ihrer Vorfahren abgeleget haben, sehr vergnügt, klei- den sich nach der französischen Mode, und gehen viel freyer als vorher mit einander um. Da auch dem Frauenzimmer in Gesellschaft alle Freyheit erlaubt ist, so leben sie in einem immerwährenden Vergnügen und Ergötzen, bringen das Meiste von ihrer Zeit auf Bäl- len und bey Gastmählern zu, und laden einander wechselsweise in ihre Häuser ein. Da sie von ihren Ehemännern, die meistens auswärtige Geschäfte ha- ben, allein gelassen wurden, so nahmen die Damen Schwedische Officiers, die bey Pultawa waren ge- fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus- hofmeister, andere als Hofmeister für ihre Kinder, und andere als Musik- und Tanzmeister, so daß endlich alle ihre Bälle aus Schwedischen Herren und andern Ausländern, denen sie sehr gewogen waren, bestanden.
Beschrei- bung der Frauenzim- mer.
Die Russischen Frauenzimmer sind von mittel- mäßiger Statur; die meisten sind wohl proportioniret, und könnten in jedem Theile von Europa für schön gehalten werden. Jhre Gesichter wären auch nicht zu verachten, wenn sie nur nicht die häßliche Gewohnheit hätten, sich zu schminken, welches sie in solcher Ue- bermaaße thun, daß man sicher sagen kann, daß sie sich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre Schönheit zu verbergen.
Unterhal- tung des ge- meinen Volks.
Was den Mittelstand des Volkes betrifft, so be- halten sie noch viel von ihrer alten Lebensart bey. Bey ihren Gastmahlen erscheinen bloße Mannsperso- nen. Der Herr des Hauses wartet seinen Gästen auf, bis der Nachtisch vom Gebackenen aufgesetzt wird, da er sich denn zu ihnen setzt, und sein mög-
lichstes
ihrer Vorfahren abgeleget haben, ſehr vergnuͤgt, klei- den ſich nach der franzoͤſiſchen Mode, und gehen viel freyer als vorher mit einander um. Da auch dem Frauenzimmer in Geſellſchaft alle Freyheit erlaubt iſt, ſo leben ſie in einem immerwaͤhrenden Vergnuͤgen und Ergoͤtzen, bringen das Meiſte von ihrer Zeit auf Baͤl- len und bey Gaſtmaͤhlern zu, und laden einander wechſelsweiſe in ihre Haͤuſer ein. Da ſie von ihren Ehemaͤnnern, die meiſtens auswaͤrtige Geſchaͤfte ha- ben, allein gelaſſen wurden, ſo nahmen die Damen Schwediſche Officiers, die bey Pultawa waren ge- fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus- hofmeiſter, andere als Hofmeiſter fuͤr ihre Kinder, und andere als Muſik- und Tanzmeiſter, ſo daß endlich alle ihre Baͤlle aus Schwediſchen Herren und andern Auslaͤndern, denen ſie ſehr gewogen waren, beſtanden.
Beſchrei- bung der Frauenzim- mer.
Die Ruſſiſchen Frauenzimmer ſind von mittel- maͤßiger Statur; die meiſten ſind wohl proportioniret, und koͤnnten in jedem Theile von Europa fuͤr ſchoͤn gehalten werden. Jhre Geſichter waͤren auch nicht zu verachten, wenn ſie nur nicht die haͤßliche Gewohnheit haͤtten, ſich zu ſchminken, welches ſie in ſolcher Ue- bermaaße thun, daß man ſicher ſagen kann, daß ſie ſich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre Schoͤnheit zu verbergen.
Unterhal- tung des ge- meinen Volks.
