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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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Die Sitten und Gebräuche der Türken sind denGemüths-
art.

unsrigen, wie ich bereits bemerkt habe, fast in allen
Stücken entgegen gesetzt. Sie wissen so wenig von
Studieren, ihren Verstand aufzuklären, daß sie sich
gewisser Maßen ihrer Unwissenheit rühmen. Jhr
Ehrgeiz ist dabey so schwach, daß sie nichts unterneh-
men, wobey sie nicht niedrige eigennützige Absichten
haben. Da sie die meiste Zeit in der Einsamkeit und
Trägheit zubringen, so blicken sie kaum über den en-
gen Kreis ihrer eigenen Familien hinaus; und wenn
nur ihre Weiber hübsch sind, ihre Pferde gut laufen,
und ihre Sclaven ihnen ehrerbiethig begegnen, so be-
kümmern sie sich um die ganze übrige Welt nicht.
Mit ihrem Schicksale zufrieden, sitzen sie ganze Tage
auf dem Sopha, ohne andere Beschäftigung, als Kaf-
fee zu trinken, Tobak zu rauchen, oder mit ihren
Weibern zu tändeln; so bestehet ihr ganzes Leben aus
Essen, Trinken und Schlafen, mit wenigen plumpen
Vergnügungen untermischt. Und dennoch kann man
ihnen keine Schwelgerey im Essen vorwerfen, denn
ein mit Reiß, Coriander und Zucker gekochtes Huhn,
welches Pillau genannt wird, ist ihr herrlichstes Ge-
richt, welches nebst einem Gerichte Fische u. s. f. und
einem Nachtisch von Confect ihre ganze Mahlzeit
ausmacht. Wenn die Speisestunde kommt, so bringt
ein Sclave einen achteckigen mit Elfenbein ausgeleg-
ten Tisch von Nußholz, der nicht über anderthalb Fuß
im Durchmesser hält, welchen er auf den Sopha setzt,
ein Tuch darüber deckt, und die Gerichte, eines nach
dem andern, aufträgt. Ein anderer Sclave breitet ei-
ne Serviette auf seines Herrn Knie und stehet hinter
ihm, ihm die Speisen zu schneiden, und bey demjeni-

gen
E 2

Die Sitten und Gebraͤuche der Tuͤrken ſind denGemuͤths-
art.

unſrigen, wie ich bereits bemerkt habe, faſt in allen
Stuͤcken entgegen geſetzt. Sie wiſſen ſo wenig von
Studieren, ihren Verſtand aufzuklaͤren, daß ſie ſich
gewiſſer Maßen ihrer Unwiſſenheit ruͤhmen. Jhr
Ehrgeiz iſt dabey ſo ſchwach, daß ſie nichts unterneh-
men, wobey ſie nicht niedrige eigennuͤtzige Abſichten
haben. Da ſie die meiſte Zeit in der Einſamkeit und
Traͤgheit zubringen, ſo blicken ſie kaum uͤber den en-
gen Kreis ihrer eigenen Familien hinaus; und wenn
nur ihre Weiber huͤbſch ſind, ihre Pferde gut laufen,
und ihre Sclaven ihnen ehrerbiethig begegnen, ſo be-
kuͤmmern ſie ſich um die ganze uͤbrige Welt nicht.
Mit ihrem Schickſale zufrieden, ſitzen ſie ganze Tage
auf dem Sopha, ohne andere Beſchaͤftigung, als Kaf-
fee zu trinken, Tobak zu rauchen, oder mit ihren
Weibern zu taͤndeln; ſo beſtehet ihr ganzes Leben aus
Eſſen, Trinken und Schlafen, mit wenigen plumpen
Vergnuͤgungen untermiſcht. Und dennoch kann man
ihnen keine Schwelgerey im Eſſen vorwerfen, denn
ein mit Reiß, Coriander und Zucker gekochtes Huhn,
welches Pillau genannt wird, iſt ihr herrlichſtes Ge-
richt, welches nebſt einem Gerichte Fiſche u. ſ. f. und
einem Nachtiſch von Confect ihre ganze Mahlzeit
ausmacht. Wenn die Speiſeſtunde kommt, ſo bringt
ein Sclave einen achteckigen mit Elfenbein ausgeleg-
ten Tiſch von Nußholz, der nicht uͤber anderthalb Fuß
im Durchmeſſer haͤlt, welchen er auf den Sopha ſetzt,
ein Tuch daruͤber deckt, und die Gerichte, eines nach
dem andern, auftraͤgt. Ein anderer Sclave breitet ei-
ne Serviette auf ſeines Herrn Knie und ſtehet hinter
ihm, ihm die Speiſen zu ſchneiden, und bey demjeni-

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[67/0077] Die Sitten und Gebraͤuche der Tuͤrken ſind den unſrigen, wie ich bereits bemerkt habe, faſt in allen Stuͤcken entgegen geſetzt. Sie wiſſen ſo wenig von Studieren, ihren Verſtand aufzuklaͤren, daß ſie ſich gewiſſer Maßen ihrer Unwiſſenheit ruͤhmen. Jhr Ehrgeiz iſt dabey ſo ſchwach, daß ſie nichts unterneh- men, wobey ſie nicht niedrige eigennuͤtzige Abſichten haben. Da ſie die meiſte Zeit in der Einſamkeit und Traͤgheit zubringen, ſo blicken ſie kaum uͤber den en- gen Kreis ihrer eigenen Familien hinaus; und wenn nur ihre Weiber huͤbſch ſind, ihre Pferde gut laufen, und ihre Sclaven ihnen ehrerbiethig begegnen, ſo be- kuͤmmern ſie ſich um die ganze uͤbrige Welt nicht. Mit ihrem Schickſale zufrieden, ſitzen ſie ganze Tage auf dem Sopha, ohne andere Beſchaͤftigung, als Kaf- fee zu trinken, Tobak zu rauchen, oder mit ihren Weibern zu taͤndeln; ſo beſtehet ihr ganzes Leben aus Eſſen, Trinken und Schlafen, mit wenigen plumpen Vergnuͤgungen untermiſcht. Und dennoch kann man ihnen keine Schwelgerey im Eſſen vorwerfen, denn ein mit Reiß, Coriander und Zucker gekochtes Huhn, welches Pillau genannt wird, iſt ihr herrlichſtes Ge- richt, welches nebſt einem Gerichte Fiſche u. ſ. f. und einem Nachtiſch von Confect ihre ganze Mahlzeit ausmacht. Wenn die Speiſeſtunde kommt, ſo bringt ein Sclave einen achteckigen mit Elfenbein ausgeleg- ten Tiſch von Nußholz, der nicht uͤber anderthalb Fuß im Durchmeſſer haͤlt, welchen er auf den Sopha ſetzt, ein Tuch daruͤber deckt, und die Gerichte, eines nach dem andern, auftraͤgt. Ein anderer Sclave breitet ei- ne Serviette auf ſeines Herrn Knie und ſtehet hinter ihm, ihm die Speiſen zu ſchneiden, und bey demjeni- gen Gemuͤths- art. E 2

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/77>, abgerufen am 22.11.2024.