Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
zum irdischen Vergnügen in Gott.
Uns Seel' und Sinnen schenkt, daß wir sie nutzen sollen,
Wer wollte denn nicht gern Gehör, Geruch, Gesicht
Gebrauchen, und dem Geber nicht
Jm frölichem Genuß ein frohes Danklied zollen!
Jch will mich wenigstens bestreben,
Auf das, was mir, in der so schönen Welt,
Vergnüglichs in die Augen fällt,
Mit Lust erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt scheinen tausend Arten Kräuter, von einem innern
Drang getrieben,

Von ihrem Samengeist gepreßt, sich aus der Erd' her-
vorzuschieben.

Die denn, sobald sie überall den jüngst noch dürren Bo-
den zieren,

Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder-
chen formiren

Die, die durch ihre zarte Körper schnell aufgehaltne
Sonnenstralen,

Die holde Schönheit zu verdoppeln, früh West- und
abends Ostwerts mahlen.

Das junge Laub scheint sich zu wundern, da es bisher so
eng verschrenkt,

Da es noch gestern starr und steif, daß es schon heute,
durch den West

Gekitzelt, erst für Anmuth zittert, und bald, wenn sich
der Stiel verlängt,

Sanft hin und wieder anfangs schwebt, bald stärker sich
bewegen läßt.

So wie sie nun in Lüften droben, im Stral der Sonnen
schwebend scherzen,

Sieht man so gleich wie ihre Kinder den hellen Boden
schwebend schwärzen,
Den
X
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Uns Seel’ und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen,
Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht
Gebrauchen, und dem Geber nicht
Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen!
Jch will mich wenigſtens beſtreben,
Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt,
Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt,
Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben.
Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern
Drang getrieben,

Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd’ her-
vorzuſchieben.

Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo-
den zieren,

Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder-
chen formiren

Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne
Sonnenſtralen,

Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt- und
abends Oſtwerts mahlen.

Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo
eng verſchrenkt,

Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute,
durch den Weſt

Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich
der Stiel verlaͤngt,

Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich
bewegen laͤßt.

So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen
ſchwebend ſcherzen,

Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden
ſchwebend ſchwaͤrzen,
Den
X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0341" n="321"/>
          <fw place="top" type="header">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</fw><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Uns Seel&#x2019; und Sinnen &#x017F;chenkt, daß wir &#x017F;ie nutzen &#x017F;ollen,</l><lb/>
            <l>Wer wollte denn nicht gern Geho&#x0364;r, Geruch, Ge&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Gebrauchen, und dem Geber nicht</l><lb/>
            <l>Jm fro&#x0364;lichem Genuß ein frohes Danklied zollen!</l><lb/>
            <l>Jch will mich wenig&#x017F;tens be&#x017F;treben,</l><lb/>
            <l>Auf das, was mir, in der &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nen Welt,</l><lb/>
            <l>Vergnu&#x0364;glichs in die Augen fa&#x0364;llt,</l><lb/>
            <l>Mit Lu&#x017F;t erkenntlich Acht zu geben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Jetzt &#x017F;cheinen tau&#x017F;end Arten Kra&#x0364;uter, von einem innern<lb/><hi rendition="#et">Drang getrieben,</hi></l><lb/>
            <l>Von ihrem Samengei&#x017F;t gepreßt, &#x017F;ich aus der Erd&#x2019; her-<lb/><hi rendition="#et">vorzu&#x017F;chieben.</hi></l><lb/>
            <l>Die denn, &#x017F;obald &#x017F;ie u&#x0364;berall den ju&#x0364;ng&#x017F;t noch du&#x0364;rren Bo-<lb/><hi rendition="#et">den zieren,</hi></l><lb/>
            <l>Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder-<lb/><hi rendition="#et">chen formiren</hi></l><lb/>
            <l>Die, die durch ihre zarte Ko&#x0364;rper &#x017F;chnell aufgehaltne<lb/><hi rendition="#et">Sonnen&#x017F;tralen,</hi></l><lb/>
            <l>Die holde Scho&#x0364;nheit zu verdoppeln, fru&#x0364;h We&#x017F;t- und<lb/><hi rendition="#et">abends O&#x017F;twerts mahlen.</hi></l><lb/>
            <l>Das junge Laub &#x017F;cheint &#x017F;ich zu wundern, da es bisher &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">eng ver&#x017F;chrenkt,</hi></l><lb/>
            <l>Da es noch ge&#x017F;tern &#x017F;tarr und &#x017F;teif, daß es &#x017F;chon heute,<lb/><hi rendition="#et">durch den We&#x017F;t</hi></l><lb/>
            <l>Gekitzelt, er&#x017F;t fu&#x0364;r Anmuth zittert, und bald, wenn &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">der Stiel verla&#x0364;ngt,</hi></l><lb/>
            <l>Sanft hin und wieder anfangs &#x017F;chwebt, bald &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">bewegen la&#x0364;ßt.</hi></l><lb/>
            <l>So wie &#x017F;ie nun in Lu&#x0364;ften droben, im Stral der Sonnen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwebend &#x017F;cherzen,</hi></l><lb/>
            <l>Sieht man &#x017F;o gleich wie ihre Kinder den hellen Boden<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwebend &#x017F;chwa&#x0364;rzen,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">X</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0341] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Uns Seel’ und Sinnen ſchenkt, daß wir ſie nutzen ſollen, Wer wollte denn nicht gern Gehoͤr, Geruch, Geſicht Gebrauchen, und dem Geber nicht Jm froͤlichem Genuß ein frohes Danklied zollen! Jch will mich wenigſtens beſtreben, Auf das, was mir, in der ſo ſchoͤnen Welt, Vergnuͤglichs in die Augen faͤllt, Mit Luſt erkenntlich Acht zu geben. Jetzt ſcheinen tauſend Arten Kraͤuter, von einem innern Drang getrieben, Von ihrem Samengeiſt gepreßt, ſich aus der Erd’ her- vorzuſchieben. Die denn, ſobald ſie uͤberall den juͤngſt noch duͤrren Bo- den zieren, Zugleich darauf von ihren Formen die Schattenbilder- chen formiren Die, die durch ihre zarte Koͤrper ſchnell aufgehaltne Sonnenſtralen, Die holde Schoͤnheit zu verdoppeln, fruͤh Weſt- und abends Oſtwerts mahlen. Das junge Laub ſcheint ſich zu wundern, da es bisher ſo eng verſchrenkt, Da es noch geſtern ſtarr und ſteif, daß es ſchon heute, durch den Weſt Gekitzelt, erſt fuͤr Anmuth zittert, und bald, wenn ſich der Stiel verlaͤngt, Sanft hin und wieder anfangs ſchwebt, bald ſtaͤrker ſich bewegen laͤßt. So wie ſie nun in Luͤften droben, im Stral der Sonnen ſchwebend ſcherzen, Sieht man ſo gleich wie ihre Kinder den hellen Boden ſchwebend ſchwaͤrzen, Den X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/341
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/341>, abgerufen am 21.11.2024.