Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Nutzen des Mangels,
Jch will von deinem sanften Schlaf, der bloß der Arbeit
Frucht, nicht sprechen;

Auch nicht von den so süßen Lüsten, wodurch dein Brodt
so lieblich schmeckt,

Vom allerbesten Koch gewürzt: wovon der Reiche nichts
entdeckt,

Da Ueberfluß und Müßiggang ihm Appetit und Magen
schwächen.

Die mörderischen Plage-Geister, die nie zufriednen Lei-
denschaften,

Die an dem schwehren Gold', imgleichen am leichten
Dunst der Ehre, haften,

Die ihren Wirth beständig foltern, beständig hin und
wieder reissen,

Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im-
mer wachen heissen;

Die Wellen, die ihn stets erheben, und stets versenken,
deren Brand

Die Seele bis aufs Mark verzehrt, sind dir Glückselgen
unbekannt.

Hingegen kannst du ja das schönste von allen Dingen,
welche schön,

Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel öfterer,
als jene, sehn,

Und (wenn du es nur erst gewohnt) dich an derselben
wahren Schätzen

Nicht nur allein, in sanfter Lust; der Gottheit Selbst,
zur Ehr', ergetzen.
Doch,
Nutzen des Mangels,
Jch will von deinem ſanften Schlaf, der bloß der Arbeit
Frucht, nicht ſprechen;

Auch nicht von den ſo ſuͤßen Luͤſten, wodurch dein Brodt
ſo lieblich ſchmeckt,

Vom allerbeſten Koch gewuͤrzt: wovon der Reiche nichts
entdeckt,

Da Ueberfluß und Muͤßiggang ihm Appetit und Magen
ſchwaͤchen.

Die moͤrderiſchen Plage-Geiſter, die nie zufriednen Lei-
denſchaften,

Die an dem ſchwehren Gold’, imgleichen am leichten
Dunſt der Ehre, haften,

Die ihren Wirth beſtaͤndig foltern, beſtaͤndig hin und
wieder reiſſen,

Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im-
mer wachen heiſſen;

Die Wellen, die ihn ſtets erheben, und ſtets verſenken,
deren Brand

Die Seele bis aufs Mark verzehrt, ſind dir Gluͤckſelgen
unbekannt.

Hingegen kannſt du ja das ſchoͤnſte von allen Dingen,
welche ſchoͤn,

Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel oͤfterer,
als jene, ſehn,

Und (wenn du es nur erſt gewohnt) dich an derſelben
wahren Schaͤtzen

Nicht nur allein, in ſanfter Luſt; der Gottheit Selbſt,
zur Ehr’, ergetzen.
Doch,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0318" n="304"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Nutzen des Mangels,</hi> </fw><lb/>
              <lg n="35">
                <l>Jch will von deinem &#x017F;anften Schlaf, der bloß der Arbeit<lb/><hi rendition="#et">Frucht, nicht &#x017F;prechen;</hi></l><lb/>
                <l>Auch nicht von den &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ßen Lu&#x0364;&#x017F;ten, wodurch dein Brodt<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o lieblich &#x017F;chmeckt,</hi></l><lb/>
                <l>Vom allerbe&#x017F;ten Koch gewu&#x0364;rzt: wovon der Reiche nichts<lb/><hi rendition="#et">entdeckt,</hi></l><lb/>
                <l>Da Ueberfluß und Mu&#x0364;ßiggang ihm Appetit und Magen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwa&#x0364;chen.</hi></l><lb/>
                <l>Die mo&#x0364;rderi&#x017F;chen Plage-Gei&#x017F;ter, die nie zufriednen Lei-<lb/><hi rendition="#et">den&#x017F;chaften,</hi></l><lb/>
                <l>Die an dem &#x017F;chwehren Gold&#x2019;, imgleichen am leichten<lb/><hi rendition="#et">Dun&#x017F;t der Ehre, haften,</hi></l><lb/>
                <l>Die ihren Wirth be&#x017F;ta&#x0364;ndig foltern, be&#x017F;ta&#x0364;ndig hin und<lb/><hi rendition="#et">wieder rei&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im-<lb/><hi rendition="#et">mer wachen hei&#x017F;&#x017F;en;</hi></l><lb/>
                <l>Die Wellen, die ihn &#x017F;tets erheben, und &#x017F;tets ver&#x017F;enken,<lb/><hi rendition="#et">deren Brand</hi></l><lb/>
                <l>Die Seele bis aufs Mark verzehrt, &#x017F;ind dir Glu&#x0364;ck&#x017F;elgen<lb/><hi rendition="#et">unbekannt.</hi></l><lb/>
                <l>Hingegen kann&#x017F;t du ja das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te von allen Dingen,<lb/><hi rendition="#et">welche &#x017F;cho&#x0364;n,</hi></l><lb/>
                <l>Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel o&#x0364;fterer,<lb/><hi rendition="#et">als jene, &#x017F;ehn,</hi></l><lb/>
                <l>Und (wenn du es nur er&#x017F;t gewohnt) dich an der&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#et">wahren Scha&#x0364;tzen</hi></l><lb/>
                <l>Nicht nur allein, in &#x017F;anfter Lu&#x017F;t; der Gottheit Selb&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#et">zur Ehr&#x2019;, ergetzen.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Doch,</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0318] Nutzen des Mangels, Jch will von deinem ſanften Schlaf, der bloß der Arbeit Frucht, nicht ſprechen; Auch nicht von den ſo ſuͤßen Luͤſten, wodurch dein Brodt ſo lieblich ſchmeckt, Vom allerbeſten Koch gewuͤrzt: wovon der Reiche nichts entdeckt, Da Ueberfluß und Muͤßiggang ihm Appetit und Magen ſchwaͤchen. Die moͤrderiſchen Plage-Geiſter, die nie zufriednen Lei- denſchaften, Die an dem ſchwehren Gold’, imgleichen am leichten Dunſt der Ehre, haften, Die ihren Wirth beſtaͤndig foltern, beſtaͤndig hin und wieder reiſſen, Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im- mer wachen heiſſen; Die Wellen, die ihn ſtets erheben, und ſtets verſenken, deren Brand Die Seele bis aufs Mark verzehrt, ſind dir Gluͤckſelgen unbekannt. Hingegen kannſt du ja das ſchoͤnſte von allen Dingen, welche ſchoͤn, Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel oͤfterer, als jene, ſehn, Und (wenn du es nur erſt gewohnt) dich an derſelben wahren Schaͤtzen Nicht nur allein, in ſanfter Luſt; der Gottheit Selbſt, zur Ehr’, ergetzen. Doch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/318
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/318>, abgerufen am 23.06.2024.