ganze Armee hätte gefangen bekommen können. Der Vezier versetzte, da der Großherr ihm völlige Gewalt aufgetragen habe, Krieg und Frieden zu schließen, so habe er den Russen den Frieden nicht versagen können, da sie ihn auf Bedingungen erwarteten, welche dem Großherrn so rühmlich wären, und wodurch man mehr gewönne, als man jemals hätte erwarten können. Der König antwortete, wenn er den Czar gefangen nach Constantinopel geführt hätte, so hätte er alles eingehen müssen, was man nur von ihm würde ver- langt haben, und setzte hinzu, daß, wenn der Vezier ihm nur 20000 Mann seiner besten Truppen ge- ben wollte, so wollte er sich anheischig machen, das Versäumte wieder einzubringen. Der Groß-Vezier erwiderte: "Gott behüte uns, daß wir den Frieden ohne Ursache brechen sollten, indem ich bereits die Geißel angenommen habe!" Poniatowsky, ein Pohlnischer General von des Stanislaus Parthey, der gegenwärtig war, und sahe, daß der König nun- mehr schwieg, antwortete: "Es ist noch ein Mittel, ohne den Frieden zu brechen, und dieses bestehet dar- inn, daß man dem Könige 20 oder 30000 Mann der besten Truppen gebe, womit er den Czar angreif- fen und ihn zu bessern Friedensbedingungen zwingen kann." Der Vezier versetzte: "Das würde wenig- stens eine mittelbare Verletzung des Friedens seyn, indem darinn verglichen worden, daß der König mit einer zahlreichen Türkischen Bedeckung durch das Russische Gebieth in seine eigene Staaten soll zurück gehen können, worauf er, wenn er Lust hat, seinen Frieden selbst mit dem Czar machen kann."
König sahe den Groß-Vezier höhnisch an, und lachte
ihm
ganze Armee haͤtte gefangen bekommen koͤnnen. Der Vezier verſetzte, da der Großherr ihm voͤllige Gewalt aufgetragen habe, Krieg und Frieden zu ſchließen, ſo habe er den Ruſſen den Frieden nicht verſagen koͤnnen, da ſie ihn auf Bedingungen erwarteten, welche dem Großherrn ſo ruͤhmlich waͤren, und wodurch man mehr gewoͤnne, als man jemals haͤtte erwarten koͤnnen. Der Koͤnig antwortete, wenn er den Czar gefangen nach Conſtantinopel gefuͤhrt haͤtte, ſo haͤtte er alles eingehen muͤſſen, was man nur von ihm wuͤrde ver- langt haben, und ſetzte hinzu, daß, wenn der Vezier ihm nur 20000 Mann ſeiner beſten Truppen ge- ben wollte, ſo wollte er ſich anheiſchig machen, das Verſaͤumte wieder einzubringen. Der Groß-Vezier erwiderte: „Gott behuͤte uns, daß wir den Frieden ohne Urſache brechen ſollten, indem ich bereits die Geißel angenommen habe!“ Poniatowsky, ein Pohlniſcher General von des Stanislaus Parthey, der gegenwaͤrtig war, und ſahe, daß der Koͤnig nun- mehr ſchwieg, antwortete: „Es iſt noch ein Mittel, ohne den Frieden zu brechen, und dieſes beſtehet dar- inn, daß man dem Koͤnige 20 oder 30000 Mann der beſten Truppen gebe, womit er den Czar angreif- fen und ihn zu beſſern Friedensbedingungen zwingen kann.“ Der Vezier verſetzte: „Das wuͤrde wenig- ſtens eine mittelbare Verletzung des Friedens ſeyn, indem darinn verglichen worden, daß der Koͤnig mit einer zahlreichen Tuͤrkiſchen Bedeckung durch das Ruſſiſche Gebieth in ſeine eigene Staaten ſoll zuruͤck gehen koͤnnen, worauf er, wenn er Luſt hat, ſeinen Frieden ſelbſt mit dem Czar machen kann.“
Koͤnig ſahe den Groß-Vezier hoͤhniſch an, und lachte
ihm
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ganze Armee haͤtte gefangen bekommen koͤnnen. Der
Vezier verſetzte, da der Großherr ihm voͤllige Gewalt
aufgetragen habe, Krieg und Frieden zu ſchließen, ſo
habe er den Ruſſen den Frieden nicht verſagen koͤnnen,
da ſie ihn auf Bedingungen erwarteten, welche dem
Großherrn ſo ruͤhmlich waͤren, und wodurch man
mehr gewoͤnne, als man jemals haͤtte erwarten koͤnnen.
Der Koͤnig antwortete, wenn er den Czar gefangen
nach Conſtantinopel gefuͤhrt haͤtte, ſo haͤtte er alles
eingehen muͤſſen, was man nur von ihm wuͤrde ver-
langt haben, und ſetzte hinzu, daß, wenn der Vezier
ihm nur 20000 Mann ſeiner beſten Truppen ge-
ben wollte, ſo wollte er ſich anheiſchig machen, das
Verſaͤumte wieder einzubringen. Der Groß-Vezier
erwiderte: „Gott behuͤte uns, daß wir den Frieden
ohne Urſache brechen ſollten, indem ich bereits die
Geißel angenommen habe!“ Poniatowsky, ein
Pohlniſcher General von des Stanislaus Parthey,
der gegenwaͤrtig war, und ſahe, daß der Koͤnig nun-
mehr ſchwieg, antwortete: „Es iſt noch ein Mittel,
ohne den Frieden zu brechen, und dieſes beſtehet dar-
inn, daß man dem Koͤnige 20 oder 30000 Mann
der beſten Truppen gebe, womit er den Czar angreif-
fen und ihn zu beſſern Friedensbedingungen zwingen
kann.“ Der Vezier verſetzte: „Das wuͤrde wenig-
ſtens eine mittelbare Verletzung des Friedens ſeyn,
indem darinn verglichen worden, daß der Koͤnig mit
einer zahlreichen Tuͤrkiſchen Bedeckung durch das
Ruſſiſche Gebieth in ſeine eigene Staaten ſoll zuruͤck
gehen koͤnnen, worauf er, wenn er Luſt hat, ſeinen
Frieden ſelbſt mit dem Czar machen kann.“
Koͤnig ſahe den Groß-Vezier hoͤhniſch an, und lachte
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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