Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus den Complaints oder Night-Thougts,
Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie sehr
du dich verschuldet,
Und alles umzukehren suchst, dich doch des Schöpfers
Güte duldet;
So wünsch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur
gemässen Lehren
Dein ganz verfinstertes Gemüht, wo es noch möglich,
aufzuklären.
Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten könntest, was
auf Erden,
Durch deiner Lehre schwarzes Gift, doch würde für ein Zu-
stand werden!
Die Hölle wäre nicht so schrecklich, es würden, in gering-
rer Pein,
Die Teufel selber glücklicher, als wie der Erden Bürger,
seyn.
Wo unser Blick nur Larven sehe, das Ohr ein ewigs
Heulen hörte,
Die Zunge Gall und Gift nur schmeckte, die Nas' ein steter
Stank beschwehrte,
Und, im empfindlichen Gefühl, ein scharfer Schmerz sich
stets vermehrte,
Zu welcher Noht du uns verdammst; wer könnt', in sol-
chem Pfuhl von Plagen,
Die Menschen, die Natur, die Welt, ja gar sein eignes
Jch ertragen?
Die Gottheit wäre Selbst vernichtet, als welche fehlt,
wenn Liebe fehlt.
Dieß ist ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt
erwählt,
Die dein verbittertes Gemüht, aus grämlicher Melancholey,
Und der, durch ihren schwehren Drang, verwirrten, düstern
Phantasey,
Durch
Aus den Complaints oder Night-Thougts,
Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie ſehr
du dich verſchuldet,
Und alles umzukehren ſuchſt, dich doch des Schoͤpfers
Guͤte duldet;
So wuͤnſch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur
gemaͤſſen Lehren
Dein ganz verfinſtertes Gemuͤht, wo es noch moͤglich,
aufzuklaͤren.
Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten koͤnnteſt, was
auf Erden,
Durch deiner Lehre ſchwarzes Gift, doch wuͤrde fuͤr ein Zu-
ſtand werden!
Die Hoͤlle waͤre nicht ſo ſchrecklich, es wuͤrden, in gering-
rer Pein,
Die Teufel ſelber gluͤcklicher, als wie der Erden Buͤrger,
ſeyn.
Wo unſer Blick nur Larven ſehe, das Ohr ein ewigs
Heulen hoͤrte,
Die Zunge Gall und Gift nur ſchmeckte, die Naſ’ ein ſteter
Stank beſchwehrte,
Und, im empfindlichen Gefuͤhl, ein ſcharfer Schmerz ſich
ſtets vermehrte,
Zu welcher Noht du uns verdammſt; wer koͤnnt’, in ſol-
chem Pfuhl von Plagen,
Die Menſchen, die Natur, die Welt, ja gar ſein eignes
Jch ertragen?
Die Gottheit waͤre Selbſt vernichtet, als welche fehlt,
wenn Liebe fehlt.
