Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.zum irdischen Vergnügen in Gott. Nun fragt sichs, ob der Mensch im Stande, Vorstel- lungen sich selbst zu machen, Ob ihm nicht Gegenwürf' und Umständ' und Bilder von verschiednen Sachen Zu dieser Geistkraft nöthig seyn? und ob nach deren Eigenschaft Sich unsre Phantasey nicht richte? so daß sie mehr und minder Kraft, Nachdem die Gegenwürfe gut, wie oder schlecht sind, selbst erlange, Sich muthlich sich ändern, wenn wir, anstatt desselben,
uns selbst, oder unser Jch, gleichsam theilten, und solchergestalt uns von uns selbst belehren ließen. Nutzen von dieser Lehrart vid de la Motte Fablen von Tyrannen. Man denke nicht, ob wäre unser einzelnes Jch nicht theilbar. Denn außer, daß wir von uns so wenig, als von allen Dingen, genugsame Kundschaft haben, so theilen wir ja we- nigstens die Kräfte unsers Geistes ein. Wir unter- scheiden Gedächtniß, Phantasie und Verstand, im- gleichen den Willen. Wir erkennen in uns ver- schiedene Leidenschaften etc. Ja, wenn auch eine wirkliche Eintheilung nicht nöthig wäre und keine Statt hätte; so befinden wir doch eine Eigenschaft in uns, daß wir uns selbsten etwas vorzustellen vermögend seyn. Bliebe uns nun gleich die Art un- bekannt, so ist es genug, daß wir, ein solches Ver- mögen zu unserm wirklichen Nutzen anzuwenden, uns je mehr und mehr bestreben, weil wir in keiner Schule mehr lernen werden, als in unserer eigenen, wofern wir nur erst die Möglichkeit, die Noth- wen- zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Nun fragt ſichs, ob der Menſch im Stande, Vorſtel- lungen ſich ſelbſt zu machen, Ob ihm nicht Gegenwuͤrf’ und Umſtaͤnd’ und Bilder von verſchiednen Sachen Zu dieſer Geiſtkraft noͤthig ſeyn? und ob nach deren Eigenſchaft Sich unſre Phantaſey nicht richte? ſo daß ſie mehr und minder Kraft, Nachdem die Gegenwuͤrfe gut, wie oder ſchlecht ſind, ſelbſt erlange, Sich muthlich ſich aͤndern, wenn wir, anſtatt deſſelben,
uns ſelbſt, oder unſer Jch, gleichſam theilten, und ſolchergeſtalt uns von uns ſelbſt belehren ließen. Nutzen von dieſer Lehrart vid de la Motte Fablen von Tyrannen. Man denke nicht, ob waͤre unſer einzelnes Jch nicht theilbar. Denn außer, daß wir von uns ſo wenig, als von allen Dingen, genugſame Kundſchaft haben, ſo theilen wir ja we- nigſtens die Kraͤfte unſers Geiſtes ein. Wir unter- ſcheiden Gedaͤchtniß, Phantaſie und Verſtand, im- gleichen den Willen. Wir erkennen in uns ver- ſchiedene Leidenſchaften ꝛc. Ja, wenn auch eine wirkliche Eintheilung nicht noͤthig waͤre und keine Statt haͤtte; ſo befinden wir doch eine Eigenſchaft in uns, daß wir uns ſelbſten etwas vorzuſtellen vermoͤgend ſeyn. Bliebe uns nun gleich die Art un- bekannt, ſo iſt es genug, daß wir, ein ſolches Ver- moͤgen zu unſerm wirklichen Nutzen anzuwenden, uns je mehr und mehr beſtreben, weil wir in keiner Schule mehr lernen werden, als in unſerer eigenen, wofern wir nur erſt die Moͤglichkeit, die Noth- wen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0497" n="477"/> <fw place="top" type="header">zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.