Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Fall des Ba-
rons Scha-
firof.

Bey meiner Zurückkunft nach Moskau hatte ich
das Unglück, die unangenehme Nachricht von dem Falle
und der Ungnade meines ehemaligen Wohlthäters, des
Barons Schafirof, des Vicekanzlers, zu hören, in
dessen Gefolge ich ein Jahr in Constantinopel gewe-
sen war, wo er sich als Geisel, und hernach als Ge-
sandter befunden hatte. Er war unstreitig einer der
geschicktesten Minister im ganzen Reiche, und bey dem
Kaiser in großen Gnaden, der ihn allezeit bey den
wichtigsten Angelegenheiten brauchte. Der Baron
hatte seinen Fall dadurch verursachet, daß er den
Fürsten Menzikof zu stürzen gesucht hatte, welches sich
zuletzt mit seinem eigenen Falle endigte. Als der
Kaiser den Zug nach Persien vornahm, ernannte er
den Fürsten Menzikof in seiner Abwesenheit zum Re-
genten des Reichs. Durch Beystand des Baron
Ostermanns entdeckte der Fürst, daß der Vicekanz-
ler große Summen von den öffentlichen Einkünften
unterschlagen, und 200000 Ducaten an barem
Gelde, und für 70000 Ducaten Juwelen, die
dem verstorbenen Knez Gagarin gehöret hatten, des-
sen Tochter an des Baron Schafirofs Sohn verhei-
rathet war, verborgen hatte. Als der Fürst Gaga-
rin hingerichtet wurde, so sollte es jedem das Leben
kosten, der etwas von seinen Effecten verbergen würde,
und der Baron gab diesen Befehl selbst heraus. Es
wurden dem Baron auch noch verschiedene andere
Verbrechen Schuld gegeben, daher er verurtheilet
wurde, den Kopf zu verlieren; er war auch der Voll-
ziehung dieses Urtheils so nahe, daß sein Kopf schon
auf dem Blocke lag, als sein Urtheil gemildert und in
eine Verweisung auf Zeitlebens nach Siberien ver-

wandelt
Fall des Ba-
rons Scha-
firof.

Bey meiner Zuruͤckkunft nach Moskau hatte ich
das Ungluͤck, die unangenehme Nachricht von dem Falle
und der Ungnade meines ehemaligen Wohlthaͤters, des
Barons Schafirof, des Vicekanzlers, zu hoͤren, in
deſſen Gefolge ich ein Jahr in Conſtantinopel gewe-
ſen war, wo er ſich als Geiſel, und hernach als Ge-
ſandter befunden hatte. Er war unſtreitig einer der
geſchickteſten Miniſter im ganzen Reiche, und bey dem
Kaiſer in großen Gnaden, der ihn allezeit bey den
wichtigſten Angelegenheiten brauchte. Der Baron
hatte ſeinen Fall dadurch verurſachet, daß er den
Fuͤrſten Menzikof zu ſtuͤrzen geſucht hatte, welches ſich
zuletzt mit ſeinem eigenen Falle endigte. Als der
Kaiſer den Zug nach Perſien vornahm, ernannte er
den Fuͤrſten Menzikof in ſeiner Abweſenheit zum Re-
genten des Reichs. Durch Beyſtand des Baron
Oſtermanns entdeckte der Fuͤrſt, daß der Vicekanz-
ler große Summen von den oͤffentlichen Einkuͤnften
unterſchlagen, und 200000 Ducaten an barem
Gelde, und fuͤr 70000 Ducaten Juwelen, die
dem verſtorbenen Knez Gagarin gehoͤret hatten, deſ-
ſen Tochter an des Baron Schafirofs Sohn verhei-
rathet war, verborgen hatte. Als der Fuͤrſt Gaga-
rin hingerichtet wurde, ſo ſollte es jedem das Leben
koſten, der etwas von ſeinen Effecten verbergen wuͤrde,
und der Baron gab dieſen Befehl ſelbſt heraus. Es
wurden dem Baron auch noch verſchiedene andere
Verbrechen Schuld gegeben, daher er verurtheilet
wurde, den Kopf zu verlieren; er war auch der Voll-
ziehung dieſes Urtheils ſo nahe, daß ſein Kopf ſchon
auf dem Blocke lag, als ſein Urtheil gemildert und in
eine Verweiſung auf Zeitlebens nach Siberien ver-

