unter gekommen wären, daß sie ihr Feld aus Mangel des Viehes und des Saamens nicht mehr bauen könn- ten, nahm ich viele von diesen armen Familien in Dienste. Jhre Noth und ihr Elend waren nicht zu beschreiben, welches auch viele Fürsten im Reiche be- wog, daß sie ihrentwegen den Czar ernstlich ersuchten, seine Truppen weg zu ziehen, welches auch kurz dar- auf bewilliget wurde, und die Sache endigte sich end- lich mit dem gänzlichen Verderben des Herzogs, denn sein Land wurde sequestrirt, und er mußte viele Jahre in Danzig als ein Verbanneter leben.
Als wir nach Dännemark abgiengen, bekam derFlucht des Czarowitz. Czarowitz ausdrücklichen Befehl von seinem Vater, ihn zu begleiten; er machte sich aber, anstatt zu gehor- chen, lieber davon, und verbarg sich, so daß niemand etwas von ihm wußte. Es wurden daher Bothen durch ganz Europa geschickt ihn aufzusuchen, und er wurde endlich von dem Capitän der Garde, Ro- manzof, zu Neapel entdeckt. Der Capitän gab dem Grafen Tolstoi, unserm Gesandten in Wien, von die- ser Entdeckung Nachricht, worauf der Graf zu ihm nach Neapel gieng, und ihn endlich beredete, nach Moskau zu gehen und sich der Gnade seines Vaters zu unterwerfen. Er versicherte ihn zugleich, daß es kein Fürst in Europa wagen würde, sich des Czars Zorn zuzuziehen und ihn zu schützen.
Zu eben der Zeit hatten mir meine Freunde beyDer Capitän darf die Ruf- fischen Dien- ste nicht ver- lassen. des General Gersdorfs Regimente unter der Preussi- schen Armee eine Compagnie verschafft, wenn ich mei- nen Abschied bey den Russen bekommen könnte. Da ich aber eine Compagnie bey der Artillerie unter dem General Bruce hatte, und Adjutant des Generals
Weyde
N 4
unter gekommen waͤren, daß ſie ihr Feld aus Mangel des Viehes und des Saamens nicht mehr bauen koͤnn- ten, nahm ich viele von dieſen armen Familien in Dienſte. Jhre Noth und ihr Elend waren nicht zu beſchreiben, welches auch viele Fuͤrſten im Reiche be- wog, daß ſie ihrentwegen den Czar ernſtlich erſuchten, ſeine Truppen weg zu ziehen, welches auch kurz dar- auf bewilliget wurde, und die Sache endigte ſich end- lich mit dem gaͤnzlichen Verderben des Herzogs, denn ſein Land wurde ſequeſtrirt, und er mußte viele Jahre in Danzig als ein Verbanneter leben.
Als wir nach Daͤnnemark abgiengen, bekam derFlucht des Czarowitz. Czarowitz ausdruͤcklichen Befehl von ſeinem Vater, ihn zu begleiten; er machte ſich aber, anſtatt zu gehor- chen, lieber davon, und verbarg ſich, ſo daß niemand etwas von ihm wußte. Es wurden daher Bothen durch ganz Europa geſchickt ihn aufzuſuchen, und er wurde endlich von dem Capitaͤn der Garde, Ro- manzof, zu Neapel entdeckt. Der Capitaͤn gab dem Grafen Tolſtoi, unſerm Geſandten in Wien, von die- ſer Entdeckung Nachricht, worauf der Graf zu ihm nach Neapel gieng, und ihn endlich beredete, nach Moskau zu gehen und ſich der Gnade ſeines Vaters zu unterwerfen. Er verſicherte ihn zugleich, daß es kein Fuͤrſt in Europa wagen wuͤrde, ſich des Czars Zorn zuzuziehen und ihn zu ſchuͤtzen.
