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Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 3. 6. Aufl. Leipzig, 1913.

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Her
er, da sein Vater verarmte, vom
Gymnasium scheiden. Er schlug sich
nun ein Jahr lang als Einjährig-
Freiwilliger durch Erteilung von
Privatunterricht durch u. ging dann
nach Leipzig, wo er nach Ablegung
seines Maturitätsexamens Philoso-
phie und neuere Sprachen studierte.
Jm Jahre 1881 wandte er sich nach
Halle und gründete hier nach seiner
Verheiratung ein Pensionat für Kna-
ben, verbunden mit einem Vorberei-
tungskursus für das Examen als
Einjährig-Freiwilliger. Außer eini-
gen religions-philosophischen Schrif-
ten veröffentlichte er

S:

Lazarus von
Bethanien (Christl. Tr.), 1886. - Prinz
Heraklius, oder: Ein Traum (Dr.),
1896.

Herwegh, Georg Friedrich Ru-
dolf Theodor Andreas,

wurde am 31.
Mai 1817 zu Stuttgart geboren, be-
suchte das Gymnasium seiner Vater-
stadt, das niedere theologische Semi-
nar in Maulbronn und seit Oktober
1835 das theologische Stift in Tü-
bingen, kehrte aber noch vor Beendi-
gung seiner Studien (im Aug. 1836)
nach Stuttgart zurück und beteiligte
sich als Mitarbeiter an der von Aug.
Lewald herausgegebenen Zeitschrift
"Europa". Eines Tages wurde er
hier im Redaktionsbureau verhaftet,
da er in unbegreiflichem Leichtsinn
sich um seine Konskriptionspflicht
nicht gekümmert hatte, dann zwangs-
weise in die Kaserne geführt und als
Soldat eingekleidet. Hieraus ent-
wickelten sich für H., vielfach durch
eigene Unbesonnenheit, mancherlei
Verdrießlichkeiten, und als er eines
Tages mit einem Offizier in Streit
geraten war, der für ihn bedenk-
liche Folgen haben konnte, floh er in
die Schweiz. Er ging nach Emmis-
hofen (Kant. Thurgau), wo er Mit-
arbeiter der radikalen "Volkshalle"
war, und später nach Zürich, wo er
seine "Gedichte eines Lebendigen"
herausgab, die bei den Freiheitsbe-
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Her
strebungen jener Zeit einen wahren
Sturm der Begeisterung in Deutsch-
land hervorriefen und trotz ihrer
Konfiskation in kurzer Zeit sieben
Auflagen erlebten. Nach einem kurzen
Aufenthalt in Paris bereiste er 1842
Deutschland, um Mitarbeiter für eine
von ihm zu gründende Zeitschrift zu
gewinnen. Diese Reise glich einem
förmlichen Triumphzuge, und selbst
König Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen ließ sich den Dichter vor-
stellen. Da aber der letztere die Takt-
losigkeit beging, an den König von
Königsberg aus einen beleidigenden
Brief zu schreiben, so erfolgte seine
Ausweisung aus Preußen. H. kehrte
nach der Schweiz zurück, aber selbst
hier war die Mißstimmung gegen ihn
so groß, daß verschiedene Kantone ihm
das Asylrecht verweigerten. Endlich
erlangte er von der kleinen Gemeinde
Liestal im Kanton Baselland das
Bürgerrecht u. verheiratete sich dann
mit Emma Siegmund, der Tochter
eines reichen jüdischen Bankiers in
Berlin. H. lebte jetzt viel auf Reisen,
ließ sich dann in Paris nieder und
war ziemlich vergessen, als er plötz-
lich 1849 an der Spitze einer aus
Deutschen und Franzosen gebildeten
Arbeiterschar in Baden einfiel u. sich
an dem dortigen Aufstande beteiligte.
Am 27. April 1849 bei Schopfheim
von den Württembergern geschlagen,
flüchtete er über die Grenze, lebte seit-
dem bald in Paris, bald in Genf
oder Zürich und siedelte endlich 1866
nach Baden-Baden über, wo er die
letzten Jahre seines Lebens in stiller
Zurückgezogenheit weilte. Er starb
daselbst am 7. April 1875. Sein Grab
befindet sich auf dem Friedhofe in
Liestal, wo ihm ein Grabdenkmal er-
richtet werden soll.

