Da die Natur in ihren Werken auf einmal keine Sprünge macht, Sie hab' ihm einen großen Vorzug, doch nicht so groß, ihm zugedacht, Als er ihn sich sucht zuzueignen. Von Eigenlieb' und Stolz verführet, Schreibt er sich solche Weisheit zu, die kaum den Engeln selbst gebühret; Da sein betrübt Betragen doch, sein Jrren, ja sein ganzes Leben Von seiner Schwäch' und seiner Noth ihm überzeuglich Proben geben Und seine Blöße zeigen sollte. Jnzwischen ist er groß genug; Jndem er, durch des Schöpfers Güte, in solchem Stande sich befindet, Sein Wissen immer zu vergrößern: Und, wenn er seines Schöpfers Macht und Lieb', in sei- nem Werk, ergründet, Jm frölichen Genuß ihm dankt, sein Wesen wirklich zu verbessern, Und in dem Glauben ihn zu stärken, ihm werde Gott nach diesem Leben, Wenn er auf Erden seine Pflichten, Jn der Bewundrung seines Schöpfers bemüht gewesen, zu verrichten, Zu einem seligern Vergnügen noch immer mehr Erkennt- niß geben. Um nun, durch hiesiges Vergnügen, zu jener künft'gen Seligkeit Um desto sichrer zu gelangen, weil wir nichts von uns selber können;
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Vermiſchte Gedichte
Da die Natur in ihren Werken auf einmal keine Spruͤnge macht, Sie hab’ ihm einen großen Vorzug, doch nicht ſo groß, ihm zugedacht, Als er ihn ſich ſucht zuzueignen. Von Eigenlieb’ und Stolz verfuͤhret, Schreibt er ſich ſolche Weisheit zu, die kaum den Engeln ſelbſt gebuͤhret; Da ſein betruͤbt Betragen doch, ſein Jrren, ja ſein ganzes Leben Von ſeiner Schwaͤch’ und ſeiner Noth ihm uͤberzeuglich Proben geben Und ſeine Bloͤße zeigen ſollte. Jnzwiſchen iſt er groß genug; Jndem er, durch des Schoͤpfers Guͤte, in ſolchem Stande ſich befindet, Sein Wiſſen immer zu vergroͤßern: Und, wenn er ſeines Schoͤpfers Macht und Lieb’, in ſei- nem Werk, ergruͤndet, Jm froͤlichen Genuß ihm dankt, ſein Weſen wirklich zu verbeſſern, Und in dem Glauben ihn zu ſtaͤrken, ihm werde Gott nach dieſem Leben, Wenn er auf Erden ſeine Pflichten, Jn der Bewundrung ſeines Schoͤpfers bemuͤht geweſen, zu verrichten, Zu einem ſeligern Vergnuͤgen noch immer mehr Erkennt- niß geben. Um nun, durch hieſiges Vergnuͤgen, zu jener kuͤnft’gen Seligkeit Um deſto ſichrer zu gelangen, weil wir nichts von uns ſelber koͤnnen;
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Vermiſchte Gedichte
Da die Natur in ihren Werken auf einmal keine Spruͤnge
macht,
Sie hab’ ihm einen großen Vorzug, doch nicht ſo groß,
ihm zugedacht,
Als er ihn ſich ſucht zuzueignen. Von Eigenlieb’ und
Stolz verfuͤhret,
Schreibt er ſich ſolche Weisheit zu, die kaum den Engeln
ſelbſt gebuͤhret;
Da ſein betruͤbt Betragen doch, ſein Jrren, ja ſein
ganzes Leben
Von ſeiner Schwaͤch’ und ſeiner Noth ihm uͤberzeuglich
Proben geben
Und ſeine Bloͤße zeigen ſollte. Jnzwiſchen iſt er groß
genug;
Jndem er, durch des Schoͤpfers Guͤte, in ſolchem Stande
ſich befindet,
Sein Wiſſen immer zu vergroͤßern:
Und, wenn er ſeines Schoͤpfers Macht und Lieb’, in ſei-
nem Werk, ergruͤndet,
Jm froͤlichen Genuß ihm dankt, ſein Weſen wirklich
zu verbeſſern,
Und in dem Glauben ihn zu ſtaͤrken, ihm werde Gott
nach dieſem Leben,
Wenn er auf Erden ſeine Pflichten,
Jn der Bewundrung ſeines Schoͤpfers bemuͤht geweſen,
zu verrichten,
Zu einem ſeligern Vergnuͤgen noch immer mehr Erkennt-
niß geben.
Um nun, durch hieſiges Vergnuͤgen, zu jener kuͤnft’gen
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Um deſto ſichrer zu gelangen, weil wir nichts von uns
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/368>, abgerufen am 26.06.2024.
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