Die Entfernung solcher Marter, wovon sie nunmehro frey, Jst für sie schon ein Vergnügen, welches ihnen gänzlich neu. Noch ein' andre Aenderung hegt für sie ihr neuer Stand, Dieses ist des Geistes Freyheit, die sie hatten, und nicht fühlten, Wovon sie, daß selbe nicht ihnen eigen, davor hielten, Und sie für geschenkt jetzt halten, so sehr war sie unbe- kannt. Nimmer hatten sie geglaubt, daß dieß Gut mit ihrem Wesen Eigentlich verbunden war, und da sie es jetzo spüren, Muß nothwendig die Entdeckung sie um desto mehr noch rühren, Und ihr Stand sie mehr erfreuen, dazu sie nunmehr erlesen.
Wozu leitet die Entdeckung ihre rege Seele nicht! Die begrabnen Fähigkeiten fallen ihnen ins Gesicht, Sie erblicken einen Schatz, welchen sie vorher besessen, Aber, sonder ihn zu kennen, noch die Würde zu ermessen. Jhnen zeiget sich die Wahrheit, wovon sie nicht einst den Schatten, Keinen Eindruck, noch Begriff, in dem vorgen Leben, hatten. Die Erinnrung des Vergangnen läßt sie kräftiger noch schmecken Jhr nun gegenwärtges Gut; und von ihrem neuen Leben Den nunmehr entdeckten Vortheil, um so mehr annoch, entdecken.
Aber laßt uns nun auch einst auf die andern Achtung geben! Die Jdee so wir zuerst von denselben haben müssen, Jst, daß ihnen alle Vorwürf', die so angenehm, entrissen.
Alles
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Entfernung ſolcher Marter, wovon ſie nunmehro frey, Jſt fuͤr ſie ſchon ein Vergnuͤgen, welches ihnen gaͤnzlich neu. Noch ein’ andre Aenderung hegt fuͤr ſie ihr neuer Stand, Dieſes iſt des Geiſtes Freyheit, die ſie hatten, und nicht fuͤhlten, Wovon ſie, daß ſelbe nicht ihnen eigen, davor hielten, Und ſie fuͤr geſchenkt jetzt halten, ſo ſehr war ſie unbe- kannt. Nimmer hatten ſie geglaubt, daß dieß Gut mit ihrem Weſen Eigentlich verbunden war, und da ſie es jetzo ſpuͤren, Muß nothwendig die Entdeckung ſie um deſto mehr noch ruͤhren, Und ihr Stand ſie mehr erfreuen, dazu ſie nunmehr erleſen.
Wozu leitet die Entdeckung ihre rege Seele nicht! Die begrabnen Faͤhigkeiten fallen ihnen ins Geſicht, Sie erblicken einen Schatz, welchen ſie vorher beſeſſen, Aber, ſonder ihn zu kennen, noch die Wuͤrde zu ermeſſen. Jhnen zeiget ſich die Wahrheit, wovon ſie nicht einſt den Schatten, Keinen Eindruck, noch Begriff, in dem vorgen Leben, hatten. Die Erinnrung des Vergangnen laͤßt ſie kraͤftiger noch ſchmecken Jhr nun gegenwaͤrtges Gut; und von ihrem neuen Leben Den nunmehr entdeckten Vortheil, um ſo mehr annoch, entdecken.
Aber laßt uns nun auch einſt auf die andern Achtung geben! Die Jdee ſo wir zuerſt von denſelben haben muͤſſen, Jſt, daß ihnen alle Vorwuͤrf’, die ſo angenehm, entriſſen.
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die Entfernung ſolcher Marter, wovon ſie nunmehro
frey,
Jſt fuͤr ſie ſchon ein Vergnuͤgen, welches ihnen gaͤnzlich neu.
Noch ein’ andre Aenderung hegt fuͤr ſie ihr neuer Stand,
Dieſes iſt des Geiſtes Freyheit, die ſie hatten, und nicht
fuͤhlten,
Wovon ſie, daß ſelbe nicht ihnen eigen, davor hielten,
Und ſie fuͤr geſchenkt jetzt halten, ſo ſehr war ſie unbe-
kannt.
Nimmer hatten ſie geglaubt, daß dieß Gut mit ihrem
Weſen
Eigentlich verbunden war, und da ſie es jetzo ſpuͤren,
Muß nothwendig die Entdeckung ſie um deſto mehr noch
ruͤhren,
Und ihr Stand ſie mehr erfreuen, dazu ſie nunmehr erleſen.
Wozu leitet die Entdeckung ihre rege Seele nicht!
Die begrabnen Faͤhigkeiten fallen ihnen ins Geſicht,
Sie erblicken einen Schatz, welchen ſie vorher beſeſſen,
Aber, ſonder ihn zu kennen, noch die Wuͤrde zu ermeſſen.
Jhnen zeiget ſich die Wahrheit, wovon ſie nicht einſt
den Schatten,
Keinen Eindruck, noch Begriff, in dem vorgen Leben,
hatten.
Die Erinnrung des Vergangnen laͤßt ſie kraͤftiger noch
ſchmecken
Jhr nun gegenwaͤrtges Gut; und von ihrem neuen Leben
Den nunmehr entdeckten Vortheil, um ſo mehr annoch,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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