welches für kein Geld zu haben war. Der Czar gab daher Befehl, daß zehn von seinen Galeeren zer- hauen, und unter die Flotte vertheilet wurden.
Als wir uns in Kopenhagen befanden, begegneteGeschichte des General- lieutenants Bohn. einem Generallieutenant in unsern Diensten, welcher Bohn hieß, etwas, das ich nicht unerwähnt lassen kann. Er war auf der Jnsel Bornholm geboren, wo sein Vater Prediger gewesen war, und seine Mut- ter als eine arme Wittwe hinterlassen hatte. Als diese jetzo hörte, daß ihr Sohn in Kopenhagen und in russischen Diensten General sey, so kam sie, ihn zu besuchen, erhielt aber von seinen Bedienten die Ant- wort, daß er nicht zu Hause sey. Sie bat seine Be- dienten, ihm zu sagen, daß sie seine Mutter sey, und in der Absicht ihn zu besuchen von Bornholm gekom- men sey, und daß sie künftigen Morgen wieder kom- men wolle. Bey dieser Nachricht wurde der Gene- ral sehr böse, und sagte, daß seine Mutter schon vor vielen Jahren todt sey, und daß dieses eine andere ar- me oder unsinnige Person seyn müsse, und befahl sei- nem Adjutanten, wenn sie wieder käme, ihr 10 Du- caten zu geben, und sie fort zu schicken, damit sie ihn nicht ferner beunruhigen möchte. Die Mutter kam den andern Morgen, und der Adjutant that, was ihm befohlen war, und bot ihr 10 Ducaten, als ein Almo- sen, an. Allein sie warf sie mit Verachtung auf die Er- de, und sagte mit thränenden Augen, sie sey nicht ge- kommen um ein Allmosen zu bitten, sondern ihren Sohn zu sehen; und da er seine Mutter verleugnen und ver- achten könne, so wolle sie gehen, wo sie hergekommen sey, und ihn nicht weiter beunruhigen. Dieses mach- te einen solchen Lärm in der Stadt, daß es die Czarinn
erfuhr.
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welches fuͤr kein Geld zu haben war. Der Czar gab daher Befehl, daß zehn von ſeinen Galeeren zer- hauen, und unter die Flotte vertheilet wurden.
Als wir uns in Kopenhagen befanden, begegneteGeſchichte des General- lieutenants Bohn. einem Generallieutenant in unſern Dienſten, welcher Bohn hieß, etwas, das ich nicht unerwaͤhnt laſſen kann. Er war auf der Jnſel Bornholm geboren, wo ſein Vater Prediger geweſen war, und ſeine Mut- ter als eine arme Wittwe hinterlaſſen hatte. Als dieſe jetzo hoͤrte, daß ihr Sohn in Kopenhagen und in ruſſiſchen Dienſten General ſey, ſo kam ſie, ihn zu beſuchen, erhielt aber von ſeinen Bedienten die Ant- wort, daß er nicht zu Hauſe ſey. Sie bat ſeine Be- dienten, ihm zu ſagen, daß ſie ſeine Mutter ſey, und in der Abſicht ihn zu beſuchen von Bornholm gekom- men ſey, und daß ſie kuͤnftigen Morgen wieder kom- men wolle. Bey dieſer Nachricht wurde der Gene- ral ſehr boͤſe, und ſagte, daß ſeine Mutter ſchon vor vielen Jahren todt ſey, und daß dieſes eine andere ar- me oder unſinnige Perſon ſeyn muͤſſe, und befahl ſei- nem Adjutanten, wenn ſie wieder kaͤme, ihr 10 Du- caten zu geben, und ſie fort zu ſchicken, damit ſie ihn nicht ferner beunruhigen moͤchte. Die Mutter kam den andern Morgen, und der Adjutant that, was ihm befohlen war, und bot ihr 10 Ducaten, als ein Almo- ſen, an. Allein ſie warf ſie mit Verachtung auf die Er- de, und ſagte mit thraͤnenden Augen, ſie ſey nicht ge- kommen um ein Allmoſen zu bitten, ſondern ihren Sohn zu ſehen; und da er ſeine Mutter verleugnen und ver- achten koͤnne, ſo wolle ſie gehen, wo ſie hergekommen ſey, und ihn nicht weiter beunruhigen. Dieſes mach- te einen ſolchen Laͤrm in der Stadt, daß es die Czarinn
erfuhr.
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welches fuͤr kein Geld zu haben war. Der Czar gab
daher Befehl, daß zehn von ſeinen Galeeren zer-
hauen, und unter die Flotte vertheilet wurden.
Als wir uns in Kopenhagen befanden, begegnete
einem Generallieutenant in unſern Dienſten, welcher
Bohn hieß, etwas, das ich nicht unerwaͤhnt laſſen
kann. Er war auf der Jnſel Bornholm geboren,
wo ſein Vater Prediger geweſen war, und ſeine Mut-
ter als eine arme Wittwe hinterlaſſen hatte. Als
dieſe jetzo hoͤrte, daß ihr Sohn in Kopenhagen und
in ruſſiſchen Dienſten General ſey, ſo kam ſie, ihn zu
beſuchen, erhielt aber von ſeinen Bedienten die Ant-
wort, daß er nicht zu Hauſe ſey. Sie bat ſeine Be-
dienten, ihm zu ſagen, daß ſie ſeine Mutter ſey, und
in der Abſicht ihn zu beſuchen von Bornholm gekom-
men ſey, und daß ſie kuͤnftigen Morgen wieder kom-
men wolle. Bey dieſer Nachricht wurde der Gene-
ral ſehr boͤſe, und ſagte, daß ſeine Mutter ſchon vor
vielen Jahren todt ſey, und daß dieſes eine andere ar-
me oder unſinnige Perſon ſeyn muͤſſe, und befahl ſei-
nem Adjutanten, wenn ſie wieder kaͤme, ihr 10 Du-
caten zu geben, und ſie fort zu ſchicken, damit ſie ihn
nicht ferner beunruhigen moͤchte. Die Mutter kam
den andern Morgen, und der Adjutant that, was ihm
befohlen war, und bot ihr 10 Ducaten, als ein Almo-
ſen, an. Allein ſie warf ſie mit Verachtung auf die Er-
de, und ſagte mit thraͤnenden Augen, ſie ſey nicht ge-
kommen um ein Allmoſen zu bitten, ſondern ihren Sohn
zu ſehen; und da er ſeine Mutter verleugnen und ver-
achten koͤnne, ſo wolle ſie gehen, wo ſie hergekommen
ſey, und ihn nicht weiter beunruhigen. Dieſes mach-
te einen ſolchen Laͤrm in der Stadt, daß es die Czarinn
erfuhr.
Geſchichte
des General-
lieutenants
Bohn.
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/203>, abgerufen am 24.11.2024.
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