Wovon jedoch die mehresten, um die Gesundheit uns zu mehren, Die wir oft selber abgenützt, und neue Kräft' uns zu ge- wehren, Jn unserm Leben uns befallen. Wir sollten billig über- legen, Wie lange Zeit uns nichts gefehlt, wie lange wir gesund gewesen, Ja wie so oft wir von der Krankheit befreyet worden und genesen; Wie auch die Zeit kann wiederkommen, da wir von allen Schmerzen frey, Und wie sodann ein solcher Schmerz, wie groß er gleich, wenn er vorbey, Als wär er wirklich nicht gewesen, mit Recht denn anzu- sehen sey. Die Hoffnung, daß die Zeit der Beßrung dürft' in gar kurzer Zeit erscheinen, Jst wahrlich ein beträchtlich Gut, und herrlicher als wir vermeynen. Und endlich, wenn so gar die Hoffnung zu leben bey uns aufgehört, Wird insgemein die Lust zu sterben bey uns am kräftigsten gemehrt, Durch einen Widersinn zum Leben, als welches, durch die herbe Pein, Uns immer mehr verbittert wird. Da denn die Kranken insgemein Den Tod, als ihrer Plagen Ende, getrieben werden anzu- sehn. Wie denn die allermehresten GOtt um ein baldigs End' anflehn,
Und
der Schoͤnheit der Welt.
Wovon jedoch die mehreſten, um die Geſundheit uns zu mehren, Die wir oft ſelber abgenuͤtzt, und neue Kraͤft’ uns zu ge- wehren, Jn unſerm Leben uns befallen. Wir ſollten billig uͤber- legen, Wie lange Zeit uns nichts gefehlt, wie lange wir geſund geweſen, Ja wie ſo oft wir von der Krankheit befreyet worden und geneſen; Wie auch die Zeit kann wiederkommen, da wir von allen Schmerzen frey, Und wie ſodann ein ſolcher Schmerz, wie groß er gleich, wenn er vorbey, Als waͤr er wirklich nicht geweſen, mit Recht denn anzu- ſehen ſey. Die Hoffnung, daß die Zeit der Beßrung duͤrft’ in gar kurzer Zeit erſcheinen, Jſt wahrlich ein betraͤchtlich Gut, und herrlicher als wir vermeynen. Und endlich, wenn ſo gar die Hoffnung zu leben bey uns aufgehoͤrt, Wird insgemein die Luſt zu ſterben bey uns am kraͤftigſten gemehrt, Durch einen Widerſinn zum Leben, als welches, durch die herbe Pein, Uns immer mehr verbittert wird. Da denn die Kranken insgemein Den Tod, als ihrer Plagen Ende, getrieben werden anzu- ſehn. Wie denn die allermehreſten GOtt um ein baldigs End’ anflehn,
Und
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der Schoͤnheit der Welt.
Wovon jedoch die mehreſten, um die Geſundheit uns zu
mehren,
Die wir oft ſelber abgenuͤtzt, und neue Kraͤft’ uns zu ge-
wehren,
Jn unſerm Leben uns befallen. Wir ſollten billig uͤber-
legen,
Wie lange Zeit uns nichts gefehlt, wie lange wir geſund
geweſen,
Ja wie ſo oft wir von der Krankheit befreyet worden und
geneſen;
Wie auch die Zeit kann wiederkommen, da wir von allen
Schmerzen frey,
Und wie ſodann ein ſolcher Schmerz, wie groß er gleich,
wenn er vorbey,
Als waͤr er wirklich nicht geweſen, mit Recht denn anzu-
ſehen ſey.
Die Hoffnung, daß die Zeit der Beßrung duͤrft’ in gar
kurzer Zeit erſcheinen,
Jſt wahrlich ein betraͤchtlich Gut, und herrlicher als wir
vermeynen.
Und endlich, wenn ſo gar die Hoffnung zu leben bey uns
aufgehoͤrt,
Wird insgemein die Luſt zu ſterben bey uns am kraͤftigſten
gemehrt,
Durch einen Widerſinn zum Leben, als welches, durch
die herbe Pein,
Uns immer mehr verbittert wird. Da denn die Kranken
insgemein
Den Tod, als ihrer Plagen Ende, getrieben werden anzu-
ſehn.
Wie denn die allermehreſten GOtt um ein baldigs End’
anflehn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/735>, abgerufen am 22.11.2024.
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