Seiten der Stirne eine kleine Locke, die geringelt an der Seite des Gesichts herab hängt, und diesen Lo- cken widmen sie viele Aufmerksamkeit; sie färben sie schwarz, so wie ihre Augenbraunen, die sehr regelmäs- sig sind, denn sie geben ihnen mit dem Scheermesser die gehörige Gestalt. Die Frauenzimmer überhaupt schminken sich, und sind dessen ungeachtet sehr schön. Sie scheinen zur Liebe geschaffen zu seyn; ihre Hand- lungen, Gebärden, Rede und Blicke, sind verliebt und sehr bequem, diese angenehme Leidenschaft zu er- wecken. Da sie sonst nichts zu thun haben, so ma- chen sie es zu ihrem einzigen Geschäfte, den Manns- personen zu gefallen. Außer ihrer Zierlichkeit und Schönheit, ist ihre Reinlichkeit nicht einer ihrer ge- ringsten Reize. Sie baden sich wöchentlich zwey Mahl, um sich rein zu halten, und dann knacken mit besonderer Geschicklichkeit alle Gelenke ihrer Glieder; und um die überflüßigen Haare zu vertreiben, salben sie die Haut mit Pilaw, welches macht, daß die Haa- re ausgehen, und die Haut schön weiß und weich wird.
Die Türken, die bey ihren Heirathen gemei-Jhre Heira- then. niglich auf den Gewinn sehen, müssen durch Unter- händler heirathen, und mit einer Beschreibung an- statt einer Unterredung zufrieden seyn, die ihnen erst, wenn sie wirklich heirathen, gestattet wird. Allein es werden ihnen so viel andere Bequemlichkeiten gestat- tet, daß sie nicht die geringste Ursache haben, sich zu beklagen; denn sie können vier rechtmäßige Weiber heirathen, und diejenigen, die noch mehr verlangen, können bis auf zwanzig Concubinen nehmen, wie es ihnen beliebet, denn dieses ist auch eine Art von Hei-
rath,
E 4
Seiten der Stirne eine kleine Locke, die geringelt an der Seite des Geſichts herab haͤngt, und dieſen Lo- cken widmen ſie viele Aufmerkſamkeit; ſie faͤrben ſie ſchwarz, ſo wie ihre Augenbraunen, die ſehr regelmaͤſ- ſig ſind, denn ſie geben ihnen mit dem Scheermeſſer die gehoͤrige Geſtalt. Die Frauenzimmer uͤberhaupt ſchminken ſich, und ſind deſſen ungeachtet ſehr ſchoͤn. Sie ſcheinen zur Liebe geſchaffen zu ſeyn; ihre Hand- lungen, Gebaͤrden, Rede und Blicke, ſind verliebt und ſehr bequem, dieſe angenehme Leidenſchaft zu er- wecken. Da ſie ſonſt nichts zu thun haben, ſo ma- chen ſie es zu ihrem einzigen Geſchaͤfte, den Manns- perſonen zu gefallen. Außer ihrer Zierlichkeit und Schoͤnheit, iſt ihre Reinlichkeit nicht einer ihrer ge- ringſten Reize. Sie baden ſich woͤchentlich zwey Mahl, um ſich rein zu halten, und dann knacken mit beſonderer Geſchicklichkeit alle Gelenke ihrer Glieder; und um die uͤberfluͤßigen Haare zu vertreiben, ſalben ſie die Haut mit Pilaw, welches macht, daß die Haa- re ausgehen, und die Haut ſchoͤn weiß und weich wird.