Was den Mittelſtand des Volkes betrifft, ſo be- halten ſie noch viel von ihrer alten Lebensart bey. Bey ihren Gaſtmahlen erſcheinen bloße Mannsperſo- nen. Der Herr des Hauſes wartet ſeinen Gaͤſten auf, bis der Nachtiſch vom Gebackenen aufgeſetzt wird, da er ſich denn zu ihnen ſetzt, und ſein moͤg-
lichſtes
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0108"n="98"/>
ihrer Vorfahren abgeleget haben, ſehr vergnuͤgt, klei-<lb/>
den ſich nach der franzoͤſiſchen Mode, und gehen viel<lb/>
freyer als vorher mit einander um. Da auch dem<lb/>
Frauenzimmer in Geſellſchaft alle Freyheit erlaubt iſt,<lb/>ſo leben ſie in einem immerwaͤhrenden Vergnuͤgen und<lb/>
Ergoͤtzen, bringen das Meiſte von ihrer Zeit auf Baͤl-<lb/>
len und bey Gaſtmaͤhlern zu, und laden einander<lb/>
wechſelsweiſe in ihre Haͤuſer ein. Da ſie von ihren<lb/>
Ehemaͤnnern, die meiſtens auswaͤrtige Geſchaͤfte ha-<lb/>
ben, allein gelaſſen wurden, ſo nahmen die Damen<lb/>
Schwediſche Officiers, die bey Pultawa waren ge-<lb/>
fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus-<lb/>
hofmeiſter, andere als Hofmeiſter fuͤr ihre Kinder,<lb/>
und andere als Muſik- und Tanzmeiſter, ſo daß<lb/>
endlich alle ihre Baͤlle aus Schwediſchen Herren und<lb/>
andern Auslaͤndern, denen ſie ſehr gewogen waren,<lb/>
beſtanden.</p><lb/><noteplace="left">Beſchrei-<lb/>
bung der<lb/>
Frauenzim-<lb/>
mer.</note><p>Die Ruſſiſchen Frauenzimmer ſind von mittel-<lb/>
maͤßiger Statur; die meiſten ſind wohl proportioniret,<lb/>
und koͤnnten in jedem Theile von Europa fuͤr ſchoͤn<lb/>
gehalten werden. Jhre Geſichter waͤren auch nicht zu<lb/>
verachten, wenn ſie nur nicht die haͤßliche Gewohnheit<lb/>
haͤtten, ſich zu ſchminken, welches ſie in ſolcher Ue-<lb/>
bermaaße thun, daß man ſicher ſagen kann, daß ſie<lb/>ſich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre<lb/>
Schoͤnheit zu verbergen.</p><lb/><noteplace="left">Unterhal-<lb/>
tung des ge-<lb/>
meinen<lb/>
Volks.</note><p>Was den Mittelſtand des Volkes betrifft, ſo be-<lb/>
halten ſie noch viel von ihrer alten Lebensart bey.<lb/>
Bey ihren Gaſtmahlen erſcheinen bloße Mannsperſo-<lb/>
nen. Der Herr des Hauſes wartet ſeinen Gaͤſten<lb/>
auf, bis der Nachtiſch vom Gebackenen aufgeſetzt<lb/>
wird, da er ſich denn zu ihnen ſetzt, und ſein moͤg-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lichſtes</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0108]
ihrer Vorfahren abgeleget haben, ſehr vergnuͤgt, klei-
den ſich nach der franzoͤſiſchen Mode, und gehen viel
freyer als vorher mit einander um. Da auch dem
Frauenzimmer in Geſellſchaft alle Freyheit erlaubt iſt,
ſo leben ſie in einem immerwaͤhrenden Vergnuͤgen und
Ergoͤtzen, bringen das Meiſte von ihrer Zeit auf Baͤl-
len und bey Gaſtmaͤhlern zu, und laden einander
wechſelsweiſe in ihre Haͤuſer ein. Da ſie von ihren
Ehemaͤnnern, die meiſtens auswaͤrtige Geſchaͤfte ha-
ben, allein gelaſſen wurden, ſo nahmen die Damen
Schwediſche Officiers, die bey Pultawa waren ge-
fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus-
hofmeiſter, andere als Hofmeiſter fuͤr ihre Kinder,
und andere als Muſik- und Tanzmeiſter, ſo daß
endlich alle ihre Baͤlle aus Schwediſchen Herren und
andern Auslaͤndern, denen ſie ſehr gewogen waren,
beſtanden.
Die Ruſſiſchen Frauenzimmer ſind von mittel-
maͤßiger Statur; die meiſten ſind wohl proportioniret,
und koͤnnten in jedem Theile von Europa fuͤr ſchoͤn
gehalten werden. Jhre Geſichter waͤren auch nicht zu
verachten, wenn ſie nur nicht die haͤßliche Gewohnheit
haͤtten, ſich zu ſchminken, welches ſie in ſolcher Ue-
bermaaße thun, daß man ſicher ſagen kann, daß ſie
ſich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre
Schoͤnheit zu verbergen.
Was den Mittelſtand des Volkes betrifft, ſo be-
halten ſie noch viel von ihrer alten Lebensart bey.
Bey ihren Gaſtmahlen erſcheinen bloße Mannsperſo-
nen. Der Herr des Hauſes wartet ſeinen Gaͤſten
auf, bis der Nachtiſch vom Gebackenen aufgeſetzt
wird, da er ſich denn zu ihnen ſetzt, und ſein moͤg-
lichſtes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/108>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.