Er wird so gar, in stiller Einsamkeit, Zu einer Art Zufriedenheit Gebracht, und allgemach, mit Lust, darinn versenket, So, daß er ernsthaft- fast und tiefer jetzt gedenket, Als wie zu andrer Zeit.
So mancher, von der schönen Blätter Last Bereits beraubte, schwarze Ast Vermehret seine Traurigkeit; Doch wird sie, da der Blick dadurch nicht mehr gehindert Und aufgehalten wird, durch den gefärbten Rest Der Blätter, die annoch an ihren Zweigen fest, Jn einer schönen Fern, gemildert und gelindert. Wie eine bunte Dämmerung, im Herbst, der Erden Fläche deckt; So fühlt man, daß sie sich auch auf den Geist erstreckt: Es wird, wie man es jetzt bemerkt, Die Kraft zu denken, fast gestärkt.
Die rege Flüchtigkeit der eilenden Gedanken Bezähmt und ziehet sich in abgemeßne Schranken. Man zieht, vom gar zu starken Licht der hellen Vorwürf' ungeblendet, Sich in sich selbst: da die Beschaffenheit Sich, mehrentheils, bey der Vergänglichkeit Der Blätter, auch auf unsrer Lebens-Zeit Vergänglichen und flüchtgen Zustand wendet; Die aber, glaubet man nur fest, Uns einen bessern hoffen läßt.
Verschiedne siehet man fast sichtbarlich erbleichen. Das Gelbe mehret sich, es mindert sich das Grün; Verschiedne siehet man von ihrem Sitze fliehn; Von vielen sieht man schon die kleinen Leichen;
Verschiedne
Gedanken im Herbſt, wenn es truͤbe.
Er wird ſo gar, in ſtiller Einſamkeit, Zu einer Art Zufriedenheit Gebracht, und allgemach, mit Luſt, darinn verſenket, So, daß er ernſthaft- faſt und tiefer jetzt gedenket, Als wie zu andrer Zeit.
So mancher, von der ſchoͤnen Blaͤtter Laſt Bereits beraubte, ſchwarze Aſt Vermehret ſeine Traurigkeit; Doch wird ſie, da der Blick dadurch nicht mehr gehindert Und aufgehalten wird, durch den gefaͤrbten Reſt Der Blaͤtter, die annoch an ihren Zweigen feſt, Jn einer ſchoͤnen Fern, gemildert und gelindert. Wie eine bunte Daͤmmerung, im Herbſt, der Erden Flaͤche deckt; So fuͤhlt man, daß ſie ſich auch auf den Geiſt erſtreckt: Es wird, wie man es jetzt bemerkt, Die Kraft zu denken, faſt geſtaͤrkt.
Die rege Fluͤchtigkeit der eilenden Gedanken Bezaͤhmt und ziehet ſich in abgemeßne Schranken. Man zieht, vom gar zu ſtarken Licht der hellen Vorwuͤrf’ ungeblendet, Sich in ſich ſelbſt: da die Beſchaffenheit Sich, mehrentheils, bey der Vergaͤnglichkeit Der Blaͤtter, auch auf unſrer Lebens-Zeit Vergaͤnglichen und fluͤchtgen Zuſtand wendet; Die aber, glaubet man nur feſt, Uns einen beſſern hoffen laͤßt.
