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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Eine Lehr-reiche Geschichte.
uns einander mit: wo aber nicht; ermuntern wir
unsere Jdeen durch die Betrachtungen, welche ich von
einem großen Geiste in spanischer Sprache über diesen
majestätischen Vorwurf erhalten, und zu meiner Erbau-
ung, so gut ich gekonnt, übersetzt habe. Oder wir ver-
lesen des unvergleichlichen Miltons Morgen-Gebet un-
serer ersten Eltern bey Erbilckung der aufgehenden
Sonne; lassen auch selbiges wol zuweilen uns von un-
serm Kinde, welches bereits der englischen Sprache
mächtig ist, und solches längst auswendig gelernet hat,
vorbeten. Wobey ihm der Knabe solches sogleich her-
sagte, und, seines schönen Jnhalts halber, von Mirander
bald darauf selbst auswendig gelernet wurde. Es ver-
dienet, seiner Schönheit wegen, hier einen Platz, und
lautet also:

Aller dieser Creaturen Herrlichkeit und Wunder-Pracht
Jst, o Vater alles Guten! durch Dein' Allmacht bloß,
gemacht!

Dieß so wunder- wunderschöne Welt-Gebäud' ist einzig
Dein.

Welch ein Vorwurf des Erstaunens mußt Du nun wol selbst
nicht seyn!

O du Unaussprechlicher! Dessen Sitz der Himmel ist,
Ja weit über alle Himmel, der Du uns unsichtbar bist,
Oder in der Dämmerung Deiner allerschlechtsten Werke,
Nur allein von uns zu sehn! welche doch noch deutlich
zeigen,

Daß Dein unbegreiflichs Lieben, daß die Weisheit, Macht
und Stärke

Deiner unumschränkten Gottheit, unsern Geist weit über-
steigen.

Redet
R r 3

Eine Lehr-reiche Geſchichte.
uns einander mit: wo aber nicht; ermuntern wir
unſere Jdeen durch die Betrachtungen, welche ich von
einem großen Geiſte in ſpaniſcher Sprache uͤber dieſen
majeſtaͤtiſchen Vorwurf erhalten, und zu meiner Erbau-
ung, ſo gut ich gekonnt, uͤberſetzt habe. Oder wir ver-
leſen des unvergleichlichen Miltons Morgen-Gebet un-
ſerer erſten Eltern bey Erbilckung der aufgehenden
Sonne; laſſen auch ſelbiges wol zuweilen uns von un-
ſerm Kinde, welches bereits der engliſchen Sprache
maͤchtig iſt, und ſolches laͤngſt auswendig gelernet hat,
vorbeten. Wobey ihm der Knabe ſolches ſogleich her-
ſagte, und, ſeines ſchoͤnen Jnhalts halber, von Mirander
bald darauf ſelbſt auswendig gelernet wurde. Es ver-
dienet, ſeiner Schoͤnheit wegen, hier einen Platz, und
lautet alſo:

Aller dieſer Creaturen Herrlichkeit und Wunder-Pracht
Jſt, o Vater alles Guten! durch Dein’ Allmacht bloß,
gemacht!

Dieß ſo wunder- wunderſchoͤne Welt-Gebaͤud’ iſt einzig
Dein.

Welch ein Vorwurf des Erſtaunens mußt Du nun wol ſelbſt
nicht ſeyn!

O du Unausſprechlicher! Deſſen Sitz der Himmel iſt,
Ja weit uͤber alle Himmel, der Du uns unſichtbar biſt,
Oder in der Daͤmmerung Deiner allerſchlechtſten Werke,
Nur allein von uns zu ſehn! welche doch noch deutlich
zeigen,

Daß Dein unbegreiflichs Lieben, daß die Weisheit, Macht
und Staͤrke

Deiner unumſchraͤnkten Gottheit, unſern Geiſt weit uͤber-
ſteigen.

Redet
R r 3
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[629/0643] Eine Lehr-reiche Geſchichte. uns einander mit: wo aber nicht; ermuntern wir unſere Jdeen durch die Betrachtungen, welche ich von einem großen Geiſte in ſpaniſcher Sprache uͤber dieſen majeſtaͤtiſchen Vorwurf erhalten, und zu meiner Erbau- ung, ſo gut ich gekonnt, uͤberſetzt habe. Oder wir ver- leſen des unvergleichlichen Miltons Morgen-Gebet un- ſerer erſten Eltern bey Erbilckung der aufgehenden Sonne; laſſen auch ſelbiges wol zuweilen uns von un- ſerm Kinde, welches bereits der engliſchen Sprache maͤchtig iſt, und ſolches laͤngſt auswendig gelernet hat, vorbeten. Wobey ihm der Knabe ſolches ſogleich her- ſagte, und, ſeines ſchoͤnen Jnhalts halber, von Mirander bald darauf ſelbſt auswendig gelernet wurde. Es ver- dienet, ſeiner Schoͤnheit wegen, hier einen Platz, und lautet alſo: Aller dieſer Creaturen Herrlichkeit und Wunder-Pracht Jſt, o Vater alles Guten! durch Dein’ Allmacht bloß, gemacht! Dieß ſo wunder- wunderſchoͤne Welt-Gebaͤud’ iſt einzig Dein. Welch ein Vorwurf des Erſtaunens mußt Du nun wol ſelbſt nicht ſeyn! O du Unausſprechlicher! Deſſen Sitz der Himmel iſt, Ja weit uͤber alle Himmel, der Du uns unſichtbar biſt, Oder in der Daͤmmerung Deiner allerſchlechtſten Werke, Nur allein von uns zu ſehn! welche doch noch deutlich zeigen, Daß Dein unbegreiflichs Lieben, daß die Weisheit, Macht und Staͤrke Deiner unumſchraͤnkten Gottheit, unſern Geiſt weit uͤber- ſteigen. Redet R r 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/643>, abgerufen am 10.05.2024.