</fw><lb/> <lg n="27"> <l>Nun fragt ſichs, ob der Menſch im Stande, Vorſtel-<lb/><hi rendition="#et">lungen ſich ſelbſt zu machen,</hi></l><lb/> <l>Ob ihm nicht Gegenwuͤrf’ und Umſtaͤnd’ und Bilder<lb/><hi rendition="#et">von verſchiednen Sachen</hi></l><lb/> <l>Zu dieſer Geiſtkraft noͤthig ſeyn? und ob nach deren<lb/><hi rendition="#et">Eigenſchaft</hi></l><lb/> <l>Sich unſre Phantaſey nicht richte? ſo daß ſie mehr und<lb/><hi rendition="#et">minder Kraft,</hi></l><lb/> <l>Nachdem die Gegenwuͤrfe gut, wie oder ſchlecht ſind,<lb/><hi rendition="#et">ſelbſt erlange,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sich</fw><lb/><note next="#f03" xml:id="f02" prev="#f01" place="foot" n="*">muthlich ſich aͤndern, wenn wir, anſtatt deſſelben,<lb/> uns ſelbſt, oder unſer Jch, gleichſam theilten,<lb/> und ſolchergeſtalt uns von uns ſelbſt belehren ließen.<lb/><hi rendition="#fr">Nutzen von dieſer Lehrart</hi> <hi rendition="#aq">vid de la Motte</hi> <hi rendition="#fr">Fablen<lb/> von Tyrannen.</hi> Man denke nicht, ob waͤre unſer<lb/> einzelnes Jch nicht theilbar. Denn außer, daß<lb/> wir von uns ſo wenig, als von allen Dingen,<lb/> genugſame Kundſchaft haben, ſo theilen wir ja we-<lb/> nigſtens die Kraͤfte unſers Geiſtes ein. Wir unter-<lb/> ſcheiden Gedaͤchtniß, Phantaſie und Verſtand, im-<lb/> gleichen den Willen. Wir erkennen in uns ver-<lb/> ſchiedene Leidenſchaften ꝛc. Ja, wenn auch eine<lb/> wirkliche Eintheilung nicht noͤthig waͤre und keine<lb/> Statt haͤtte; ſo befinden wir doch eine Eigenſchaft<lb/> in uns, daß wir uns ſelbſten etwas vorzuſtellen<lb/> vermoͤgend ſeyn. Bliebe uns nun gleich die Art un-<lb/> bekannt, ſo iſt es genug, daß wir, ein ſolches Ver-<lb/> moͤgen zu unſerm wirklichen Nutzen anzuwenden,<lb/> uns je mehr und mehr beſtreben, weil wir in keiner<lb/> Schule mehr lernen werden, als in unſerer eigenen,<lb/> wofern wir nur erſt die Moͤglichkeit, die Noth-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wen-</fw></note><lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [477/0497]
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Nun fragt ſichs, ob der Menſch im Stande, Vorſtel-
lungen ſich ſelbſt zu machen,
Ob ihm nicht Gegenwuͤrf’ und Umſtaͤnd’ und Bilder
von verſchiednen Sachen
Zu dieſer Geiſtkraft noͤthig ſeyn? und ob nach deren
Eigenſchaft
Sich unſre Phantaſey nicht richte? ſo daß ſie mehr und
minder Kraft,
Nachdem die Gegenwuͤrfe gut, wie oder ſchlecht ſind,
ſelbſt erlange,
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* muthlich ſich aͤndern, wenn wir, anſtatt deſſelben,
uns ſelbſt, oder unſer Jch, gleichſam theilten,
und ſolchergeſtalt uns von uns ſelbſt belehren ließen.
Nutzen von dieſer Lehrart vid de la Motte Fablen
von Tyrannen. Man denke nicht, ob waͤre unſer
einzelnes Jch nicht theilbar. Denn außer, daß
wir von uns ſo wenig, als von allen Dingen,
genugſame Kundſchaft haben, ſo theilen wir ja we-
nigſtens die Kraͤfte unſers Geiſtes ein. Wir unter-
ſcheiden Gedaͤchtniß, Phantaſie und Verſtand, im-
gleichen den Willen. Wir erkennen in uns ver-
ſchiedene Leidenſchaften ꝛc. Ja, wenn auch eine
wirkliche Eintheilung nicht noͤthig waͤre und keine
Statt haͤtte; ſo befinden wir doch eine Eigenſchaft
in uns, daß wir uns ſelbſten etwas vorzuſtellen
vermoͤgend ſeyn. Bliebe uns nun gleich die Art un-
bekannt, ſo iſt es genug, daß wir, ein ſolches Ver-
moͤgen zu unſerm wirklichen Nutzen anzuwenden,
uns je mehr und mehr beſtreben, weil wir in keiner
Schule mehr lernen werden, als in unſerer eigenen,
wofern wir nur erſt die Moͤglichkeit, die Noth-
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