Zu eben der Zeit hatten mir meine Freunde beyDer Capitaͤn darf die Ruf- fiſchen Dien- ſte nicht ver- laſſen. des General Gersdorfs Regimente unter der Preuſſi- ſchen Armee eine Compagnie verſchafft, wenn ich mei- nen Abſchied bey den Ruſſen bekommen koͤnnte. Da ich aber eine Compagnie bey der Artillerie unter dem General Bruce hatte, und Adjutant des Generals
Weyde
N 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0209"n="199"/>
unter gekommen waͤren, daß ſie ihr Feld aus Mangel<lb/>
des Viehes und des Saamens nicht mehr bauen koͤnn-<lb/>
ten, nahm ich viele von dieſen armen Familien in<lb/>
Dienſte. Jhre Noth und ihr Elend waren nicht zu<lb/>
beſchreiben, welches auch viele Fuͤrſten im Reiche be-<lb/>
wog, daß ſie ihrentwegen den Czar ernſtlich erſuchten,<lb/>ſeine Truppen weg zu ziehen, welches auch kurz dar-<lb/>
auf bewilliget wurde, und die Sache endigte ſich end-<lb/>
lich mit dem gaͤnzlichen Verderben des Herzogs, denn<lb/>ſein Land wurde ſequeſtrirt, und er mußte viele Jahre<lb/>
in Danzig als ein Verbanneter leben.</p><lb/><p>Als wir nach Daͤnnemark abgiengen, bekam der<noteplace="right">Flucht des<lb/>
Czarowitz.</note><lb/>
Czarowitz ausdruͤcklichen Befehl von ſeinem Vater,<lb/>
ihn zu begleiten; er machte ſich aber, anſtatt zu gehor-<lb/>
chen, lieber davon, und verbarg ſich, ſo daß niemand<lb/>
etwas von ihm wußte. Es wurden daher Bothen<lb/>
durch ganz Europa geſchickt ihn aufzuſuchen, und er<lb/>
wurde endlich von dem Capitaͤn der Garde, Ro-<lb/>
manzof, zu Neapel entdeckt. Der Capitaͤn gab dem<lb/>
Grafen Tolſtoi, unſerm Geſandten in Wien, von die-<lb/>ſer Entdeckung Nachricht, worauf der Graf zu ihm<lb/>
nach Neapel gieng, und ihn endlich beredete, nach<lb/>
Moskau zu gehen und ſich der Gnade ſeines Vaters zu<lb/>
unterwerfen. Er verſicherte ihn zugleich, daß es kein<lb/>
Fuͤrſt in Europa wagen wuͤrde, ſich des Czars Zorn<lb/>
zuzuziehen und ihn zu ſchuͤtzen.</p><lb/><p>Zu eben der Zeit hatten mir meine Freunde bey<noteplace="right">Der Capitaͤn<lb/>
darf die Ruf-<lb/>
fiſchen Dien-<lb/>ſte nicht ver-<lb/>
laſſen.</note><lb/>
des General Gersdorfs Regimente unter der Preuſſi-<lb/>ſchen Armee eine Compagnie verſchafft, wenn ich mei-<lb/>
nen Abſchied bey den Ruſſen bekommen koͤnnte. Da<lb/>
ich aber eine Compagnie bey der Artillerie unter dem<lb/>
General Bruce hatte, und Adjutant des Generals<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Weyde</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[199/0209]
unter gekommen waͤren, daß ſie ihr Feld aus Mangel
des Viehes und des Saamens nicht mehr bauen koͤnn-
ten, nahm ich viele von dieſen armen Familien in
Dienſte. Jhre Noth und ihr Elend waren nicht zu
beſchreiben, welches auch viele Fuͤrſten im Reiche be-
wog, daß ſie ihrentwegen den Czar ernſtlich erſuchten,
ſeine Truppen weg zu ziehen, welches auch kurz dar-
auf bewilliget wurde, und die Sache endigte ſich end-
lich mit dem gaͤnzlichen Verderben des Herzogs, denn
ſein Land wurde ſequeſtrirt, und er mußte viele Jahre
in Danzig als ein Verbanneter leben.
Als wir nach Daͤnnemark abgiengen, bekam der
Czarowitz ausdruͤcklichen Befehl von ſeinem Vater,
ihn zu begleiten; er machte ſich aber, anſtatt zu gehor-
chen, lieber davon, und verbarg ſich, ſo daß niemand
etwas von ihm wußte. Es wurden daher Bothen
durch ganz Europa geſchickt ihn aufzuſuchen, und er
wurde endlich von dem Capitaͤn der Garde, Ro-
manzof, zu Neapel entdeckt. Der Capitaͤn gab dem
Grafen Tolſtoi, unſerm Geſandten in Wien, von die-
ſer Entdeckung Nachricht, worauf der Graf zu ihm
nach Neapel gieng, und ihn endlich beredete, nach
Moskau zu gehen und ſich der Gnade ſeines Vaters zu
unterwerfen. Er verſicherte ihn zugleich, daß es kein
Fuͤrſt in Europa wagen wuͤrde, ſich des Czars Zorn
zuzuziehen und ihn zu ſchuͤtzen.
Flucht des
Czarowitz.
Zu eben der Zeit hatten mir meine Freunde bey
des General Gersdorfs Regimente unter der Preuſſi-
ſchen Armee eine Compagnie verſchafft, wenn ich mei-
nen Abſchied bey den Ruſſen bekommen koͤnnte. Da
ich aber eine Compagnie bey der Artillerie unter dem
General Bruce hatte, und Adjutant des Generals
Weyde
Der Capitaͤn
darf die Ruf-
fiſchen Dien-
ſte nicht ver-
laſſen.
N 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/209>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.