S:

Lamartines
sämtliche Werke, übers.; I.-V. Band,
1839-40. - Gedichte eines Lebendi-
gen; II, 1841-44, 7. A. 1844. 12. A.
1896. - Einundzwanzig Bogen aus
der Schweiz, 1843. - Zwei Preußen-

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Her
er, da ſein Vater verarmte, vom
Gymnaſium ſcheiden. Er ſchlug ſich
nun ein Jahr lang als Einjährig-
Freiwilliger durch Erteilung von
Privatunterricht durch u. ging dann
nach Leipzig, wo er nach Ablegung
ſeines Maturitätsexamens Philoſo-
phie und neuere Sprachen ſtudierte.
Jm Jahre 1881 wandte er ſich nach
Halle und gründete hier nach ſeiner
Verheiratung ein Penſionat für Kna-
ben, verbunden mit einem Vorberei-
tungskurſus für das Examen als
Einjährig-Freiwilliger. Außer eini-
gen religions-philoſophiſchen Schrif-
ten veröffentlichte er

S:

Lazarus von
Bethanien (Chriſtl. Tr.), 1886. – Prinz
Heraklius, oder: Ein Traum (Dr.),
1896.

Herwegh, Georg Friedrich Ru-
dolf Theodor Andreas,

wurde am 31.
Mai 1817 zu Stuttgart geboren, be-
ſuchte das Gymnaſium ſeiner Vater-
ſtadt, das niedere theologiſche Semi-
nar in Maulbronn und ſeit Oktober
1835 das theologiſche Stift in Tü-
bingen, kehrte aber noch vor Beendi-
gung ſeiner Studien (im Aug. 1836)
nach Stuttgart zurück und beteiligte
ſich als Mitarbeiter an der von Aug.
Lewald herausgegebenen Zeitſchrift
„Europa“. Eines Tages wurde er
hier im Redaktionsbureau verhaftet,
da er in unbegreiflichem Leichtſinn
ſich um ſeine Konſkriptionspflicht
nicht gekümmert hatte, dann zwangs-
weiſe in die Kaſerne geführt und als
Soldat eingekleidet. Hieraus ent-
wickelten ſich für H., vielfach durch
eigene Unbeſonnenheit, mancherlei
Verdrießlichkeiten, und als er eines
Tages mit einem Offizier in Streit
geraten war, der für ihn bedenk-
liche Folgen haben konnte, floh er in
die Schweiz. Er ging nach Emmis-
hofen (Kant. Thurgau), wo er Mit-
arbeiter der radikalen „Volkshalle“
war, und ſpäter nach Zürich, wo er
ſeine „Gedichte eines Lebendigen“
herausgab, die bei den Freiheitsbe-
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Her
ſtrebungen jener Zeit einen wahren
Sturm der Begeiſterung in Deutſch-
land hervorriefen und trotz ihrer
Konfiskation in kurzer Zeit ſieben
Auflagen erlebten. Nach einem kurzen
Aufenthalt in Paris bereiſte er 1842
Deutſchland, um Mitarbeiter für eine
von ihm zu gründende Zeitſchrift zu
gewinnen. Dieſe Reiſe glich einem
förmlichen Triumphzuge, und ſelbſt
König Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen ließ ſich den Dichter vor-
ſtellen. Da aber der letztere die Takt-
loſigkeit beging, an den König von
Königsberg aus einen beleidigenden
Brief zu ſchreiben, ſo erfolgte ſeine
Ausweiſung aus Preußen. H. kehrte
nach der Schweiz zurück, aber ſelbſt
hier war die Mißſtimmung gegen ihn
ſo groß, daß verſchiedene Kantone ihm
das Aſylrecht verweigerten. Endlich
erlangte er von der kleinen Gemeinde
Lieſtal im Kanton Baſelland das
Bürgerrecht u. verheiratete ſich dann
mit Emma Siegmund, der Tochter
eines reichen jüdiſchen Bankiers in
Berlin. H. lebte jetzt viel auf Reiſen,
ließ ſich dann in Paris nieder und
war ziemlich vergeſſen, als er plötz-
lich 1849 an der Spitze einer aus
Deutſchen und Franzoſen gebildeten
Arbeiterſchar in Baden einfiel u. ſich
an dem dortigen Aufſtande beteiligte.
Am 27. April 1849 bei Schopfheim
von den Württembergern geſchlagen,
flüchtete er über die Grenze, lebte ſeit-
dem bald in Paris, bald in Genf
oder Zürich und ſiedelte endlich 1866
nach Baden-Baden über, wo er die
letzten Jahre ſeines Lebens in ſtiller
Zurückgezogenheit weilte. Er ſtarb
daſelbſt am 7. April 1875. Sein Grab
befindet ſich auf dem Friedhofe in
Lieſtal, wo ihm ein Grabdenkmal er-
richtet werden ſoll.

S:

Lamartines
ſämtliche Werke, überſ.; I.–V. Band,
1839–40. – Gedichte eines Lebendi-
gen; II, 1841–44, 7. A. 1844. 12. A.
1896. – Einundzwanzig Bogen aus
der Schweiz, 1843. – Zwei Preußen-

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Zitationshilfe: Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 3. 6. Aufl. Leipzig, 1913, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruemmer_lexikon03_1913/184>, abgerufen am 25.11.2024.