Sich, in der Anzahl, eine Gleichheit von beyderley Geschlecht erhält; Daß wir zu dem Erzeugungswerk, ob wir es wunder- lich gleich finden, Und öfters mit Gefahr begleitet, doch solchen scharfen Reiz empfinden, Daß alles, was ein Leben hat, zu diesem Werk so sehr geneiget, Und, bis zum allerkleinsten Wurm, so starke Liebestriebe zeiget; Daß alles Fleisch vom ird'schen Samen unmitt- und mittelbar sich nährt: Dieß alles ist des Ueberlegens und ernsterer Betrachtung werth.
Wo etwas unbegreiflich ist, so ist es dieß, daß aus der Erde Das Gras zu Milch, die Milch zu Fleisch, und aus dem Fleisch der Same werde, Der etwas lebendes verursacht, da andre Theile sich hingegen, Die nicht so sehr subtilisirt, wenn man's beachtet, mei- stens pflegen Dem Grase wiederum zum Wachsthum zu dienen sich in Mist zu kehren, Und so die Erde, die die Thiere zuerst genähret, wieder nähren.
Wer wundert sich mit allem Recht nicht, der dieß Wechselwerk ermißt, Wie doch in allem ein so großer verwunderlicher Zir- kel ist, Da uns ja die Erfahrung lehrt, und man fast deutlich kann erweisen,
Wie
P
uͤber das Reich der Thiere.
Sich, in der Anzahl, eine Gleichheit von beyderley Geſchlecht erhaͤlt; Daß wir zu dem Erzeugungswerk, ob wir es wunder- lich gleich finden, Und oͤfters mit Gefahr begleitet, doch ſolchen ſcharfen Reiz empfinden, Daß alles, was ein Leben hat, zu dieſem Werk ſo ſehr geneiget, Und, bis zum allerkleinſten Wurm, ſo ſtarke Liebestriebe zeiget; Daß alles Fleiſch vom ird’ſchen Samen unmitt- und mittelbar ſich naͤhrt: Dieß alles iſt des Ueberlegens und ernſterer Betrachtung werth.
Wo etwas unbegreiflich iſt, ſo iſt es dieß, daß aus der Erde Das Gras zu Milch, die Milch zu Fleiſch, und aus dem Fleiſch der Same werde, Der etwas lebendes verurſacht, da andre Theile ſich hingegen, Die nicht ſo ſehr ſubtiliſirt, wenn man’s beachtet, mei- ſtens pflegen Dem Graſe wiederum zum Wachsthum zu dienen ſich in Miſt zu kehren, Und ſo die Erde, die die Thiere zuerſt genaͤhret, wieder naͤhren.
Wer wundert ſich mit allem Recht nicht, der dieß Wechſelwerk ermißt, Wie doch in allem ein ſo großer verwunderlicher Zir- kel iſt, Da uns ja die Erfahrung lehrt, und man faſt deutlich kann erweiſen,
Wie
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uͤber das Reich der Thiere.
Sich, in der Anzahl, eine Gleichheit von beyderley
Geſchlecht erhaͤlt;
Daß wir zu dem Erzeugungswerk, ob wir es wunder-
lich gleich finden,
Und oͤfters mit Gefahr begleitet, doch ſolchen ſcharfen
Reiz empfinden,
Daß alles, was ein Leben hat, zu dieſem Werk ſo ſehr
geneiget,
Und, bis zum allerkleinſten Wurm, ſo ſtarke Liebestriebe
zeiget;
Daß alles Fleiſch vom ird’ſchen Samen unmitt- und
mittelbar ſich naͤhrt:
Dieß alles iſt des Ueberlegens und ernſterer Betrachtung
werth.
Wo etwas unbegreiflich iſt, ſo iſt es dieß, daß aus der Erde
Das Gras zu Milch, die Milch zu Fleiſch, und aus
dem Fleiſch der Same werde,
Der etwas lebendes verurſacht, da andre Theile ſich
hingegen,
Die nicht ſo ſehr ſubtiliſirt, wenn man’s beachtet, mei-
ſtens pflegen
Dem Graſe wiederum zum Wachsthum zu dienen ſich in
Miſt zu kehren,
Und ſo die Erde, die die Thiere zuerſt genaͤhret, wieder
naͤhren.
Wer wundert ſich mit allem Recht nicht, der dieß
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Wie doch in allem ein ſo großer verwunderlicher Zir-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/245>, abgerufen am 16.07.2024.
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