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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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beschwerlichen Enthaltsamkeit zu erblicken, daß sie
auch auf die Dächer der Häuser, und selbst auf die
Gipfel der Berge steigen, ihn zu erblicken. So
bald er nur an dem Horizonte schimmert, begrüßen
sie ihn mit verschiedenen ehrerbiethigen Verbeugun-
gen. Aus ihren Schlössern wird diese angenehme
Neuigkeit durch mehrmalige Abfeuerung ihres groben
Geschützes bekannt gemacht. Die drey folgenden
Tage werden in Ueppigkeit und Fröhlichkeit zuge-
bracht. Sie dürfen zu keiner Zeit Schweinfleisch
essen, oder Wein trinken. An die Vorherbestim-
mung glauben sie so fest, daß sie auch zur Zeit der
Pest nicht die geringste Vorsicht gebrauchen, und sich
ärgern, wenn sie sehen, daß die Christen zu einer
solchen Zeit die angesteckten Häuser meiden, und für
ihre Gesundheit Sorge tragen, indem sie sagen, man
müsse Sterbende oder Verstorbene nicht verlassen.

Die Pest, welche jährlich eine so große Menge
Einwohner aufreibet, scheinet zur Erhaltung des
Landes gewisser Maßen nothwendig zu seyn, indem
sich die Einwohner jährlich um ein Fünftel vermehren;
wovon man die Ursache leicht begreifen kann, wenn
man erwäget, daß jeder Mann vier Weiber nehmen
und sich über dieß noch verschiedene Beyschläferinnen
halten darf. Ueber dieß werden alle Jahr 50000
Sclaven in die Türkey gebracht, so daß das Land sehr
bald mit Einwohnern überfüllet seyn, und das Volk
in Gefahr gerathen würde, Hungers zu sterben, wenn
nicht diese Krankheit dessen Anzahl verminderte. Da-
her ist das Land, dieser Plage ungeachtet, immer mit
Menschen angefüllet.

Die

beſchwerlichen Enthaltſamkeit zu erblicken, daß ſie
auch auf die Daͤcher der Haͤuſer, und ſelbſt auf die
Gipfel der Berge ſteigen, ihn zu erblicken. So
bald er nur an dem Horizonte ſchimmert, begruͤßen
ſie ihn mit verſchiedenen ehrerbiethigen Verbeugun-
gen. Aus ihren Schloͤſſern wird dieſe angenehme
Neuigkeit durch mehrmalige Abfeuerung ihres groben
Geſchuͤtzes bekannt gemacht. Die drey folgenden
Tage werden in Ueppigkeit und Froͤhlichkeit zuge-
bracht. Sie duͤrfen zu keiner Zeit Schweinfleiſch
eſſen, oder Wein trinken. An die Vorherbeſtim-
mung glauben ſie ſo feſt, daß ſie auch zur Zeit der
Peſt nicht die geringſte Vorſicht gebrauchen, und ſich
aͤrgern, wenn ſie ſehen, daß die Chriſten zu einer
ſolchen Zeit die angeſteckten Haͤuſer meiden, und fuͤr
ihre Geſundheit Sorge tragen, indem ſie ſagen, man
muͤſſe Sterbende oder Verſtorbene nicht verlaſſen.

Die Peſt, welche jaͤhrlich eine ſo große Menge
Einwohner aufreibet, ſcheinet zur Erhaltung des
Landes gewiſſer Maßen nothwendig zu ſeyn, indem
ſich die Einwohner jaͤhrlich um ein Fuͤnftel vermehren;
wovon man die Urſache leicht begreifen kann, wenn
man erwaͤget, daß jeder Mann vier Weiber nehmen
und ſich uͤber dieß noch verſchiedene Beyſchlaͤferinnen
halten darf. Ueber dieß werden alle Jahr 50000
Sclaven in die Tuͤrkey gebracht, ſo daß das Land ſehr
bald mit Einwohnern uͤberfuͤllet ſeyn, und das Volk
in Gefahr gerathen wuͤrde, Hungers zu ſterben, wenn
nicht dieſe Krankheit deſſen Anzahl verminderte. Da-
her iſt das Land, dieſer Plage ungeachtet, immer mit
Menſchen angefuͤllet.

Die
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[66/0076] beſchwerlichen Enthaltſamkeit zu erblicken, daß ſie auch auf die Daͤcher der Haͤuſer, und ſelbſt auf die Gipfel der Berge ſteigen, ihn zu erblicken. So bald er nur an dem Horizonte ſchimmert, begruͤßen ſie ihn mit verſchiedenen ehrerbiethigen Verbeugun- gen. Aus ihren Schloͤſſern wird dieſe angenehme Neuigkeit durch mehrmalige Abfeuerung ihres groben Geſchuͤtzes bekannt gemacht. Die drey folgenden Tage werden in Ueppigkeit und Froͤhlichkeit zuge- bracht. Sie duͤrfen zu keiner Zeit Schweinfleiſch eſſen, oder Wein trinken. An die Vorherbeſtim- mung glauben ſie ſo feſt, daß ſie auch zur Zeit der Peſt nicht die geringſte Vorſicht gebrauchen, und ſich aͤrgern, wenn ſie ſehen, daß die Chriſten zu einer ſolchen Zeit die angeſteckten Haͤuſer meiden, und fuͤr ihre Geſundheit Sorge tragen, indem ſie ſagen, man muͤſſe Sterbende oder Verſtorbene nicht verlaſſen. Die Peſt, welche jaͤhrlich eine ſo große Menge Einwohner aufreibet, ſcheinet zur Erhaltung des Landes gewiſſer Maßen nothwendig zu ſeyn, indem ſich die Einwohner jaͤhrlich um ein Fuͤnftel vermehren; wovon man die Urſache leicht begreifen kann, wenn man erwaͤget, daß jeder Mann vier Weiber nehmen und ſich uͤber dieß noch verſchiedene Beyſchlaͤferinnen halten darf. Ueber dieß werden alle Jahr 50000 Sclaven in die Tuͤrkey gebracht, ſo daß das Land ſehr bald mit Einwohnern uͤberfuͤllet ſeyn, und das Volk in Gefahr gerathen wuͤrde, Hungers zu ſterben, wenn nicht dieſe Krankheit deſſen Anzahl verminderte. Da- her iſt das Land, dieſer Plage ungeachtet, immer mit Menſchen angefuͤllet. Die

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/76>, abgerufen am 22.11.2024.