Wenn auch Wolf gleich sagen möchte: Wisse menschliches Geschlechte, Daß nur ich dein Lehrer bin; Spricht das menschliche Geschlechte Doch zur Pamela mit Rechte: Du bist unsre Lehrerinn!
M.
Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit, Mit einem würdgem Glied aus unsrer Geistlichkeit, Und rühmte Pamela so sehr, daß ich auch klagte, Daß man von dieser Schrift nichts auf dem Lehrstuhl sagte. Er lachte mit Bescheidenheit, Und sprach: wär auch dieß Buch noch einst so schön, So könnte dieses nicht geschehn, Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn, daß ers lesen möchte, Damit ich nicht von ihm gedächte:
Sie sprechen schlecht: Es sey nicht recht, Und habens nicht gelesen.
Darauf versprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht, Sprach er: ich hätt' es nicht gedacht. Jch hab, in Lesung dieser Schrift, so viel Vergnüglich- keit genossen; Mich deucht: es sey die Gnade selbst von diesem Buch nicht ausgeschlossen.
Jch
Vermiſchte Gedichte
Wenn auch Wolf gleich ſagen moͤchte: Wiſſe menſchliches Geſchlechte, Daß nur ich dein Lehrer bin; Spricht das menſchliche Geſchlechte Doch zur Pamela mit Rechte: Du biſt unſre Lehrerinn!
M.
Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit, Mit einem wuͤrdgem Glied aus unſrer Geiſtlichkeit, Und ruͤhmte Pamela ſo ſehr, daß ich auch klagte, Daß man von dieſer Schrift nichts auf dem Lehrſtuhl ſagte. Er lachte mit Beſcheidenheit, Und ſprach: waͤr auch dieß Buch noch einſt ſo ſchoͤn, So koͤnnte dieſes nicht geſchehn, Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn, daß ers leſen moͤchte, Damit ich nicht von ihm gedaͤchte:
Sie ſprechen ſchlecht: Es ſey nicht recht, Und habens nicht geleſen.
Darauf verſprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht, Sprach er: ich haͤtt’ es nicht gedacht. Jch hab, in Leſung dieſer Schrift, ſo viel Vergnuͤglich- keit genoſſen; Mich deucht: es ſey die Gnade ſelbſt von dieſem Buch nicht ausgeſchloſſen.
Jch
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Vermiſchte Gedichte
Wenn auch Wolf gleich ſagen moͤchte:
Wiſſe menſchliches Geſchlechte,
Daß nur ich dein Lehrer bin;
Spricht das menſchliche Geſchlechte
Doch zur Pamela mit Rechte:
Du biſt unſre Lehrerinn!
M.
Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit,
Mit einem wuͤrdgem Glied aus unſrer Geiſtlichkeit,
Und ruͤhmte Pamela ſo ſehr, daß ich auch klagte,
Daß man von dieſer Schrift nichts auf dem Lehrſtuhl
ſagte.
Er lachte mit Beſcheidenheit,
Und ſprach: waͤr auch dieß Buch noch einſt ſo ſchoͤn,
So koͤnnte dieſes nicht geſchehn,
Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn,
daß ers leſen moͤchte,
Damit ich nicht von ihm gedaͤchte:
Sie ſprechen ſchlecht:
Es ſey nicht recht,
Und habens nicht geleſen.
Darauf verſprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht,
Sprach er: ich haͤtt’ es nicht gedacht.
Jch hab, in Leſung dieſer Schrift, ſo viel Vergnuͤglich-
keit genoſſen;
Mich deucht: es ſey die Gnade ſelbſt von dieſem Buch
nicht ausgeſchloſſen.
Jch
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/576>, abgerufen am 16.07.2024.
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