Wollt ihr mir nicht Glauben geben, Wie wir unerkenntlich blind, Fast in unserm ganzen Leben, Leider! durch Gewohnheit, sind: So versucht's, laßt euch bereiten Tausendfache Niedlichkeiten, Sonder Brodt! probirt dabey, Ob es lang' erträglich sey.
Da das Brodt allein hingegen Nicht nur bloß den Hunger stillt, Sondern auch mit Nahrungssegen Unsern ganzen Körper füllt. Es ist, uns zu Gut, verdäulich, Dem Geschmack ist es erfreulich, Der denn, da er nicht zu scharf, Auch zu sehr nicht reizen darf.
Wunderbar sind vom Getraide Alle Theilchen zugericht: Da ihr Wesen, uns zur Freude, Sich in unser Wesen flicht: Da sie, wenn wir sie verzehren, Uns erhalten, stärken, nähren, Und ihr Stoff in Fleisch sich kehrt; Jst das nicht bewundernswerth?
Alles wird man überdrüßig; Brodt ist immer angenehm. Andre Kost ist überflüßig; Brodt allein ist schon bequem, Unserm Körper, unserm Leben, Daur und Unterhalt zu geben. Dieß ist warlich abermal Von des Schöpfers Lieb' ein Stral.
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Betrachtungen
Wollt ihr mir nicht Glauben geben, Wie wir unerkenntlich blind, Faſt in unſerm ganzen Leben, Leider! durch Gewohnheit, ſind: So verſucht’s, laßt euch bereiten Tauſendfache Niedlichkeiten, Sonder Brodt! probirt dabey, Ob es lang’ ertraͤglich ſey.
Da das Brodt allein hingegen Nicht nur bloß den Hunger ſtillt, Sondern auch mit Nahrungsſegen Unſern ganzen Koͤrper fuͤllt. Es iſt, uns zu Gut, verdaͤulich, Dem Geſchmack iſt es erfreulich, Der denn, da er nicht zu ſcharf, Auch zu ſehr nicht reizen darf.
Wunderbar ſind vom Getraide Alle Theilchen zugericht: Da ihr Weſen, uns zur Freude, Sich in unſer Weſen flicht: Da ſie, wenn wir ſie verzehren, Uns erhalten, ſtaͤrken, naͤhren, Und ihr Stoff in Fleiſch ſich kehrt; Jſt das nicht bewundernswerth?
Alles wird man uͤberdruͤßig; Brodt iſt immer angenehm. Andre Koſt iſt uͤberfluͤßig; Brodt allein iſt ſchon bequem, Unſerm Koͤrper, unſerm Leben, Daur und Unterhalt zu geben. Dieß iſt warlich abermal Von des Schoͤpfers Lieb’ ein Stral.
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Betrachtungen
Wollt ihr mir nicht Glauben geben,
Wie wir unerkenntlich blind,
Faſt in unſerm ganzen Leben,
Leider! durch Gewohnheit, ſind:
So verſucht’s, laßt euch bereiten
Tauſendfache Niedlichkeiten,
Sonder Brodt! probirt dabey,
Ob es lang’ ertraͤglich ſey.
Da das Brodt allein hingegen
Nicht nur bloß den Hunger ſtillt,
Sondern auch mit Nahrungsſegen
Unſern ganzen Koͤrper fuͤllt.
Es iſt, uns zu Gut, verdaͤulich,
Dem Geſchmack iſt es erfreulich,
Der denn, da er nicht zu ſcharf,
Auch zu ſehr nicht reizen darf.
Wunderbar ſind vom Getraide
Alle Theilchen zugericht:
Da ihr Weſen, uns zur Freude,
Sich in unſer Weſen flicht:
Da ſie, wenn wir ſie verzehren,
Uns erhalten, ſtaͤrken, naͤhren,
Und ihr Stoff in Fleiſch ſich kehrt;
Jſt das nicht bewundernswerth?
Alles wird man uͤberdruͤßig;
Brodt iſt immer angenehm.
Andre Koſt iſt uͤberfluͤßig;
Brodt allein iſt ſchon bequem,
Unſerm Koͤrper, unſerm Leben,
Daur und Unterhalt zu geben.
Dieß iſt warlich abermal
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/158>, abgerufen am 16.07.2024.
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