Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie sehr du dich verschuldet, Und alles umzukehren suchst, dich doch des Schöpfers Güte duldet; So wünsch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur gemässen Lehren Dein ganz verfinstertes Gemüht, wo es noch möglich, aufzuklären. Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten könntest, was auf Erden, Durch deiner Lehre schwarzes Gift, doch würde für ein Zu- stand werden! Die Hölle wäre nicht so schrecklich, es würden, in gering- rer Pein, Die Teufel selber glücklicher, als wie der Erden Bürger, seyn. Wo unser Blick nur Larven sehe, das Ohr ein ewigs Heulen hörte, Die Zunge Gall und Gift nur schmeckte, die Nas' ein steter Stank beschwehrte, Und, im empfindlichen Gefühl, ein scharfer Schmerz sich stets vermehrte, Zu welcher Noht du uns verdammst; wer könnt', in sol- chem Pfuhl von Plagen, Die Menschen, die Natur, die Welt, ja gar sein eignes Jch ertragen? Die Gottheit wäre Selbst vernichtet, als welche fehlt, wenn Liebe fehlt. Dieß ist ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt erwählt, Die dein verbittertes Gemüht, aus grämlicher Melancholey, Und der, durch ihren schwehren Drang, verwirrten, düstern Phantasey,
Durch
Aus denComplaintsoderNight-Thougts,
Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie ſehr du dich verſchuldet, Und alles umzukehren ſuchſt, dich doch des Schoͤpfers Guͤte duldet; So wuͤnſch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur gemaͤſſen Lehren Dein ganz verfinſtertes Gemuͤht, wo es noch moͤglich, aufzuklaͤren. Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten koͤnnteſt, was auf Erden, Durch deiner Lehre ſchwarzes Gift, doch wuͤrde fuͤr ein Zu- ſtand werden! Die Hoͤlle waͤre nicht ſo ſchrecklich, es wuͤrden, in gering- rer Pein, Die Teufel ſelber gluͤcklicher, als wie der Erden Buͤrger, ſeyn. Wo unſer Blick nur Larven ſehe, das Ohr ein ewigs Heulen hoͤrte, Die Zunge Gall und Gift nur ſchmeckte, die Naſ’ ein ſteter Stank beſchwehrte, Und, im empfindlichen Gefuͤhl, ein ſcharfer Schmerz ſich ſtets vermehrte, Zu welcher Noht du uns verdammſt; wer koͤnnt’, in ſol- chem Pfuhl von Plagen, Die Menſchen, die Natur, die Welt, ja gar ſein eignes Jch ertragen? Die Gottheit waͤre Selbſt vernichtet, als welche fehlt, wenn Liebe fehlt. Dieß iſt ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt erwaͤhlt, Die dein verbittertes Gemuͤht, aus graͤmlicher Melancholey, Und der, durch ihren ſchwehren Drang, verwirrten, duͤſtern Phantaſey,
Durch
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Aus den Complaints oder Night-Thougts,
Daß GOtt dergleichen dulden kann. Doch weil, wie ſehr
du dich verſchuldet,
Und alles umzukehren ſuchſt, dich doch des Schoͤpfers
Guͤte duldet;
So wuͤnſch ich, GOttes Huld bewundernd, mit der Natur
gemaͤſſen Lehren
Dein ganz verfinſtertes Gemuͤht, wo es noch moͤglich,
aufzuklaͤren.
Erwege, wenn du deinen Zweck erhalten koͤnnteſt, was
auf Erden,
Durch deiner Lehre ſchwarzes Gift, doch wuͤrde fuͤr ein Zu-
ſtand werden!
Die Hoͤlle waͤre nicht ſo ſchrecklich, es wuͤrden, in gering-
rer Pein,
Die Teufel ſelber gluͤcklicher, als wie der Erden Buͤrger,
ſeyn.
Wo unſer Blick nur Larven ſehe, das Ohr ein ewigs
Heulen hoͤrte,
Die Zunge Gall und Gift nur ſchmeckte, die Naſ’ ein ſteter
Stank beſchwehrte,
Und, im empfindlichen Gefuͤhl, ein ſcharfer Schmerz ſich
ſtets vermehrte,
Zu welcher Noht du uns verdammſt; wer koͤnnt’, in ſol-
chem Pfuhl von Plagen,
Die Menſchen, die Natur, die Welt, ja gar ſein eignes
Jch ertragen?
Die Gottheit waͤre Selbſt vernichtet, als welche fehlt,
wenn Liebe fehlt.
Dieß iſt ein Abriß von der Welt, die du zu deiner Welt
erwaͤhlt,
Die dein verbittertes Gemuͤht, aus graͤmlicher Melancholey,
Und der, durch ihren ſchwehren Drang, verwirrten, duͤſtern
Phantaſey,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/750>, abgerufen am 16.07.2024.
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