Die an ganz verschiednen Orten, Und zugleich zu einer Zeit, Zeigten, fast mit selben Worten, Die verborgne Seltsamkeit, Welche in den kleinsten Dingen Die Natur hervorzubringen, Und, zu ihres Schöpfers Preis, Wunderbar zu bilden weis.
Wie wir Thier' anatomiren, So anatomiret man, Durch den Weg, den sie uns führen, Welchen jeder finden kann, Auch nunmehr der Pflanzen Menge, Schauet ihrer Adern Gänge, Ja, ihr Eingeweide gar, Welches sonst verborgen war.
Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen, Welches recht verwunderlich, Statt des Munds und Magens dienen, Und sie nähren, zeiget sich, Da der Erde zarte Säfte, Durch uns unbekannte Kräfte, Von den zarten Zäserlein, Erstlich eingesogen seyn.
Dann gekocht und zubereitet, Jn den Nahrungssaft verkehrt, Und dann oberwerts geleitet, Da er durch den Stengel fährt Und gedruckt wird. Wir befinden, Daß die Wurzeln auch aus Rinden, Und aus Holz, drinn Mark, bestehn, Wie wir es an Stämmen sehn.
Was
Betrachtungen
Die an ganz verſchiednen Orten, Und zugleich zu einer Zeit, Zeigten, faſt mit ſelben Worten, Die verborgne Seltſamkeit, Welche in den kleinſten Dingen Die Natur hervorzubringen, Und, zu ihres Schoͤpfers Preis, Wunderbar zu bilden weis.
Wie wir Thier’ anatomiren, So anatomiret man, Durch den Weg, den ſie uns fuͤhren, Welchen jeder finden kann, Auch nunmehr der Pflanzen Menge, Schauet ihrer Adern Gaͤnge, Ja, ihr Eingeweide gar, Welches ſonſt verborgen war.
Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen, Welches recht verwunderlich, Statt des Munds und Magens dienen, Und ſie naͤhren, zeiget ſich, Da der Erde zarte Saͤfte, Durch uns unbekannte Kraͤfte, Von den zarten Zaͤſerlein, Erſtlich eingeſogen ſeyn.
Dann gekocht und zubereitet, Jn den Nahrungsſaft verkehrt, Und dann oberwerts geleitet, Da er durch den Stengel faͤhrt Und gedruckt wird. Wir befinden, Daß die Wurzeln auch aus Rinden, Und aus Holz, drinn Mark, beſtehn, Wie wir es an Staͤmmen ſehn.
Was
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0120"n="100"/><fwplace="top"type="header">Betrachtungen</fw><lb/><lgn="383"><l>Die an ganz verſchiednen Orten,</l><lb/><l>Und zugleich zu einer Zeit,</l><lb/><l>Zeigten, faſt mit ſelben Worten,</l><lb/><l>Die verborgne Seltſamkeit,</l><lb/><l>Welche in den kleinſten Dingen</l><lb/><l>Die Natur hervorzubringen,</l><lb/><l>Und, zu ihres Schoͤpfers Preis,</l><lb/><l>Wunderbar zu bilden weis.</l></lg><lb/><lgn="384"><l>Wie wir Thier’ anatomiren,</l><lb/><l>So anatomiret man,</l><lb/><l>Durch den Weg, den ſie uns fuͤhren,</l><lb/><l>Welchen jeder finden kann,</l><lb/><l>Auch nunmehr der Pflanzen Menge,</l><lb/><l>Schauet ihrer Adern Gaͤnge,</l><lb/><l>Ja, ihr Eingeweide gar,</l><lb/><l>Welches ſonſt verborgen war.</l></lg><lb/><lgn="385"><l>Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen,</l><lb/><l>Welches recht verwunderlich,</l><lb/><l>Statt des Munds und Magens dienen,</l><lb/><l>Und ſie naͤhren, zeiget ſich,</l><lb/><l>Da der Erde zarte Saͤfte,</l><lb/><l>Durch uns unbekannte Kraͤfte,</l><lb/><l>Von den zarten Zaͤſerlein,</l><lb/><l>Erſtlich eingeſogen ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="386"><l>Dann gekocht und zubereitet,</l><lb/><l>Jn den Nahrungsſaft verkehrt,</l><lb/><l>Und dann oberwerts geleitet,</l><lb/><l>Da er durch den Stengel faͤhrt</l><lb/><l>Und gedruckt wird. Wir befinden,</l><lb/><l>Daß die Wurzeln auch aus Rinden,</l><lb/><l>Und aus Holz, drinn Mark, beſtehn,</l><lb/><l>Wie wir es an Staͤmmen ſehn.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Was</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[100/0120]
Betrachtungen
Die an ganz verſchiednen Orten,
Und zugleich zu einer Zeit,
Zeigten, faſt mit ſelben Worten,
Die verborgne Seltſamkeit,
Welche in den kleinſten Dingen
Die Natur hervorzubringen,
Und, zu ihres Schoͤpfers Preis,
Wunderbar zu bilden weis.
Wie wir Thier’ anatomiren,
So anatomiret man,
Durch den Weg, den ſie uns fuͤhren,
Welchen jeder finden kann,
Auch nunmehr der Pflanzen Menge,
Schauet ihrer Adern Gaͤnge,
Ja, ihr Eingeweide gar,
Welches ſonſt verborgen war.
Daß der Pflanzen Wurzeln ihnen,
Welches recht verwunderlich,
Statt des Munds und Magens dienen,
Und ſie naͤhren, zeiget ſich,
Da der Erde zarte Saͤfte,
Durch uns unbekannte Kraͤfte,
Von den zarten Zaͤſerlein,
Erſtlich eingeſogen ſeyn.
Dann gekocht und zubereitet,
Jn den Nahrungsſaft verkehrt,
Und dann oberwerts geleitet,
Da er durch den Stengel faͤhrt
Und gedruckt wird. Wir befinden,
Daß die Wurzeln auch aus Rinden,
Und aus Holz, drinn Mark, beſtehn,
Wie wir es an Staͤmmen ſehn.
Was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/120>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.