr. p. 31 A. Sylb. Beide schöpfen aus Pole-<lb/>
mon; den Namen des Künstlers bei Clemens hat schon Sillig<lb/>
berichtigt. Vgl. auch Suidas s. v. &#x03BC;&#x03C9;&#x03C1;&#x03CC;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2; &#x039C;&#x03BF;&#x03C1;&#x03CD;&#x03C7;&#x03BF;&#x03C5;.</p><lb/>
            <p>In die sichere historische Zeit führt uns:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Antenor.</hi> Sein Werk waren die Statuen der Tyrannen-<lb/>
mörder Harmodios und Aristogeiton. Er lebte also nach Ol.<lb/>
67, 3, aber auch vor Ol. 75, 1, da Xerxes damals bei der Ein-<lb/>
nahme Athens die Statuen nach Asien wegführte. Sie wur-<lb/>
den indessen durch andere des Kritios ersetzt, denen sich in<lb/>
späterer Zeit noch andere des Praxiteles anschlossen, bis end-<lb/>
lich durch Alexander, Antiochos oder Seleukos den Athenern<lb/>
die alten Bilder wiedererstattet und neben denen des Kritios<lb/>
in der Nähe des Arestempels aufgestellt wurden (Paus. I, 8, 5.<lb/>
Arrian An. III, 16, 13; VII, 19, 4. Plin. 37, 70. Valer. Max.<lb/>
II, 10.). In Athen wollte man neuerlich die Inschrift die-<lb/>
ses Werkes wiedergefunden haben (C. Inscr. II, p. 340):<lb/><figure/><lb/>
Nach der Orthographie könnte sie nicht früher, als nach<lb/>
der Zurückerstattung der Bilder gemacht sein. Allein Stephani<lb/>
(Rhein. Mus. N. F. IV, S. 5) konnte den Stein nicht finden,<lb/>
Rangabé (Rev. arch. II, p. 422) läugnet sogar seine Existenz<lb/>
und weist mit Recht darauf hin, dass die ganze Fassung un-<lb/>
antik und fast sinnlos (&#x03C4;&#x03CC;&#x03BD;&#x03B4;&#x03B5;?), die Inschrift also im höchsten<lb/>
Grade verdächtig sei.</p><lb/>
            <p>Mit der Vertreibung der Pisistratiden fällt auch die Er-<lb/>
wähnung eines andern Künstlers zusammen, des</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Amphikrates.</hi> Sein Name ist zuerst von Sillig an die<lb/>
Stelle von Iphikrates gesetzt und später durch die Bamberger<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Brunn,</hi> Geschichte der griech. Künstler.</hi> 7</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0110] wir bei seiner Wahl noch Unbekanntschaft mit dem Marmor voraussetzen. Bedenken wir dazu, dass einer unserer Ge- währsmänner dieses Bild mitten unter den ältesten Palladien und neben den Werken des Dipoenos und Skyllis anführt, dass Eupalamos als Vater des Simmias durch seinen Namen sehr an die Zeit der Sage erinnert, so erscheint es gewiss nicht unwahrscheinlich, dass Simmias selbst der alt-attischen Schule angehört hat und einer der ersten gewesen ist, der aus der Sippschaft der Daedaliden namentlich hervortrat: Zenob. V, 13. Clem. Alex. protr. p. 31 A. Sylb. Beide schöpfen aus Pole- mon; den Namen des Künstlers bei Clemens hat schon Sillig berichtigt. Vgl. auch Suidas s. v. μωρότερος Μορύχου. In die sichere historische Zeit führt uns: Antenor. Sein Werk waren die Statuen der Tyrannen- mörder Harmodios und Aristogeiton. Er lebte also nach Ol. 67, 3, aber auch vor Ol. 75, 1, da Xerxes damals bei der Ein- nahme Athens die Statuen nach Asien wegführte. Sie wur- den indessen durch andere des Kritios ersetzt, denen sich in späterer Zeit noch andere des Praxiteles anschlossen, bis end- lich durch Alexander, Antiochos oder Seleukos den Athenern die alten Bilder wiedererstattet und neben denen des Kritios in der Nähe des Arestempels aufgestellt wurden (Paus. I, 8, 5. Arrian An. III, 16, 13; VII, 19, 4. Plin. 37, 70. Valer. Max. II, 10.). In Athen wollte man neuerlich die Inschrift die- ses Werkes wiedergefunden haben (C. Inscr. II, p. 340): [Abbildung] Nach der Orthographie könnte sie nicht früher, als nach der Zurückerstattung der Bilder gemacht sein. Allein Stephani (Rhein. Mus. N. F. IV, S. 5) konnte den Stein nicht finden, Rangabé (Rev. arch. II, p. 422) läugnet sogar seine Existenz und weist mit Recht darauf hin, dass die ganze Fassung un- antik und fast sinnlos (τόνδε?), die Inschrift also im höchsten Grade verdächtig sei. Mit der Vertreibung der Pisistratiden fällt auch die Er- wähnung eines andern Künstlers zusammen, des Amphikrates. Sein Name ist zuerst von Sillig an die Stelle von Iphikrates gesetzt und später durch die Bamberger Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/110
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/110>, abgerufen am 24.11.2024.