Verſchiedne ſiehet man faſt ſichtbarlich erbleichen. Das Gelbe mehret ſich, es mindert ſich das Gruͤn; Verſchiedne ſiehet man von ihrem Sitze fliehn; Von vielen ſieht man ſchon die kleinen Leichen;
Verſchiedne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0242"n="228"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Gedanken im Herbſt, wenn es truͤbe.</hi></fw><lb/><lgn="5"><l>Er wird ſo gar, in ſtiller Einſamkeit,</l><lb/><l>Zu einer Art Zufriedenheit</l><lb/><l>Gebracht, und allgemach, mit Luſt, darinn verſenket,</l><lb/><l>So, daß er ernſthaft- faſt und tiefer jetzt gedenket,</l><lb/><l>Als wie zu andrer Zeit.</l></lg><lb/><lgn="6"><l>So mancher, von der ſchoͤnen Blaͤtter Laſt</l><lb/><l>Bereits beraubte, ſchwarze Aſt</l><lb/><l>Vermehret ſeine Traurigkeit;</l><lb/><l>Doch wird ſie, da der Blick dadurch nicht mehr gehindert</l><lb/><l>Und aufgehalten wird, durch den gefaͤrbten Reſt</l><lb/><l>Der Blaͤtter, die annoch an ihren Zweigen feſt,</l><lb/><l>Jn einer ſchoͤnen Fern, gemildert und gelindert.</l><lb/><l>Wie eine bunte Daͤmmerung, im Herbſt, der Erden<lb/><hirendition="#et">Flaͤche deckt;</hi></l><lb/><l>So fuͤhlt man, daß ſie ſich auch auf den Geiſt erſtreckt:</l><lb/><l>Es wird, wie man es jetzt bemerkt,</l><lb/><l>Die Kraft zu denken, faſt geſtaͤrkt.</l></lg><lb/><lgn="7"><l>Die rege Fluͤchtigkeit der eilenden Gedanken</l><lb/><l>Bezaͤhmt und ziehet ſich in abgemeßne Schranken.</l><lb/><l>Man zieht, vom gar zu ſtarken Licht der hellen Vorwuͤrf’<lb/><hirendition="#et">ungeblendet,</hi></l><lb/><l>Sich in ſich ſelbſt: da die Beſchaffenheit</l><lb/><l>Sich, mehrentheils, bey der Vergaͤnglichkeit</l><lb/><l>Der Blaͤtter, auch auf unſrer Lebens-Zeit</l><lb/><l>Vergaͤnglichen und fluͤchtgen Zuſtand wendet;</l><lb/><l>Die aber, glaubet man nur feſt,</l><lb/><l>Uns einen beſſern hoffen laͤßt.</l></lg><lb/><lgn="8"><l>Verſchiedne ſiehet man faſt ſichtbarlich erbleichen.</l><lb/><l>Das Gelbe mehret ſich, es mindert ſich das Gruͤn;</l><lb/><l>Verſchiedne ſiehet man von ihrem Sitze fliehn;</l><lb/><l>Von vielen ſieht man ſchon die kleinen Leichen;</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Verſchiedne</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[228/0242]
Gedanken im Herbſt, wenn es truͤbe.
Er wird ſo gar, in ſtiller Einſamkeit,
Zu einer Art Zufriedenheit
Gebracht, und allgemach, mit Luſt, darinn verſenket,
So, daß er ernſthaft- faſt und tiefer jetzt gedenket,
Als wie zu andrer Zeit.
So mancher, von der ſchoͤnen Blaͤtter Laſt
Bereits beraubte, ſchwarze Aſt
Vermehret ſeine Traurigkeit;
Doch wird ſie, da der Blick dadurch nicht mehr gehindert
Und aufgehalten wird, durch den gefaͤrbten Reſt
Der Blaͤtter, die annoch an ihren Zweigen feſt,
Jn einer ſchoͤnen Fern, gemildert und gelindert.
Wie eine bunte Daͤmmerung, im Herbſt, der Erden
Flaͤche deckt;
So fuͤhlt man, daß ſie ſich auch auf den Geiſt erſtreckt:
Es wird, wie man es jetzt bemerkt,
Die Kraft zu denken, faſt geſtaͤrkt.
Die rege Fluͤchtigkeit der eilenden Gedanken
Bezaͤhmt und ziehet ſich in abgemeßne Schranken.
Man zieht, vom gar zu ſtarken Licht der hellen Vorwuͤrf’
ungeblendet,
Sich in ſich ſelbſt: da die Beſchaffenheit
Sich, mehrentheils, bey der Vergaͤnglichkeit
Der Blaͤtter, auch auf unſrer Lebens-Zeit
Vergaͤnglichen und fluͤchtgen Zuſtand wendet;
Die aber, glaubet man nur feſt,
Uns einen beſſern hoffen laͤßt.
Verſchiedne ſiehet man faſt ſichtbarlich erbleichen.
Das Gelbe mehret ſich, es mindert ſich das Gruͤn;
Verſchiedne ſiehet man von ihrem Sitze fliehn;
Von vielen ſieht man ſchon die kleinen Leichen;
Verſchiedne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/242>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.