Jn unserer Natur besäßen, so stünde nicht in unsrer Macht Zu fehlen oder nicht zu fehlen. Wir könnten keine Pflicht erfüllen, Und alles fiele weg, was wir, vom Fall und Sündigen gedacht. Es würden gar, wie wir gesehn, in deinen angeführten Schlüssen Des unvergleichlichen Voltaire Abscheulichkeiten folgen müssen, Die er, ohn unsre Freyheit, findet. O nein, wir müs- sen uns verstehn! Laßt uns nur auf den rechten Grund von unsrer Untersu- chung gehn.
Jch fechte keine Freyheit an, in unserm Geist, ich sage nur, So viel ichs zu ergründen fähig, daß, in der menschli- chen Natur, Sie in dem Willen nicht bestehe, nein, daß wir zuge- richtet scheinen, Dasjenige so gleich zu wollen, wovon wir, daß es gut sey, meynen. Auch ist dieß keine Neuerung, noch bloß ein Wortstreit, dessen wir Wohl ohne Schad' entbehren könnten. O nein, wir müssen anders denken Und unsre Geisteskräft' und Vorsicht auf einen andern Vorwurf lenken, Uns eine Fertigkeit verschaffen in allen, gut- und bösen, Sachen, Von ihrem wahren Werth und Wesen Jdeen, welche wahr, zu machen,
Wo-
Vermiſchte Gedichte
Jn unſerer Natur beſaͤßen, ſo ſtuͤnde nicht in unſrer Macht Zu fehlen oder nicht zu fehlen. Wir koͤnnten keine Pflicht erfuͤllen, Und alles fiele weg, was wir, vom Fall und Suͤndigen gedacht. Es wuͤrden gar, wie wir geſehn, in deinen angefuͤhrten Schluͤſſen Des unvergleichlichen Voltaire Abſcheulichkeiten folgen muͤſſen, Die er, ohn unſre Freyheit, findet. O nein, wir muͤſ- ſen uns verſtehn! Laßt uns nur auf den rechten Grund von unſrer Unterſu- chung gehn.
Jch fechte keine Freyheit an, in unſerm Geiſt, ich ſage nur, So viel ichs zu ergruͤnden faͤhig, daß, in der menſchli- chen Natur, Sie in dem Willen nicht beſtehe, nein, daß wir zuge- richtet ſcheinen, Dasjenige ſo gleich zu wollen, wovon wir, daß es gut ſey, meynen. Auch iſt dieß keine Neuerung, noch bloß ein Wortſtreit, deſſen wir Wohl ohne Schad’ entbehren koͤnnten. O nein, wir muͤſſen anders denken Und unſre Geiſteskraͤft’ und Vorſicht auf einen andern Vorwurf lenken, Uns eine Fertigkeit verſchaffen in allen, gut- und boͤſen, Sachen, Von ihrem wahren Werth und Weſen Jdeen, welche wahr, zu machen,
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Vermiſchte Gedichte
Jn unſerer Natur beſaͤßen, ſo ſtuͤnde nicht in unſrer
Macht
Zu fehlen oder nicht zu fehlen. Wir koͤnnten keine Pflicht
erfuͤllen,
Und alles fiele weg, was wir, vom Fall und Suͤndigen
gedacht.
Es wuͤrden gar, wie wir geſehn, in deinen angefuͤhrten
Schluͤſſen
Des unvergleichlichen Voltaire Abſcheulichkeiten folgen
muͤſſen,
Die er, ohn unſre Freyheit, findet. O nein, wir muͤſ-
ſen uns verſtehn!
Laßt uns nur auf den rechten Grund von unſrer Unterſu-
chung gehn.
Jch fechte keine Freyheit an, in unſerm Geiſt, ich
ſage nur,
So viel ichs zu ergruͤnden faͤhig, daß, in der menſchli-
chen Natur,
Sie in dem Willen nicht beſtehe, nein, daß wir zuge-
richtet ſcheinen,
Dasjenige ſo gleich zu wollen, wovon wir, daß es gut
ſey, meynen.
Auch iſt dieß keine Neuerung, noch bloß ein Wortſtreit,
deſſen wir
Wohl ohne Schad’ entbehren koͤnnten. O nein, wir
muͤſſen anders denken
Und unſre Geiſteskraͤft’ und Vorſicht auf einen andern
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Uns eine Fertigkeit verſchaffen in allen, gut- und boͤſen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/490>, abgerufen am 22.11.2024.
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