Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

dahin kam, hörte und sahe ich nichts von Truppen.
Jch begab mich daher zu unserm Restdenten nach
Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anstatt
etwas von Kreistruppen, die sich wider uns zusammen
zögen, zu vernehmen, wurde gesagt, daß unsre Ar-
mee einen Einfall ins Churfürstenthum Hannover
thun wollte. Dieses falsche Gerücht setzte die Hanno-
veraner in ein solches Schrecken, daß viele vermögende
Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere sich-
re Oerter schafften, um sie daselbst in Sicherheit zu
bringen. Dieses Gerücht rührte indessen daher, daß
wir bey Gadebusch ein Lager aufgeschlagen hatten,
und uns also auf beyden Seiten ohne die geringste
Ursache fürchteten. Nachdem ich nach Güstrow zu-
rück gekommen war und erzählet hatte, was vorge-
gangen war, wurde ich sogleich in unser Lager mit dem
Befehl abgeschickt, daß unsere Armee wieder aufbre-
chen und in ihre Quartiere zurück gehen sollte. Als
dieses falsche Schrecken vorüber war, beruhigte sich
auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen
Mecklenburgischen Unterthanen wurden auf Befehl
ihres unbarmherzigen Herzogs von unsern Truppen
täglich immer mehr gequälet, welches denn machte,
daß viele Bittschriften von adelichen und andern
Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem
elenden Zustande Mitleiden zu haben. Sie hatte
auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den
Herzog nicht bewegen, ihnen die geringste Gnade wi-
derfahren zu lassen. Sie entschloß sich hierauf, ei-
nen Expressen an den Czar abzuschicken, für das arme
Volk zu bitten, und ihm einige Beschwerden, die sie
selbst betrafen, vorzutragen. Da sie nun keinen von

ihren

dahin kam, hoͤrte und ſahe ich nichts von Truppen.
Jch begab mich daher zu unſerm Reſtdenten nach
Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anſtatt
etwas von Kreistruppen, die ſich wider uns zuſammen
zoͤgen, zu vernehmen, wurde geſagt, daß unſre Ar-
mee einen Einfall ins Churfuͤrſtenthum Hannover
thun wollte. Dieſes falſche Geruͤcht ſetzte die Hanno-
veraner in ein ſolches Schrecken, daß viele vermoͤgende
Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere ſich-
re Oerter ſchafften, um ſie daſelbſt in Sicherheit zu
bringen. Dieſes Geruͤcht ruͤhrte indeſſen daher, daß
wir bey Gadebuſch ein Lager aufgeſchlagen hatten,
und uns alſo auf beyden Seiten ohne die geringſte
Urſache fuͤrchteten. Nachdem ich nach Guͤſtrow zu-
ruͤck gekommen war und erzaͤhlet hatte, was vorge-
gangen war, wurde ich ſogleich in unſer Lager mit dem
Befehl abgeſchickt, daß unſere Armee wieder aufbre-
chen und in ihre Quartiere zuruͤck gehen ſollte. Als
dieſes falſche Schrecken voruͤber war, beruhigte ſich
auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen
Mecklenburgiſchen Unterthanen wurden auf Befehl
ihres unbarmherzigen Herzogs von unſern Truppen
taͤglich immer mehr gequaͤlet, welches denn machte,
daß viele Bittſchriften von adelichen und andern
Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem
elenden Zuſtande Mitleiden zu haben. Sie hatte
auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den
Herzog nicht bewegen, ihnen die geringſte Gnade wi-
derfahren zu laſſen. Sie entſchloß ſich hierauf, ei-
nen Expreſſen an den Czar abzuſchicken, fuͤr das arme
Volk zu bitten, und ihm einige Beſchwerden, die ſie
ſelbſt betrafen, vorzutragen. Da ſie nun keinen von

