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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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zum irdischen Vergnügen in Gott.

Uns, kraft der regen Phantasey, Vorstellung und Jdeen
machen,

Man gleich geneigt, sie zu verlangen, hält man sie gut,
und scheint sie wahr,

Wird man ihr alsbald Beyfall geben. Es ist dahero
sonnenklar,

Daß, wenn wir wollen richtig wandeln, daß, wenn
wir wollen glücklich seyn,

Daß, wenn wir wollen weise werden, wir unsre Phan-
tasey allein

Wohl einzurichten suchen müssen: denn stellt dieselbige
sich ihr

Die Dinge, wie sie in der That und in dem wahren
Wesen, für,

Die Tugenden in ihrem Glanz und ruhiger Beschaffen-
heit,

Die Laster in der schwarzen Tracht und ekelhaften Scheuß-
lichkeit,

Mit allen ihren schlimmen Folgen; Unmöglich könnten
unsre Seelen

Die ersten fliehn, die letzten wählen.
Unmöglich irrte man, wie jetzt. Uns würde bloß die
Tugend reizen,

Uns blendete kein Laster mehr, wir würden uns dagegen
spreizen.

Zög' eine kluge Phantasey der Laster schöne Larven ab,
Die sie, bishero selbst bethöret, denselben meistens selber
gab;

Der Wille würde nimmer wollen mit ihren scharfen
Dolchen spielen,

Er würde den geringsten Reiz zu ihrer Häßlichkeit nicht
fühlen.

Sollt'

zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Uns, kraft der regen Phantaſey, Vorſtellung und Jdeen
machen,

Man gleich geneigt, ſie zu verlangen, haͤlt man ſie gut,
und ſcheint ſie wahr,

Wird man ihr alsbald Beyfall geben. Es iſt dahero
ſonnenklar,

Daß, wenn wir wollen richtig wandeln, daß, wenn
wir wollen gluͤcklich ſeyn,

Daß, wenn wir wollen weiſe werden, wir unſre Phan-
taſey allein

Wohl einzurichten ſuchen muͤſſen: denn ſtellt dieſelbige
ſich ihr

Die Dinge, wie ſie in der That und in dem wahren
Weſen, fuͤr,

Die Tugenden in ihrem Glanz und ruhiger Beſchaffen-
heit,

Die Laſter in der ſchwarzen Tracht und ekelhaften Scheuß-
lichkeit,

Mit allen ihren ſchlimmen Folgen; Unmoͤglich koͤnnten
unſre Seelen

Die erſten fliehn, die letzten waͤhlen.
Unmoͤglich irrte man, wie jetzt. Uns wuͤrde bloß die
Tugend reizen,

Uns blendete kein Laſter mehr, wir wuͤrden uns dagegen
ſpreizen.

Zoͤg’ eine kluge Phantaſey der Laſter ſchoͤne Larven ab,
Die ſie, bishero ſelbſt bethoͤret, denſelben meiſtens ſelber
gab;

Der Wille wuͤrde nimmer wollen mit ihren ſcharfen
Dolchen ſpielen,

Er wuͤrde den geringſten Reiz zu ihrer Haͤßlichkeit nicht
fuͤhlen.

Sollt’
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[479/0499] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Uns, kraft der regen Phantaſey, Vorſtellung und Jdeen machen, Man gleich geneigt, ſie zu verlangen, haͤlt man ſie gut, und ſcheint ſie wahr, Wird man ihr alsbald Beyfall geben. Es iſt dahero ſonnenklar, Daß, wenn wir wollen richtig wandeln, daß, wenn wir wollen gluͤcklich ſeyn, Daß, wenn wir wollen weiſe werden, wir unſre Phan- taſey allein Wohl einzurichten ſuchen muͤſſen: denn ſtellt dieſelbige ſich ihr Die Dinge, wie ſie in der That und in dem wahren Weſen, fuͤr, Die Tugenden in ihrem Glanz und ruhiger Beſchaffen- heit, Die Laſter in der ſchwarzen Tracht und ekelhaften Scheuß- lichkeit, Mit allen ihren ſchlimmen Folgen; Unmoͤglich koͤnnten unſre Seelen Die erſten fliehn, die letzten waͤhlen. Unmoͤglich irrte man, wie jetzt. Uns wuͤrde bloß die Tugend reizen, Uns blendete kein Laſter mehr, wir wuͤrden uns dagegen ſpreizen. Zoͤg’ eine kluge Phantaſey der Laſter ſchoͤne Larven ab, Die ſie, bishero ſelbſt bethoͤret, denſelben meiſtens ſelber gab; Der Wille wuͤrde nimmer wollen mit ihren ſcharfen Dolchen ſpielen, Er wuͤrde den geringſten Reiz zu ihrer Haͤßlichkeit nicht fuͤhlen. Sollt’

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/499>, abgerufen am 22.11.2024.