Der du, von scharfer Pein durchwühlt, fast als ein Wurm dich öfters windest, Der du die dir so nöht'ge Ruh so öfters wünschest, selten findest. Jch kann um so viel weniger, mit meinem Trost dir bey- zustehn, Dir zuzusprechen, mich enthalten, als wir nur wenig Menschen sehn, Die Krankheit nicht zuweilen drückt. Wie wenig kommen von der Erden, Die nicht auf ihrem Sterbe-Bett erfahren müssen krank zu werden? Es geht demnach, was ich hier lehre, nicht dich allein, fast jedermann, Ja (wer vermag es mir zu sagen, wie bald?) gewiß mich selber an.
Ein jeder Kranker thäte wohl, nach Möglichkeit sich zu bemühen, Die mehrentheils zerstreute Geister auf die Natur und sich zu ziehen. Es ist sein Leibes- Bau gebrechlich, dieß ist und kann nicht anders seyn, Es müßte jemand denn verlangen, der Schöpfer hätte ihn allein Aus einem andern Ton, als alle, erschaffen und formieren sollen, Er müßte der Natur Gesetz, das GOtt verordnet, tadeln wollen. Jst unser Stoff nun, wie er ist; so muß es dann und wann geschehn, Daß eine Krankheit uns befällt, und wir so viele Seuchen sehn,
Wovon
Nuͤtzliche Betrachtung
Der du, von ſcharfer Pein durchwuͤhlt, faſt als ein Wurm dich oͤfters windeſt, Der du die dir ſo noͤht’ge Ruh ſo oͤfters wuͤnſcheſt, ſelten findeſt. Jch kann um ſo viel weniger, mit meinem Troſt dir bey- zuſtehn, Dir zuzuſprechen, mich enthalten, als wir nur wenig Menſchen ſehn, Die Krankheit nicht zuweilen druͤckt. Wie wenig kommen von der Erden, Die nicht auf ihrem Sterbe-Bett erfahren muͤſſen krank zu werden? Es geht demnach, was ich hier lehre, nicht dich allein, faſt jedermann, Ja (wer vermag es mir zu ſagen, wie bald?) gewiß mich ſelber an.
Ein jeder Kranker thaͤte wohl, nach Moͤglichkeit ſich zu bemuͤhen, Die mehrentheils zerſtreute Geiſter auf die Natur und ſich zu ziehen. Es iſt ſein Leibes- Bau gebrechlich, dieß iſt und kann nicht anders ſeyn, Es muͤßte jemand denn verlangen, der Schoͤpfer haͤtte ihn allein Aus einem andern Ton, als alle, erſchaffen und formieren ſollen, Er muͤßte der Natur Geſetz, das GOtt verordnet, tadeln wollen. Jſt unſer Stoff nun, wie er iſt; ſo muß es dann und wann geſchehn, Daß eine Krankheit uns befaͤllt, und wir ſo viele Seuchen ſehn,
Wovon
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Nuͤtzliche Betrachtung
Der du, von ſcharfer Pein durchwuͤhlt, faſt als ein Wurm
dich oͤfters windeſt,
Der du die dir ſo noͤht’ge Ruh ſo oͤfters wuͤnſcheſt, ſelten
findeſt.
Jch kann um ſo viel weniger, mit meinem Troſt dir bey-
zuſtehn,
Dir zuzuſprechen, mich enthalten, als wir nur wenig
Menſchen ſehn,
Die Krankheit nicht zuweilen druͤckt. Wie wenig kommen
von der Erden,
Die nicht auf ihrem Sterbe-Bett erfahren muͤſſen krank
zu werden?
Es geht demnach, was ich hier lehre, nicht dich allein,
faſt jedermann,
Ja (wer vermag es mir zu ſagen, wie bald?) gewiß mich
ſelber an.
Ein jeder Kranker thaͤte wohl, nach Moͤglichkeit ſich zu
bemuͤhen,
Die mehrentheils zerſtreute Geiſter auf die Natur und ſich
zu ziehen.
Es iſt ſein Leibes- Bau gebrechlich, dieß iſt und kann nicht
anders ſeyn,
Es muͤßte jemand denn verlangen, der Schoͤpfer haͤtte ihn
allein
Aus einem andern Ton, als alle, erſchaffen und formieren
ſollen,
Er muͤßte der Natur Geſetz, das GOtt verordnet, tadeln
wollen.
Jſt unſer Stoff nun, wie er iſt; ſo muß es dann und wann
geſchehn,
Daß eine Krankheit uns befaͤllt, und wir ſo viele Seuchen
ſehn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/734>, abgerufen am 22.11.2024.
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