Die Tuͤrken, die bey ihren Heirathen gemei-Jhre Heira- then. niglich auf den Gewinn ſehen, muͤſſen durch Unter- haͤndler heirathen, und mit einer Beſchreibung an- ſtatt einer Unterredung zufrieden ſeyn, die ihnen erſt, wenn ſie wirklich heirathen, geſtattet wird. Allein es werden ihnen ſo viel andere Bequemlichkeiten geſtat- tet, daß ſie nicht die geringſte Urſache haben, ſich zu beklagen; denn ſie koͤnnen vier rechtmaͤßige Weiber heirathen, und diejenigen, die noch mehr verlangen, koͤnnen bis auf zwanzig Concubinen nehmen, wie es ihnen beliebet, denn dieſes iſt auch eine Art von Hei-
rath,
E 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0081"n="71"/>
Seiten der Stirne eine kleine Locke, die geringelt an<lb/>
der Seite des Geſichts herab haͤngt, und dieſen Lo-<lb/>
cken widmen ſie viele Aufmerkſamkeit; ſie faͤrben ſie<lb/>ſchwarz, ſo wie ihre Augenbraunen, die ſehr regelmaͤſ-<lb/>ſig ſind, denn ſie geben ihnen mit dem Scheermeſſer<lb/>
die gehoͤrige Geſtalt. Die Frauenzimmer uͤberhaupt<lb/>ſchminken ſich, und ſind deſſen ungeachtet ſehr ſchoͤn.<lb/>
Sie ſcheinen zur Liebe geſchaffen zu ſeyn; ihre Hand-<lb/>
lungen, Gebaͤrden, Rede und Blicke, ſind verliebt<lb/>
und ſehr bequem, dieſe angenehme Leidenſchaft zu er-<lb/>
wecken. Da ſie ſonſt nichts zu thun haben, ſo ma-<lb/>
chen ſie es zu ihrem einzigen Geſchaͤfte, den Manns-<lb/>
perſonen zu gefallen. Außer ihrer Zierlichkeit und<lb/>
Schoͤnheit, iſt ihre Reinlichkeit nicht einer ihrer ge-<lb/>
ringſten Reize. Sie baden ſich woͤchentlich zwey<lb/>
Mahl, um ſich rein zu halten, und dann knacken mit<lb/>
beſonderer Geſchicklichkeit alle Gelenke ihrer Glieder;<lb/>
und um die uͤberfluͤßigen Haare zu vertreiben, ſalben<lb/>ſie die Haut mit Pilaw, welches macht, daß die Haa-<lb/>
re ausgehen, und die Haut ſchoͤn weiß und weich<lb/>
wird.</p><lb/><p>Die Tuͤrken, die bey ihren Heirathen gemei-<noteplace="right">Jhre Heira-<lb/>
then.</note><lb/>
niglich auf den Gewinn ſehen, muͤſſen durch Unter-<lb/>
haͤndler heirathen, und mit einer Beſchreibung an-<lb/>ſtatt einer Unterredung zufrieden ſeyn, die ihnen erſt,<lb/>
wenn ſie wirklich heirathen, geſtattet wird. Allein<lb/>
es werden ihnen ſo viel andere Bequemlichkeiten geſtat-<lb/>
tet, daß ſie nicht die geringſte Urſache haben, ſich zu<lb/>
beklagen; denn ſie koͤnnen vier rechtmaͤßige Weiber<lb/>
heirathen, und diejenigen, die noch mehr verlangen,<lb/>
koͤnnen bis auf zwanzig Concubinen nehmen, wie es<lb/>
ihnen beliebet, denn dieſes iſt auch eine Art von Hei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">rath,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[71/0081]
Seiten der Stirne eine kleine Locke, die geringelt an
der Seite des Geſichts herab haͤngt, und dieſen Lo-
cken widmen ſie viele Aufmerkſamkeit; ſie faͤrben ſie
ſchwarz, ſo wie ihre Augenbraunen, die ſehr regelmaͤſ-
ſig ſind, denn ſie geben ihnen mit dem Scheermeſſer
die gehoͤrige Geſtalt. Die Frauenzimmer uͤberhaupt
ſchminken ſich, und ſind deſſen ungeachtet ſehr ſchoͤn.
Sie ſcheinen zur Liebe geſchaffen zu ſeyn; ihre Hand-
lungen, Gebaͤrden, Rede und Blicke, ſind verliebt
und ſehr bequem, dieſe angenehme Leidenſchaft zu er-
wecken. Da ſie ſonſt nichts zu thun haben, ſo ma-
chen ſie es zu ihrem einzigen Geſchaͤfte, den Manns-
perſonen zu gefallen. Außer ihrer Zierlichkeit und
Schoͤnheit, iſt ihre Reinlichkeit nicht einer ihrer ge-
ringſten Reize. Sie baden ſich woͤchentlich zwey
Mahl, um ſich rein zu halten, und dann knacken mit
beſonderer Geſchicklichkeit alle Gelenke ihrer Glieder;
und um die uͤberfluͤßigen Haare zu vertreiben, ſalben
ſie die Haut mit Pilaw, welches macht, daß die Haa-
re ausgehen, und die Haut ſchoͤn weiß und weich
wird.
Die Tuͤrken, die bey ihren Heirathen gemei-
niglich auf den Gewinn ſehen, muͤſſen durch Unter-
haͤndler heirathen, und mit einer Beſchreibung an-
ſtatt einer Unterredung zufrieden ſeyn, die ihnen erſt,
wenn ſie wirklich heirathen, geſtattet wird. Allein
es werden ihnen ſo viel andere Bequemlichkeiten geſtat-
tet, daß ſie nicht die geringſte Urſache haben, ſich zu
beklagen; denn ſie koͤnnen vier rechtmaͤßige Weiber
heirathen, und diejenigen, die noch mehr verlangen,
koͤnnen bis auf zwanzig Concubinen nehmen, wie es
ihnen beliebet, denn dieſes iſt auch eine Art von Hei-
rath,
Jhre Heira-
then.
E 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/81>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.