den Strick von seinen Händen los schneiden, welches das Kind auch that. Da der Vater also los war, so nahm er seinen kleinen Sohn auf seine Arme, gieng durch die Flammen durch, und begab sich sogleich in den bedeck- ten Weg der Stadt, damit einige von den Mördern, die noch in der Nähe lauren könnten, ihn nicht entde- cken möchten. Als das Haus und die Nebengebäude in Flammen standen, ließ der Gouverneur die Thore öffnen, und schickte einige Mannschaft hinaus, zu ret- ten, was sie aus dem Feuer retten könnten; es war aber, ehe sie dahin kommen konnten, schon alles nie- der gebrannt, so daß der Plan der Mörder so gut ausgesonnen war, daß ihre Bosheit, wenn das Kind und der Vater nicht so wunderbarer Weise wären er- halten worden, vielleicht noch jetzt verborgen seyn wür- de. Der Wirth entdeckte sich dem Officier, der die- ses Commando anführte, und bat, daß er in geheim zum Gouverneur gebracht werden möchte, dem er sei- ne ganze schreckliche Scene entdeckte, und der auch so gleich Befehl gab, daß alle Personen, die diesen Mor- gen in die Stadt kommen würden, in Verhaft ge- nommen und untersucht werden sollten. Durch die- se Vorsicht wurden die Mörder, die sich von aller Ent- deckung frey zu seyn glaubten, da aller Beweis im Feuer verbrannt sey, als sie in die Stadt giengen, sämmtlich eingezogen.
Den 16ten April reisete ich von Riga ab, gieng über Mietau und Polangen, und kam den 24sten in Memel an, nachdem ich diesen ganzen Weg in Wagen gemacht hatte. Von hier gieng ich zu Was- ser nach Staken, fuhr über das Curische Haf, wel- ches 15 deutsche Meilen lang ist, nach Königsberg,
wo
den Strick von ſeinen Haͤnden los ſchneiden, welches das Kind auch that. Da der Vater alſo los war, ſo nahm er ſeinen kleinen Sohn auf ſeine Arme, gieng durch die Flammen durch, und begab ſich ſogleich in den bedeck- ten Weg der Stadt, damit einige von den Moͤrdern, die noch in der Naͤhe lauren koͤnnten, ihn nicht entde- cken moͤchten. Als das Haus und die Nebengebaͤude in Flammen ſtanden, ließ der Gouverneur die Thore oͤffnen, und ſchickte einige Mannſchaft hinaus, zu ret- ten, was ſie aus dem Feuer retten koͤnnten; es war aber, ehe ſie dahin kommen konnten, ſchon alles nie- der gebrannt, ſo daß der Plan der Moͤrder ſo gut ausgeſonnen war, daß ihre Bosheit, wenn das Kind und der Vater nicht ſo wunderbarer Weiſe waͤren er- halten worden, vielleicht noch jetzt verborgen ſeyn wuͤr- de. Der Wirth entdeckte ſich dem Officier, der die- ſes Commando anfuͤhrte, und bat, daß er in geheim zum Gouverneur gebracht werden moͤchte, dem er ſei- ne ganze ſchreckliche Scene entdeckte, und der auch ſo gleich Befehl gab, daß alle Perſonen, die dieſen Mor- gen in die Stadt kommen wuͤrden, in Verhaft ge- nommen und unterſucht werden ſollten. Durch die- ſe Vorſicht wurden die Moͤrder, die ſich von aller Ent- deckung frey zu ſeyn glaubten, da aller Beweis im Feuer verbrannt ſey, als ſie in die Stadt giengen, ſaͤmmtlich eingezogen.
