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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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oder Landstreicher, weil sie im Sommer keine gewissen
Wohnungen haben, sondern hin und wieder ziehen.
Sie packen alsdann ihre Hütten auf Wagen, ihre
Weiber, Kinder und Güter auf Kameele, Pferde
und Ochsen, und begeben sich von einem Orte zum
andern, wo sie bessere Weide für ihr Vieh finden.
Wenn der Winter herannahet, so versammeln sie sich
mit ihren Heerden, um ihn in verschiedenen Haufen
bey Astrakan zuzubringen, wo sie mit Waffen verse-
hen werden, die Einfälle der Kalmucken oder anderer
Tartarn vom Flusse Jaick abzuhalten. Sobald aber
der Winter vorüber ist, müssen sie alles Gewehr wie-
der zurück geben. Sie geben dem Russischen Kaiser
keinen Tribut, sind aber verbunden, zu Kriegszeiten
unter ihren eigenen Befehlshabern ihm zu dienen, da sie
in Friedenszeiten von ihren eigenen kleinen Fürsten und
Richtern regieret werden. Jhres Gehorsams versichert
zu seyn, hat der Kaiser beständig einige von ihren Für-
sten oder Mirzas als Geiseln in der Festung Astrakan.

Jhre Religion ist die Mahometanische, einige
wenige ausgenommen, die sich zur griechischen Kirche
bekannt haben. Sie pflegen einige von ihren Kin-
dern Gott oder einem andern Heiligen zu widmen,
und diese unterscheiden sich von andern durch einen
Ring, den die Knaben am rechten Ohre, die Mäd-
chen aber an der Nase tragen. Sie leben von ihrem
Viehe, von der Jagd und Fischerey. Statt des
Brotes bedienen sie sich an der Sonne getrockneter Fi-
sche; sie machen auch Kuchen von Mehl und Reiß.
Sie essen Kameel- und Pferdefleisch, und schätzen
der letztern Milch sehr hoch. Jhr gewöhnliches Ge-
tränke ist Wasser und Milch, doch findet man auch,

außer

oder Landſtreicher, weil ſie im Sommer keine gewiſſen
Wohnungen haben, ſondern hin und wieder ziehen.
Sie packen alsdann ihre Huͤtten auf Wagen, ihre
Weiber, Kinder und Guͤter auf Kameele, Pferde
und Ochſen, und begeben ſich von einem Orte zum
andern, wo ſie beſſere Weide fuͤr ihr Vieh finden.
Wenn der Winter herannahet, ſo verſammeln ſie ſich
mit ihren Heerden, um ihn in verſchiedenen Haufen
bey Aſtrakan zuzubringen, wo ſie mit Waffen verſe-
hen werden, die Einfaͤlle der Kalmucken oder anderer
Tartarn vom Fluſſe Jaick abzuhalten. Sobald aber
der Winter voruͤber iſt, muͤſſen ſie alles Gewehr wie-
der zuruͤck geben. Sie geben dem Ruſſiſchen Kaiſer
keinen Tribut, ſind aber verbunden, zu Kriegszeiten
unter ihren eigenen Befehlshabern ihm zu dienen, da ſie
in Friedenszeiten von ihren eigenen kleinen Fuͤrſten und
Richtern regieret werden. Jhres Gehorſams verſichert
zu ſeyn, hat der Kaiſer beſtaͤndig einige von ihren Fuͤr-
ſten oder Mirzas als Geiſeln in der Feſtung Aſtrakan.

Jhre Religion iſt die Mahometaniſche, einige
wenige ausgenommen, die ſich zur griechiſchen Kirche
bekannt haben. Sie pflegen einige von ihren Kin-
dern Gott oder einem andern Heiligen zu widmen,
und dieſe unterſcheiden ſich von andern durch einen
Ring, den die Knaben am rechten Ohre, die Maͤd-
chen aber an der Naſe tragen. Sie leben von ihrem
Viehe, von der Jagd und Fiſcherey. Statt des
Brotes bedienen ſie ſich an der Sonne getrockneter Fi-
ſche; ſie machen auch Kuchen von Mehl und Reiß.
Sie eſſen Kameel- und Pferdefleiſch, und ſchaͤtzen
der letztern Milch ſehr hoch. Jhr gewoͤhnliches Ge-
traͤnke iſt Waſſer und Milch, doch findet man auch,

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[292/0302] oder Landſtreicher, weil ſie im Sommer keine gewiſſen Wohnungen haben, ſondern hin und wieder ziehen. Sie packen alsdann ihre Huͤtten auf Wagen, ihre Weiber, Kinder und Guͤter auf Kameele, Pferde und Ochſen, und begeben ſich von einem Orte zum andern, wo ſie beſſere Weide fuͤr ihr Vieh finden. Wenn der Winter herannahet, ſo verſammeln ſie ſich mit ihren Heerden, um ihn in verſchiedenen Haufen bey Aſtrakan zuzubringen, wo ſie mit Waffen verſe- hen werden, die Einfaͤlle der Kalmucken oder anderer Tartarn vom Fluſſe Jaick abzuhalten. Sobald aber der Winter voruͤber iſt, muͤſſen ſie alles Gewehr wie- der zuruͤck geben. Sie geben dem Ruſſiſchen Kaiſer keinen Tribut, ſind aber verbunden, zu Kriegszeiten unter ihren eigenen Befehlshabern ihm zu dienen, da ſie in Friedenszeiten von ihren eigenen kleinen Fuͤrſten und Richtern regieret werden. Jhres Gehorſams verſichert zu ſeyn, hat der Kaiſer beſtaͤndig einige von ihren Fuͤr- ſten oder Mirzas als Geiſeln in der Feſtung Aſtrakan. Jhre Religion iſt die Mahometaniſche, einige wenige ausgenommen, die ſich zur griechiſchen Kirche bekannt haben. Sie pflegen einige von ihren Kin- dern Gott oder einem andern Heiligen zu widmen, und dieſe unterſcheiden ſich von andern durch einen Ring, den die Knaben am rechten Ohre, die Maͤd- chen aber an der Naſe tragen. Sie leben von ihrem Viehe, von der Jagd und Fiſcherey. Statt des Brotes bedienen ſie ſich an der Sonne getrockneter Fi- ſche; ſie machen auch Kuchen von Mehl und Reiß. Sie eſſen Kameel- und Pferdefleiſch, und ſchaͤtzen der letztern Milch ſehr hoch. Jhr gewoͤhnliches Ge- traͤnke iſt Waſſer und Milch, doch findet man auch, außer

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/302>, abgerufen am 25.11.2024.