sich zu dem Angriffe auf den nächsten Morgen anzu- schicken.
Den 11ten verrichteten wir des Morgens um 2 Uhr unser Gebeth, und stellten uns alsdann in Schlachtordnung. Um 8 Uhr rückten wir vor und griffen die feindlichen Verschanzungen an, deren wir uns bemächtigten und den Feind in großer Unordnung und Verwirrung in seine Laufgräben trieben, aus wel- chen wir ihn, obgleich mit beträchtlichem Verluste auf beyden Seiten, gleichfalls wieder jagten. Das- jenige Regiment, mit welchem das unsrige handge- mein war, war eben dasjenige, mit dessen Officiers wir die Nacht vorher so freundschaftlich umgegangen waren. Es befand sich ein Lieutenant dabey, wel- cher einen Bruder, der gleichfalls Lieutenant war, bey unserm Regimente hatte. Der Französische Lieute- nant gab sich seinem Bruder zum Gefangenen, und ward von ihm auf das zärtlichste in Schutz genom- men; allein zum Unglück rann ein Soldat von den Unsrigen ihn in demselben Augenblicke durch den Leib, so daß er seinem Bruder todt in die Arme fiel. Der Soldat entschuldigte sich damit, daß er solches zur Vertheidigung seines Officiers gethan, und den an- dern nicht gekannt habe; und doch hatte er den Abend vorher gesehen, daß beyde als Brüder mit einander umgegangen waren. Dergleichen traurige Versehen fallen bey streitenden Feinden in der Wuth des Ge- fechtes nur zu oft vor, und es ist unmöglich, den ar- men Menschen eines bösen Vorsatzes bey dieser Gele- genheit mit Gewißheit zu beschuldigen. Die Fran- zosen zogen sich über einen Verhau, und wir folgten ihnen auf dem Fuße nach; da wir aber fanden, daß
sie
ſich zu dem Angriffe auf den naͤchſten Morgen anzu- ſchicken.
Den 11ten verrichteten wir des Morgens um 2 Uhr unſer Gebeth, und ſtellten uns alsdann in Schlachtordnung. Um 8 Uhr ruͤckten wir vor und griffen die feindlichen Verſchanzungen an, deren wir uns bemaͤchtigten und den Feind in großer Unordnung und Verwirrung in ſeine Laufgraͤben trieben, aus wel- chen wir ihn, obgleich mit betraͤchtlichem Verluſte auf beyden Seiten, gleichfalls wieder jagten. Das- jenige Regiment, mit welchem das unſrige handge- mein war, war eben dasjenige, mit deſſen Officiers wir die Nacht vorher ſo freundſchaftlich umgegangen waren. Es befand ſich ein Lieutenant dabey, wel- cher einen Bruder, der gleichfalls Lieutenant war, bey unſerm Regimente hatte. Der Franzoͤſiſche Lieute- nant gab ſich ſeinem Bruder zum Gefangenen, und ward von ihm auf das zaͤrtlichſte in Schutz genom- men; allein zum Ungluͤck rann ein Soldat von den Unſrigen ihn in demſelben Augenblicke durch den Leib, ſo daß er ſeinem Bruder todt in die Arme fiel. Der Soldat entſchuldigte ſich damit, daß er ſolches zur Vertheidigung ſeines Officiers gethan, und den an- dern nicht gekannt habe; und doch hatte er den Abend vorher geſehen, daß beyde als Bruͤder mit einander umgegangen waren. Dergleichen traurige Verſehen fallen bey ſtreitenden Feinden in der Wuth des Ge- fechtes nur zu oft vor, und es iſt unmoͤglich, den ar- men Menſchen eines boͤſen Vorſatzes bey dieſer Gele- genheit mit Gewißheit zu beſchuldigen. Die Fran- zoſen zogen ſich uͤber einen Verhau, und wir folgten ihnen auf dem Fuße nach; da wir aber fanden, daß
ſie
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ſich zu dem Angriffe auf den naͤchſten Morgen anzu-
ſchicken.
Den 11ten verrichteten wir des Morgens um
2 Uhr unſer Gebeth, und ſtellten uns alsdann in
Schlachtordnung. Um 8 Uhr ruͤckten wir vor und
griffen die feindlichen Verſchanzungen an, deren wir
uns bemaͤchtigten und den Feind in großer Unordnung
und Verwirrung in ſeine Laufgraͤben trieben, aus wel-
chen wir ihn, obgleich mit betraͤchtlichem Verluſte
auf beyden Seiten, gleichfalls wieder jagten. Das-
jenige Regiment, mit welchem das unſrige handge-
mein war, war eben dasjenige, mit deſſen Officiers
wir die Nacht vorher ſo freundſchaftlich umgegangen
waren. Es befand ſich ein Lieutenant dabey, wel-
cher einen Bruder, der gleichfalls Lieutenant war, bey
unſerm Regimente hatte. Der Franzoͤſiſche Lieute-
nant gab ſich ſeinem Bruder zum Gefangenen, und
ward von ihm auf das zaͤrtlichſte in Schutz genom-
men; allein zum Ungluͤck rann ein Soldat von den
Unſrigen ihn in demſelben Augenblicke durch den Leib,
ſo daß er ſeinem Bruder todt in die Arme fiel. Der
Soldat entſchuldigte ſich damit, daß er ſolches zur
Vertheidigung ſeines Officiers gethan, und den an-
dern nicht gekannt habe; und doch hatte er den Abend
vorher geſehen, daß beyde als Bruͤder mit einander
umgegangen waren. Dergleichen traurige Verſehen
fallen bey ſtreitenden Feinden in der Wuth des Ge-
fechtes nur zu oft vor, und es iſt unmoͤglich, den ar-
men Menſchen eines boͤſen Vorſatzes bey dieſer Gele-
genheit mit Gewißheit zu beſchuldigen. Die Fran-
zoſen zogen ſich uͤber einen Verhau, und wir folgten
ihnen auf dem Fuße nach; da wir aber fanden, daß
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/34>, abgerufen am 21.11.2024.
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