Die, so wie sichs selbst entdecket, Wenn man es wohl überlegt, All' im Stamm vorhin gestecket. Ach betrachtet! Ach erwägt! Welch ein Meer von Wunderwerken Kann man doch darinn bemerken, Stellt nicht dieß aufs neue dir Sich fast als unendlich für?
Da denn die Unendlichkeiten Uns zur Vollenkommenheit Von der Gottheit Größe leiten Jn der größten Deutlichkeit. Wer in mathemat'schen Dingen Sucht ein wenig einzudringen, Dem kömmt dieß Unendlich' hier Nicht gar unbegreiflich für.
Keine Linien, noch Zahlen Findet man so groß, so klein, Daß nicht ungezählte malen Die noch zu vermehren seyn, Und die kleinen zu zertheilen. Diese Wahrheit kann uns heilen Von dem eitlen Unbedacht, So uns oft ein Zweifel macht.
Denkst du, wie zum erstenmale Eine Eichel ward, so sprich: Wie schloß deren enge Schale Aller Eichen Meng' in sich, Die bis an das Grab der Erden Werden fortgepflanzet werden; Jeder Mensch, hiedurch gerührt, Wird zum Schöpfer selbst geführt.
Und
Betrachtungen
Die, ſo wie ſichs ſelbſt entdecket, Wenn man es wohl uͤberlegt, All’ im Stamm vorhin geſtecket. Ach betrachtet! Ach erwaͤgt! Welch ein Meer von Wunderwerken Kann man doch darinn bemerken, Stellt nicht dieß aufs neue dir Sich faſt als unendlich fuͤr?
Da denn die Unendlichkeiten Uns zur Vollenkommenheit Von der Gottheit Groͤße leiten Jn der groͤßten Deutlichkeit. Wer in mathemat’ſchen Dingen Sucht ein wenig einzudringen, Dem koͤmmt dieß Unendlich’ hier Nicht gar unbegreiflich fuͤr.
Keine Linien, noch Zahlen Findet man ſo groß, ſo klein, Daß nicht ungezaͤhlte malen Die noch zu vermehren ſeyn, Und die kleinen zu zertheilen. Dieſe Wahrheit kann uns heilen Von dem eitlen Unbedacht, So uns oft ein Zweifel macht.
Denkſt du, wie zum erſtenmale Eine Eichel ward, ſo ſprich: Wie ſchloß deren enge Schale Aller Eichen Meng’ in ſich, Die bis an das Grab der Erden Werden fortgepflanzet werden; Jeder Menſch, hiedurch geruͤhrt, Wird zum Schoͤpfer ſelbſt gefuͤhrt.
Und
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Betrachtungen
Die, ſo wie ſichs ſelbſt entdecket,
Wenn man es wohl uͤberlegt,
All’ im Stamm vorhin geſtecket.
Ach betrachtet! Ach erwaͤgt!
Welch ein Meer von Wunderwerken
Kann man doch darinn bemerken,
Stellt nicht dieß aufs neue dir
Sich faſt als unendlich fuͤr?
Da denn die Unendlichkeiten
Uns zur Vollenkommenheit
Von der Gottheit Groͤße leiten
Jn der groͤßten Deutlichkeit.
Wer in mathemat’ſchen Dingen
Sucht ein wenig einzudringen,
Dem koͤmmt dieß Unendlich’ hier
Nicht gar unbegreiflich fuͤr.
Keine Linien, noch Zahlen
Findet man ſo groß, ſo klein,
Daß nicht ungezaͤhlte malen
Die noch zu vermehren ſeyn,
Und die kleinen zu zertheilen.
Dieſe Wahrheit kann uns heilen
Von dem eitlen Unbedacht,
So uns oft ein Zweifel macht.
Denkſt du, wie zum erſtenmale
Eine Eichel ward, ſo ſprich:
Wie ſchloß deren enge Schale
Aller Eichen Meng’ in ſich,
Die bis an das Grab der Erden
Werden fortgepflanzet werden;
Jeder Menſch, hiedurch geruͤhrt,
Wird zum Schoͤpfer ſelbſt gefuͤhrt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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