wandelt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0420" n="410"/>
        <note place="left">Fall des Ba-<lb/>
rons Scha-<lb/>
firof.</note>
        <p>Bey meiner Zuru&#x0364;ckkunft nach Moskau hatte ich<lb/>
das Unglu&#x0364;ck, die unangenehme Nachricht von dem Falle<lb/>
und der Ungnade meines ehemaligen Wohltha&#x0364;ters, des<lb/>
Barons Schafirof, des Vicekanzlers, zu ho&#x0364;ren, in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Gefolge ich ein Jahr in Con&#x017F;tantinopel gewe-<lb/>
&#x017F;en war, wo er &#x017F;ich als Gei&#x017F;el, und hernach als Ge-<lb/>
&#x017F;andter befunden hatte. Er war un&#x017F;treitig einer der<lb/>
ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Mini&#x017F;ter im ganzen Reiche, und bey dem<lb/>
Kai&#x017F;er in großen Gnaden, der ihn allezeit bey den<lb/>
wichtig&#x017F;ten Angelegenheiten brauchte. Der Baron<lb/>
hatte &#x017F;einen Fall dadurch verur&#x017F;achet, daß er den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten Menzikof zu &#x017F;tu&#x0364;rzen ge&#x017F;ucht hatte, welches &#x017F;ich<lb/>
zuletzt mit &#x017F;einem eigenen Falle endigte. Als der<lb/>
Kai&#x017F;er den Zug nach Per&#x017F;ien vornahm, ernannte er<lb/>
den Fu&#x0364;r&#x017F;ten Menzikof in &#x017F;einer Abwe&#x017F;enheit zum Re-<lb/>
genten des Reichs. Durch Bey&#x017F;tand des Baron<lb/>
O&#x017F;termanns entdeckte der Fu&#x0364;r&#x017F;t, daß der Vicekanz-<lb/>
ler große Summen von den o&#x0364;ffentlichen Einku&#x0364;nften<lb/>
unter&#x017F;chlagen, und 200000 Ducaten an barem<lb/>
Gelde, und fu&#x0364;r 70000 Ducaten Juwelen, die<lb/>
dem ver&#x017F;torbenen Knez Gagarin geho&#x0364;ret hatten, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Tochter an des Baron Schafirofs Sohn verhei-<lb/>
rathet war, verborgen hatte. Als der Fu&#x0364;r&#x017F;t Gaga-<lb/>
rin hingerichtet wurde, &#x017F;o &#x017F;ollte es jedem das Leben<lb/>
ko&#x017F;ten, der etwas von &#x017F;einen Effecten verbergen wu&#x0364;rde,<lb/>
und der Baron gab die&#x017F;en Befehl &#x017F;elb&#x017F;t heraus. Es<lb/>
wurden dem Baron auch noch ver&#x017F;chiedene andere<lb/>
Verbrechen Schuld gegeben, daher er verurtheilet<lb/>
wurde, den Kopf zu verlieren; er war auch der Voll-<lb/>
ziehung die&#x017F;es Urtheils &#x017F;o nahe, daß &#x017F;ein Kopf &#x017F;chon<lb/>
auf dem Blocke lag, als &#x017F;ein Urtheil gemildert und in<lb/>
eine Verwei&#x017F;ung auf Zeitlebens nach Siberien ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wandelt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0420] Bey meiner Zuruͤckkunft nach Moskau hatte ich das Ungluͤck, die unangenehme Nachricht von dem Falle und der Ungnade meines ehemaligen Wohlthaͤters, des Barons Schafirof, des Vicekanzlers, zu hoͤren, in deſſen Gefolge ich ein Jahr in Conſtantinopel gewe- ſen war, wo er ſich als Geiſel, und hernach als Ge- ſandter befunden hatte. Er war unſtreitig einer der geſchickteſten Miniſter im ganzen Reiche, und bey dem Kaiſer in großen Gnaden, der ihn allezeit bey den wichtigſten Angelegenheiten brauchte. Der Baron hatte ſeinen Fall dadurch verurſachet, daß er den Fuͤrſten Menzikof zu ſtuͤrzen geſucht hatte, welches ſich zuletzt mit ſeinem eigenen Falle endigte. Als der Kaiſer den Zug nach Perſien vornahm, ernannte er den Fuͤrſten Menzikof in ſeiner Abweſenheit zum Re- genten des Reichs. Durch Beyſtand des Baron Oſtermanns entdeckte der Fuͤrſt, daß der Vicekanz- ler große Summen von den oͤffentlichen Einkuͤnften unterſchlagen, und 200000 Ducaten an barem Gelde, und fuͤr 70000 Ducaten Juwelen, die dem verſtorbenen Knez Gagarin gehoͤret hatten, deſ- ſen Tochter an des Baron Schafirofs Sohn verhei- rathet war, verborgen hatte. Als der Fuͤrſt Gaga- rin hingerichtet wurde, ſo ſollte es jedem das Leben koſten, der etwas von ſeinen Effecten verbergen wuͤrde, und der Baron gab dieſen Befehl ſelbſt heraus. Es wurden dem Baron auch noch verſchiedene andere Verbrechen Schuld gegeben, daher er verurtheilet wurde, den Kopf zu verlieren; er war auch der Voll- ziehung dieſes Urtheils ſo nahe, daß ſein Kopf ſchon auf dem Blocke lag, als ſein Urtheil gemildert und in eine Verweiſung auf Zeitlebens nach Siberien ver- wandelt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/420
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/420>, abgerufen am 22.11.2024.