Die Natur, auch hier zu zeigen, Wie so mild und reich sie sey, Zeuget auf den Maulbeerzweigen Dieser Früchte zweyerley. Sie schenkt mehr, als wir begehren, Es giebt schwarz', auch weiße, Beeren, Die sind, theilt man sie genau, Röthlich theils, theils gelb, theils grau.
Sind nun gleich der weißen Säfte Am Geschmack so lieblich nicht, Sind doch ihrer Blätter Kräfte Desto besser zugericht, Daß sie mit dem zarten Grünen Dem Gewürm zur Nahrung dienen, Welches uns die Seide webt, Wo so mancher Mensch von lebt.
Um uns lange Zeit zu dienen, Reifen sie nicht auf einmal; Dieß ist sonderlich an ihnen, Daß sie in gemeßner Zahl Mehr als in die sieben Wochen Jmmer werden abgebrochen; Sie vergehen allgemach; Sie erscheinen nach und nach.
Gottheit, die du deine Liebe, Und wie sehr du uns geneigt, Nebst dem Macht- und Weisheitstriebe, Auch in dieser Frucht gezeigt, Gieb, daß, wenn ich Maulbeer' esse, Jch dein Wunderwerk ermesse, So in ihrem holden Saft, Als in meiner Zunge Kraft.
Apri-
Betrachtungen
Die Natur, auch hier zu zeigen, Wie ſo mild und reich ſie ſey, Zeuget auf den Maulbeerzweigen Dieſer Fruͤchte zweyerley. Sie ſchenkt mehr, als wir begehren, Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren, Die ſind, theilt man ſie genau, Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.
Sind nun gleich der weißen Saͤfte Am Geſchmack ſo lieblich nicht, Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte Deſto beſſer zugericht, Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen, Welches uns die Seide webt, Wo ſo mancher Menſch von lebt.
Um uns lange Zeit zu dienen, Reifen ſie nicht auf einmal; Dieß iſt ſonderlich an ihnen, Daß ſie in gemeßner Zahl Mehr als in die ſieben Wochen Jmmer werden abgebrochen; Sie vergehen allgemach; Sie erſcheinen nach und nach.
Gottheit, die du deine Liebe, Und wie ſehr du uns geneigt, Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe, Auch in dieſer Frucht gezeigt, Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe, Jch dein Wunderwerk ermeſſe, So in ihrem holden Saft, Als in meiner Zunge Kraft.
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Betrachtungen
Die Natur, auch hier zu zeigen,
Wie ſo mild und reich ſie ſey,
Zeuget auf den Maulbeerzweigen
Dieſer Fruͤchte zweyerley.
Sie ſchenkt mehr, als wir begehren,
Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren,
Die ſind, theilt man ſie genau,
Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.
Sind nun gleich der weißen Saͤfte
Am Geſchmack ſo lieblich nicht,
Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte
Deſto beſſer zugericht,
Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen
Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen,
Welches uns die Seide webt,
Wo ſo mancher Menſch von lebt.
Um uns lange Zeit zu dienen,
Reifen ſie nicht auf einmal;
Dieß iſt ſonderlich an ihnen,
Daß ſie in gemeßner Zahl
Mehr als in die ſieben Wochen
Jmmer werden abgebrochen;
Sie vergehen allgemach;
Sie erſcheinen nach und nach.
Gottheit, die du deine Liebe,
Und wie ſehr du uns geneigt,
Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe,
Auch in dieſer Frucht gezeigt,
Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe,
Jch dein Wunderwerk ermeſſe,
So in ihrem holden Saft,
Als in meiner Zunge Kraft.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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