Dieß iſt ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt
erwaͤhlt,
Die dein verbittertes Gemuͤht, aus graͤmlicher Melancholey,
Und der, durch ihren ſchwehren Drang, verwirrten, duͤſtern
Phantaſey,
Durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0750" n="732"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aus den</hi> <hi rendition="#aq">Complaints</hi> <hi rendition="#b">oder</hi> <hi rendition="#aq">Night-Thougts,</hi> </fw><lb/>
                <lg n="4">
                  <l>Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie &#x017F;ehr</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">du dich ver&#x017F;chuldet,</hi> </l><lb/>
                  <l>Und alles umzukehren &#x017F;uch&#x017F;t, dich doch des Scho&#x0364;pfers</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">Gu&#x0364;te duldet;</hi> </l><lb/>
                  <l>So wu&#x0364;n&#x017F;ch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Lehren</hi> </l><lb/>
                  <l>Dein ganz verfin&#x017F;tertes Gemu&#x0364;ht, wo es noch mo&#x0364;glich,</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">aufzukla&#x0364;ren.</hi> </l><lb/>
                  <l>Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten ko&#x0364;nnte&#x017F;t, was</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">auf Erden,</hi> </l><lb/>
                  <l>Durch deiner Lehre &#x017F;chwarzes Gift, doch wu&#x0364;rde fu&#x0364;r ein Zu-</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tand werden!</hi> </l><lb/>
                  <l>Die Ho&#x0364;lle wa&#x0364;re nicht &#x017F;o &#x017F;chrecklich, es wu&#x0364;rden, in gering-</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">rer Pein,</hi> </l><lb/>
                  <l>Die Teufel &#x017F;elber glu&#x0364;cklicher, als wie der Erden Bu&#x0364;rger,</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eyn.</hi> </l><lb/>
                  <l>Wo un&#x017F;er Blick nur Larven &#x017F;ehe, das Ohr ein ewigs</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">Heulen ho&#x0364;rte,</hi> </l><lb/>
                  <l>Die Zunge Gall und Gift nur &#x017F;chmeckte, die Na&#x017F;&#x2019; ein &#x017F;teter</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">Stank be&#x017F;chwehrte,</hi> </l><lb/>
                  <l>Und, im empfindlichen Gefu&#x0364;hl, ein &#x017F;charfer Schmerz &#x017F;ich</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tets vermehrte,</hi> </l><lb/>
                  <l>Zu welcher Noht du uns verdamm&#x017F;t; wer ko&#x0364;nnt&#x2019;, in &#x017F;ol-</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">chem Pfuhl von Plagen,</hi> </l><lb/>
                  <l>Die Men&#x017F;chen, die Natur, die Welt, ja gar &#x017F;ein eignes</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">Jch ertragen?</hi> </l><lb/>
                  <l>Die Gottheit wa&#x0364;re Selb&#x017F;t vernichtet, als welche fehlt,</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">wenn Liebe fehlt.</hi> </l><lb/>
                  <l>Dieß i&#x017F;t ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">erwa&#x0364;hlt,</hi> </l><lb/>
                  <l>Die dein verbittertes Gemu&#x0364;ht, aus gra&#x0364;mlicher Melancholey,</l><lb/>
                  <l>Und der, durch ihren &#x017F;chwehren Drang, verwirrten, du&#x0364;&#x017F;tern</l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#et">Phanta&#x017F;ey,</hi> </l>
                </lg><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Durch</fw><lb/>
              </lg>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[732/0750] Aus den Complaints oder Night-Thougts, Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie ſehr du dich verſchuldet, Und alles umzukehren ſuchſt, dich doch des Schoͤpfers Guͤte duldet; So wuͤnſch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur gemaͤſſen Lehren Dein ganz verfinſtertes Gemuͤht, wo es noch moͤglich, aufzuklaͤren. Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten koͤnnteſt, was auf Erden, Durch deiner Lehre ſchwarzes Gift, doch wuͤrde fuͤr ein Zu- ſtand werden! Die Hoͤlle waͤre nicht ſo ſchrecklich, es wuͤrden, in gering- rer Pein, Die Teufel ſelber gluͤcklicher, als wie der Erden Buͤrger, ſeyn. Wo unſer Blick nur Larven ſehe, das Ohr ein ewigs Heulen hoͤrte, Die Zunge Gall und Gift nur ſchmeckte, die Naſ’ ein ſteter Stank beſchwehrte, Und, im empfindlichen Gefuͤhl, ein ſcharfer Schmerz ſich ſtets vermehrte, Zu welcher Noht du uns verdammſt; wer koͤnnt’, in ſol- chem Pfuhl von Plagen, Die Menſchen, die Natur, die Welt, ja gar ſein eignes Jch ertragen? Die Gottheit waͤre Selbſt vernichtet, als welche fehlt, wenn Liebe fehlt. Dieß iſt ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt erwaͤhlt, Die dein verbittertes Gemuͤht, aus graͤmlicher Melancholey, Und der, durch ihren ſchwehren Drang, verwirrten, duͤſtern Phantaſey, Durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/750
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/750>, abgerufen am 16.07.2024.