ihren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="196"/>
dahin kam, ho&#x0364;rte und &#x017F;ahe ich nichts von Truppen.<lb/>
Jch begab mich daher zu un&#x017F;erm Re&#x017F;tdenten nach<lb/>
Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, an&#x017F;tatt<lb/>
etwas von Kreistruppen, die &#x017F;ich wider uns zu&#x017F;ammen<lb/>
zo&#x0364;gen, zu vernehmen, wurde ge&#x017F;agt, daß un&#x017F;re Ar-<lb/>
mee einen Einfall ins Churfu&#x0364;r&#x017F;tenthum Hannover<lb/>
thun wollte. Die&#x017F;es fal&#x017F;che Geru&#x0364;cht &#x017F;etzte die Hanno-<lb/>
veraner in ein &#x017F;olches Schrecken, daß viele vermo&#x0364;gende<lb/>
Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere &#x017F;ich-<lb/>
re Oerter &#x017F;chafften, um &#x017F;ie da&#x017F;elb&#x017F;t in Sicherheit zu<lb/>
bringen. Die&#x017F;es Geru&#x0364;cht ru&#x0364;hrte inde&#x017F;&#x017F;en daher, daß<lb/>
wir bey Gadebu&#x017F;ch ein Lager aufge&#x017F;chlagen hatten,<lb/>
und uns al&#x017F;o auf beyden Seiten ohne die gering&#x017F;te<lb/>
Ur&#x017F;ache fu&#x0364;rchteten. Nachdem ich nach Gu&#x0364;&#x017F;trow zu-<lb/>
ru&#x0364;ck gekommen war und erza&#x0364;hlet hatte, was vorge-<lb/>
gangen war, wurde ich &#x017F;ogleich in un&#x017F;er Lager mit dem<lb/>
Befehl abge&#x017F;chickt, daß un&#x017F;ere Armee wieder aufbre-<lb/>
chen und in ihre Quartiere zuru&#x0364;ck gehen &#x017F;ollte. Als<lb/>
die&#x017F;es fal&#x017F;che Schrecken voru&#x0364;ber war, beruhigte &#x017F;ich<lb/>
auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen<lb/>
Mecklenburgi&#x017F;chen Unterthanen wurden auf Befehl<lb/>
ihres unbarmherzigen Herzogs von un&#x017F;ern Truppen<lb/>
ta&#x0364;glich immer mehr gequa&#x0364;let, welches denn machte,<lb/>
daß viele Bitt&#x017F;chriften von adelichen und andern<lb/>
Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem<lb/>
elenden Zu&#x017F;tande Mitleiden zu haben. Sie hatte<lb/>
auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den<lb/>
Herzog nicht bewegen, ihnen die gering&#x017F;te Gnade wi-<lb/>
derfahren zu la&#x017F;&#x017F;en. Sie ent&#x017F;chloß &#x017F;ich hierauf, ei-<lb/>
nen Expre&#x017F;&#x017F;en an den Czar abzu&#x017F;chicken, fu&#x0364;r das arme<lb/>
Volk zu bitten, und ihm einige Be&#x017F;chwerden, die &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t betrafen, vorzutragen. Da &#x017F;ie nun keinen von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0206] dahin kam, hoͤrte und ſahe ich nichts von Truppen. Jch begab mich daher zu unſerm Reſtdenten nach Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anſtatt etwas von Kreistruppen, die ſich wider uns zuſammen zoͤgen, zu vernehmen, wurde geſagt, daß unſre Ar- mee einen Einfall ins Churfuͤrſtenthum Hannover thun wollte. Dieſes falſche Geruͤcht ſetzte die Hanno- veraner in ein ſolches Schrecken, daß viele vermoͤgende Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere ſich- re Oerter ſchafften, um ſie daſelbſt in Sicherheit zu bringen. Dieſes Geruͤcht ruͤhrte indeſſen daher, daß wir bey Gadebuſch ein Lager aufgeſchlagen hatten, und uns alſo auf beyden Seiten ohne die geringſte Urſache fuͤrchteten. Nachdem ich nach Guͤſtrow zu- ruͤck gekommen war und erzaͤhlet hatte, was vorge- gangen war, wurde ich ſogleich in unſer Lager mit dem Befehl abgeſchickt, daß unſere Armee wieder aufbre- chen und in ihre Quartiere zuruͤck gehen ſollte. Als dieſes falſche Schrecken voruͤber war, beruhigte ſich auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen Mecklenburgiſchen Unterthanen wurden auf Befehl ihres unbarmherzigen Herzogs von unſern Truppen taͤglich immer mehr gequaͤlet, welches denn machte, daß viele Bittſchriften von adelichen und andern Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem elenden Zuſtande Mitleiden zu haben. Sie hatte auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den Herzog nicht bewegen, ihnen die geringſte Gnade wi- derfahren zu laſſen. Sie entſchloß ſich hierauf, ei- nen Expreſſen an den Czar abzuſchicken, fuͤr das arme Volk zu bitten, und ihm einige Beſchwerden, die ſie ſelbſt betrafen, vorzutragen. Da ſie nun keinen von ihren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/206
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/206>, abgerufen am 24.11.2024.