Jch will von deinem sanften Schlaf, der bloß der Arbeit Frucht, nicht sprechen; Auch nicht von den so süßen Lüsten, wodurch dein Brodt so lieblich schmeckt, Vom allerbesten Koch gewürzt: wovon der Reiche nichts entdeckt, Da Ueberfluß und Müßiggang ihm Appetit und Magen schwächen. Die mörderischen Plage-Geister, die nie zufriednen Lei- denschaften, Die an dem schwehren Gold', imgleichen am leichten Dunst der Ehre, haften, Die ihren Wirth beständig foltern, beständig hin und wieder reissen, Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im- mer wachen heissen; Die Wellen, die ihn stets erheben, und stets versenken, deren Brand Die Seele bis aufs Mark verzehrt, sind dir Glückselgen unbekannt. Hingegen kannst du ja das schönste von allen Dingen, welche schön, Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel öfterer, als jene, sehn, Und (wenn du es nur erst gewohnt) dich an derselben wahren Schätzen Nicht nur allein, in sanfter Lust; der Gottheit Selbst, zur Ehr', ergetzen.
Doch,
Nutzen des Mangels,
Jch will von deinem ſanften Schlaf, der bloß der Arbeit Frucht, nicht ſprechen; Auch nicht von den ſo ſuͤßen Luͤſten, wodurch dein Brodt ſo lieblich ſchmeckt, Vom allerbeſten Koch gewuͤrzt: wovon der Reiche nichts entdeckt, Da Ueberfluß und Muͤßiggang ihm Appetit und Magen ſchwaͤchen. Die moͤrderiſchen Plage-Geiſter, die nie zufriednen Lei- denſchaften, Die an dem ſchwehren Gold’, imgleichen am leichten Dunſt der Ehre, haften, Die ihren Wirth beſtaͤndig foltern, beſtaͤndig hin und wieder reiſſen, Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im- mer wachen heiſſen; Die Wellen, die ihn ſtets erheben, und ſtets verſenken, deren Brand Die Seele bis aufs Mark verzehrt, ſind dir Gluͤckſelgen unbekannt. Hingegen kannſt du ja das ſchoͤnſte von allen Dingen, welche ſchoͤn, Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel oͤfterer, als jene, ſehn, Und (wenn du es nur erſt gewohnt) dich an derſelben wahren Schaͤtzen Nicht nur allein, in ſanfter Luſt; der Gottheit Selbſt, zur Ehr’, ergetzen.
Doch,
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[304/0318]
Nutzen des Mangels,
Jch will von deinem ſanften Schlaf, der bloß der Arbeit
Frucht, nicht ſprechen;
Auch nicht von den ſo ſuͤßen Luͤſten, wodurch dein Brodt
ſo lieblich ſchmeckt,
Vom allerbeſten Koch gewuͤrzt: wovon der Reiche nichts
entdeckt,
Da Ueberfluß und Muͤßiggang ihm Appetit und Magen
ſchwaͤchen.
Die moͤrderiſchen Plage-Geiſter, die nie zufriednen Lei-
denſchaften,
Die an dem ſchwehren Gold’, imgleichen am leichten
Dunſt der Ehre, haften,
Die ihren Wirth beſtaͤndig foltern, beſtaͤndig hin und
wieder reiſſen,
Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im-
mer wachen heiſſen;
Die Wellen, die ihn ſtets erheben, und ſtets verſenken,
deren Brand
Die Seele bis aufs Mark verzehrt, ſind dir Gluͤckſelgen
unbekannt.
Hingegen kannſt du ja das ſchoͤnſte von allen Dingen,
welche ſchoͤn,
Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel oͤfterer,
als jene, ſehn,
Und (wenn du es nur erſt gewohnt) dich an derſelben
wahren Schaͤtzen
Nicht nur allein, in ſanfter Luſt; der Gottheit Selbſt,
zur Ehr’, ergetzen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/318>, abgerufen am 23.06.2024.
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