Und die aus ungezählten harten, subtil- und dünnen Zä- serlein Bestehen, in, und durch einander geflochten und verbun- den seyn, Worinn aus aller Thiere Hirn sich, durch die Sehnen, Geister senken, Sie schwellen und dadurch verkürzen, wodurch die wieder nach sich ziehn Die Knochen, die an ihnen hangen, und sie bald hier, bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geister sie zu bewegen sich be- mühn, So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber diese Gei- stigkeiten Nach ihren anerschaffenen und eigenen Beschaffenheiten Sich leicht erschöpfen und vermindern; ist uns und je- dem Thier das Schlafen, Wodurch die Geister sich erholen, bewundernswürdig an- erschaffen. Was lebet, schließt, sich zu erquicken, in der so ange- nehmen Ruh' Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen müde Lie- der zu. Jm Schlafe sammeln sich aufs neu, ergänzen, mehren, zeugen, stärken Und häufen sich die Geistigkeiten, so daß wir dann nebst allem Vieh' Ein ganz verändert Wesen spüren, und, mehrentheils des Morgens früh, Vermehrte Kräfte, Munterkeit, und neue Fähigkeit ver- merken.
So
Betrachtungen
Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ- ſerlein Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun- den ſeyn, Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen, Geiſter ſenken, Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder nach ſich ziehn Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier, bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be- muͤhn, So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei- ſtigkeiten Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je- dem Thier das Schlafen, Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an- erſchaffen. Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange- nehmen Ruh’ Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie- der zu. Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren, zeugen, ſtaͤrken Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt allem Vieh’ Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des Morgens fruͤh, Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver- merken.
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0236"n="216"/><fwplace="top"type="header">Betrachtungen</fw><lb/><lgn="37"><l>Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ-<lb/><hirendition="#et">ſerlein</hi></l><lb/><l>Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun-<lb/><hirendition="#et">den ſeyn,</hi></l><lb/><l>Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen,<lb/><hirendition="#et">Geiſter ſenken,</hi></l><lb/><l>Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder<lb/><hirendition="#et">nach ſich ziehn</hi></l><lb/><l>Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier,<lb/><hirendition="#et">bald dorthin lenken.</hi></l></lg><lb/><lgn="38"><l>So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be-<lb/><hirendition="#et">muͤhn,</hi></l><lb/><l>So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei-<lb/><hirendition="#et">ſtigkeiten</hi></l><lb/><l>Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten</l><lb/><l>Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je-<lb/><hirendition="#et">dem Thier das Schlafen,</hi></l><lb/><l>Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an-<lb/><hirendition="#et">erſchaffen.</hi></l><lb/><l>Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange-<lb/><hirendition="#et">nehmen Ruh’</hi></l><lb/><l>Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie-<lb/><hirendition="#et">der zu.</hi></l><lb/><l>Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren,<lb/><hirendition="#et">zeugen, ſtaͤrken</hi></l><lb/><l>Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt<lb/><hirendition="#et">allem Vieh’</hi></l><lb/><l>Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des<lb/><hirendition="#et">Morgens fruͤh,</hi></l><lb/><l>Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver-<lb/><hirendition="#et">merken.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[216/0236]
Betrachtungen
Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ-
ſerlein
Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun-
den ſeyn,
Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen,
Geiſter ſenken,
Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder
nach ſich ziehn
Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier,
bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be-
muͤhn,
So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei-
ſtigkeiten
Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten
Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je-
dem Thier das Schlafen,
Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an-
erſchaffen.
Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange-
nehmen Ruh’
Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie-
der zu.
Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren,
zeugen, ſtaͤrken
Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt
allem Vieh’
Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des
Morgens fruͤh,
Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver-
merken.
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/236>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.