Den 16ten April reiſete ich von Riga ab, gieng uͤber Mietau und Polangen, und kam den 24ſten in Memel an, nachdem ich dieſen ganzen Weg in Wagen gemacht hatte. Von hier gieng ich zu Waſ- ſer nach Staken, fuhr uͤber das Curiſche Haf, wel- ches 15 deutſche Meilen lang iſt, nach Koͤnigsberg,
wo
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="182"/>
den Strick von ſeinen Haͤnden los ſchneiden, welches das<lb/>
Kind auch that. Da der Vater alſo los war, ſo nahm<lb/>
er ſeinen kleinen Sohn auf ſeine Arme, gieng durch die<lb/>
Flammen durch, und begab ſich ſogleich in den bedeck-<lb/>
ten Weg der Stadt, damit einige von den Moͤrdern,<lb/>
die noch in der Naͤhe lauren koͤnnten, ihn nicht entde-<lb/>
cken moͤchten. Als das Haus und die Nebengebaͤude<lb/>
in Flammen ſtanden, ließ der Gouverneur die Thore<lb/>
oͤffnen, und ſchickte einige Mannſchaft hinaus, zu ret-<lb/>
ten, was ſie aus dem Feuer retten koͤnnten; es war<lb/>
aber, ehe ſie dahin kommen konnten, ſchon alles nie-<lb/>
der gebrannt, ſo daß der Plan der Moͤrder ſo gut<lb/>
ausgeſonnen war, daß ihre Bosheit, wenn das Kind<lb/>
und der Vater nicht ſo wunderbarer Weiſe waͤren er-<lb/>
halten worden, vielleicht noch jetzt verborgen ſeyn wuͤr-<lb/>
de. Der Wirth entdeckte ſich dem Officier, der die-<lb/>ſes Commando anfuͤhrte, und bat, daß er in geheim<lb/>
zum Gouverneur gebracht werden moͤchte, dem er ſei-<lb/>
ne ganze ſchreckliche Scene entdeckte, und der auch ſo<lb/>
gleich Befehl gab, daß alle Perſonen, die dieſen Mor-<lb/>
gen in die Stadt kommen wuͤrden, in Verhaft ge-<lb/>
nommen und unterſucht werden ſollten. Durch die-<lb/>ſe Vorſicht wurden die Moͤrder, die ſich von aller Ent-<lb/>
deckung frey zu ſeyn glaubten, da aller Beweis im<lb/>
Feuer verbrannt ſey, als ſie in die Stadt giengen,<lb/>ſaͤmmtlich eingezogen.</p><lb/><p>Den 16ten April reiſete ich von Riga ab, gieng<lb/>
uͤber Mietau und Polangen, und kam den 24ſten<lb/>
in Memel an, nachdem ich dieſen ganzen Weg in<lb/>
Wagen gemacht hatte. Von hier gieng ich zu Waſ-<lb/>ſer nach Staken, fuhr uͤber das Curiſche Haf, wel-<lb/>
ches 15 deutſche Meilen lang iſt, nach Koͤnigsberg,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wo</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0192]
den Strick von ſeinen Haͤnden los ſchneiden, welches das
Kind auch that. Da der Vater alſo los war, ſo nahm
er ſeinen kleinen Sohn auf ſeine Arme, gieng durch die
Flammen durch, und begab ſich ſogleich in den bedeck-
ten Weg der Stadt, damit einige von den Moͤrdern,
die noch in der Naͤhe lauren koͤnnten, ihn nicht entde-
cken moͤchten. Als das Haus und die Nebengebaͤude
in Flammen ſtanden, ließ der Gouverneur die Thore
oͤffnen, und ſchickte einige Mannſchaft hinaus, zu ret-
ten, was ſie aus dem Feuer retten koͤnnten; es war
aber, ehe ſie dahin kommen konnten, ſchon alles nie-
der gebrannt, ſo daß der Plan der Moͤrder ſo gut
ausgeſonnen war, daß ihre Bosheit, wenn das Kind
und der Vater nicht ſo wunderbarer Weiſe waͤren er-
halten worden, vielleicht noch jetzt verborgen ſeyn wuͤr-
de. Der Wirth entdeckte ſich dem Officier, der die-
ſes Commando anfuͤhrte, und bat, daß er in geheim
zum Gouverneur gebracht werden moͤchte, dem er ſei-
ne ganze ſchreckliche Scene entdeckte, und der auch ſo
gleich Befehl gab, daß alle Perſonen, die dieſen Mor-
gen in die Stadt kommen wuͤrden, in Verhaft ge-
nommen und unterſucht werden ſollten. Durch die-
ſe Vorſicht wurden die Moͤrder, die ſich von aller Ent-
deckung frey zu ſeyn glaubten, da aller Beweis im
Feuer verbrannt ſey, als ſie in die Stadt giengen,
ſaͤmmtlich eingezogen.
Den 16ten April reiſete ich von Riga ab, gieng
uͤber Mietau und Polangen, und kam den 24ſten
in Memel an, nachdem ich dieſen ganzen Weg in
Wagen gemacht hatte. Von hier gieng ich zu Waſ-
ſer nach Staken, fuhr uͤber das Curiſche Haf, wel-
ches 15 deutſche Meilen lang iſt, nach Koͤnigsberg,
wo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/192>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.