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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Anleitung

Nun verlanget er dieselben, die er einmal mir befoh-
len,

Ob mein Sterben mir bekannt, oder ob es mir verho-
len.

B. "Wenn ich aber gleichwohl wüßte,
"Daß ich morgen sterben müßte;
"Würd' ich unaufhörlich beten, vor der heilgen Him-
melsspeise

"Wollt ich mich zur Erden werfen, und sodann auf diese
Weise
"Meinem Seelenbräutigam meine Seele überge-
ben."

A. So gedenkest du, und zwar fromm genug, wie du
vermeynst;

Aber da Gott, welcher weis, daß du morgen schon dein
Leben

Mit dem Tode wechseln wirst, dir dergleichen nicht be-
fiehlt,

Aber dir befohlen hat, deines Amts und Lebens Pflich-
ten

Jn der Liebe deines Nächsten und der deinen zu ver-
richten,

Frag' ich, welche Zubereitung, die auf unser Sterben
zielt,

Man wohl für die beste hielt,
Das zu thun, wozu die Furcht für den Tod uns etwan
treibet,

Auch vielleicht das, was in uns selbst gemachte Andacht
gläubet,
Oder

Anleitung

Nun verlanget er dieſelben, die er einmal mir befoh-
len,

Ob mein Sterben mir bekannt, oder ob es mir verho-
len.

B. „Wenn ich aber gleichwohl wuͤßte,
„Daß ich morgen ſterben muͤßte;
„Wuͤrd’ ich unaufhoͤrlich beten, vor der heilgen Him-
melsſpeiſe

„Wollt ich mich zur Erden werfen, und ſodann auf dieſe
Weiſe
„Meinem Seelenbraͤutigam meine Seele uͤberge-
ben.“

A. So gedenkeſt du, und zwar fromm genug, wie du
vermeynſt;

Aber da Gott, welcher weis, daß du morgen ſchon dein
Leben

Mit dem Tode wechſeln wirſt, dir dergleichen nicht be-
fiehlt,

Aber dir befohlen hat, deines Amts und Lebens Pflich-
ten

Jn der Liebe deines Naͤchſten und der deinen zu ver-
richten,

Frag’ ich, welche Zubereitung, die auf unſer Sterben
zielt,

Man wohl fuͤr die beſte hielt,
Das zu thun, wozu die Furcht fuͤr den Tod uns etwan
treibet,

Auch vielleicht das, was in uns ſelbſt gemachte Andacht
glaͤubet,
Oder
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[610/0630] Anleitung Nun verlanget er dieſelben, die er einmal mir befoh- len, Ob mein Sterben mir bekannt, oder ob es mir verho- len. B. „Wenn ich aber gleichwohl wuͤßte, „Daß ich morgen ſterben muͤßte; „Wuͤrd’ ich unaufhoͤrlich beten, vor der heilgen Him- melsſpeiſe „Wollt ich mich zur Erden werfen, und ſodann auf dieſe Weiſe „Meinem Seelenbraͤutigam meine Seele uͤberge- ben.“ A. So gedenkeſt du, und zwar fromm genug, wie du vermeynſt; Aber da Gott, welcher weis, daß du morgen ſchon dein Leben Mit dem Tode wechſeln wirſt, dir dergleichen nicht be- fiehlt, Aber dir befohlen hat, deines Amts und Lebens Pflich- ten Jn der Liebe deines Naͤchſten und der deinen zu ver- richten, Frag’ ich, welche Zubereitung, die auf unſer Sterben zielt, Man wohl fuͤr die beſte hielt, Das zu thun, wozu die Furcht fuͤr den Tod uns etwan treibet, Auch vielleicht das, was in uns ſelbſt gemachte Andacht glaͤubet, Oder

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/630>, abgerufen am 02.05.2024.