Jn einem angenehmen Herbst, bey ganz entwölktem heiterm Wetter, Jndem ich im verdünnten Schatten, bald Blätter-loser Bäume, geh', Und des so schön gefärbten Laubes annoch vorhandnen Rest beseh; Befällt mich schnell ein sanfter Regen, von selbst herab- gesunkner Blätter. Ein reges Schweben füllt die Luft. Es zirkelt, schwärmt' und drehte sich, Jhr bunt, sanft abwärts sinkend Heer; doch selten im geraden Strich. Es schien die Luft, sich zu bemühn, den Schmuck, der sie bisher gezieret, So lang es möglich, zu behalten, und hindert' ihren schnellen Fall. Hiedurch ward ihre leichte Last, im weiten Luft-Kreis überall, Jn kleinen Zirkelchen bewegt, in sanften Wirbeln um- geführet, Bevor ein jedes seinen Zweck, und seiner Mutter Schooß, berühret; Um sie, bevor sie aufgelöst, und sich dem Sichtlichen entrücken, Mit Decken, die weit schöner noch, als persianische, zu schmücken.
Jch
Gedanken bey dem Fall der Blaͤtter im Herbſt.
Jn einem angenehmen Herbſt, bey ganz entwoͤlktem heiterm Wetter, Jndem ich im verduͤnnten Schatten, bald Blaͤtter-loſer Baͤume, geh’, Und des ſo ſchoͤn gefaͤrbten Laubes annoch vorhandnen Reſt beſeh; Befaͤllt mich ſchnell ein ſanfter Regen, von ſelbſt herab- geſunkner Blaͤtter. Ein reges Schweben fuͤllt die Luft. Es zirkelt, ſchwaͤrmt’ und drehte ſich, Jhr bunt, ſanft abwaͤrts ſinkend Heer; doch ſelten im geraden Strich. Es ſchien die Luft, ſich zu bemuͤhn, den Schmuck, der ſie bisher gezieret, So lang es moͤglich, zu behalten, und hindert’ ihren ſchnellen Fall. Hiedurch ward ihre leichte Laſt, im weiten Luft-Kreis uͤberall, Jn kleinen Zirkelchen bewegt, in ſanften Wirbeln um- gefuͤhret, Bevor ein jedes ſeinen Zweck, und ſeiner Mutter Schooß, beruͤhret; Um ſie, bevor ſie aufgeloͤſt, und ſich dem Sichtlichen entruͤcken, Mit Decken, die weit ſchoͤner noch, als perſianiſche, zu ſchmuͤcken.
Jch
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Gedanken bey dem Fall der Blaͤtter
im Herbſt.
Jn einem angenehmen Herbſt, bey ganz entwoͤlktem
heiterm Wetter,
Jndem ich im verduͤnnten Schatten, bald Blaͤtter-loſer
Baͤume, geh’,
Und des ſo ſchoͤn gefaͤrbten Laubes annoch vorhandnen
Reſt beſeh;
Befaͤllt mich ſchnell ein ſanfter Regen, von ſelbſt herab-
geſunkner Blaͤtter.
Ein reges Schweben fuͤllt die Luft. Es zirkelt, ſchwaͤrmt’
und drehte ſich,
Jhr bunt, ſanft abwaͤrts ſinkend Heer; doch ſelten im
geraden Strich.
Es ſchien die Luft, ſich zu bemuͤhn, den Schmuck, der
ſie bisher gezieret,
So lang es moͤglich, zu behalten, und hindert’ ihren
ſchnellen Fall.
Hiedurch ward ihre leichte Laſt, im weiten Luft-Kreis
uͤberall,
Jn kleinen Zirkelchen bewegt, in ſanften Wirbeln um-
gefuͤhret,
Bevor ein jedes ſeinen Zweck, und ſeiner Mutter Schooß,
beruͤhret;
Um ſie, bevor ſie aufgeloͤſt, und ſich dem Sichtlichen
entruͤcken,
Mit Decken, die weit ſchoͤner noch, als perſianiſche,
zu ſchmuͤcken.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/244>, abgerufen am 16.02.2025.
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