Jst ein umschränkter Menschen-Geist, so wie er ist, mit Recht so kühn Zu fassen, ob nicht die Verändrung in der Natur zu etwas dien', So wir, aus Schwachheit, nicht begreifen? Zudem, so kann es ja geschehn, Daß wir schon Morgen alle Pracht des schönen Frühlings wieder sehn. Die Knospen sind ja schon geschwollen, des Grases Spitzen zeigen sich, Und warten nur auf etwas Wärme. Hat gleich der Winter grimmiglich, Und mehr, als je geschehn, geras't; so siehet man doch offen- bar, Der Saamen ist doch nicht erfroren. Man wird noch über- dem gewahr, Daß auch der Rocken unversehrt, wie stark der Frost gewütet, blieben. Man sieht ihn, auch bey kalter Luft, die grünen Spitzen aufwerts schieben.
Ja, wenn es gleich noch schlimmer wäre; gesetzt, das überbliebne Vieh Stürb' alles, ja die Menschen selber: so würde dieses Elend nie Den ganzen Erd-Kreis doch betreffen. Ja, wenn auch dieses möglich wäre; So folget doch noch lange nicht der Schluß der unglückselgen Lehre: Es sey kein GOtt. Die Millionen von so viel andern Erden blieben, Und zeigten, nach wie vor, die Proben von einer Gottheit, Macht und Lieben.
Ob-
Aufloͤſung eines gemachten
Jſt ein umſchraͤnkter Menſchen-Geiſt, ſo wie er iſt, mit Recht ſo kuͤhn Zu faſſen, ob nicht die Veraͤndrung in der Natur zu etwas dien’, So wir, aus Schwachheit, nicht begreifen? Zudem, ſo kann es ja geſchehn, Daß wir ſchon Morgen alle Pracht des ſchoͤnen Fruͤhlings wieder ſehn. Die Knospen ſind ja ſchon geſchwollen, des Graſes Spitzen zeigen ſich, Und warten nur auf etwas Waͤrme. Hat gleich der Winter grimmiglich, Und mehr, als je geſchehn, geraſ’t; ſo ſiehet man doch offen- bar, Der Saamen iſt doch nicht erfroren. Man wird noch uͤber- dem gewahr, Daß auch der Rocken unverſehrt, wie ſtark der Froſt gewuͤtet, blieben. Man ſieht ihn, auch bey kalter Luft, die gruͤnen Spitzen aufwerts ſchieben.
Ja, wenn es gleich noch ſchlimmer waͤre; geſetzt, das uͤberbliebne Vieh Stuͤrb’ alles, ja die Menſchen ſelber: ſo wuͤrde dieſes Elend nie Den ganzen Erd-Kreis doch betreffen. Ja, wenn auch dieſes moͤglich waͤre; So folget doch noch lange nicht der Schluß der ungluͤckſelgen Lehre: Es ſey kein GOtt. Die Millionen von ſo viel andern Erden blieben, Und zeigten, nach wie vor, die Proben von einer Gottheit, Macht und Lieben.
Ob-
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Aufloͤſung eines gemachten
Jſt ein umſchraͤnkter Menſchen-Geiſt, ſo wie er iſt, mit
Recht ſo kuͤhn
Zu faſſen, ob nicht die Veraͤndrung in der Natur zu etwas
dien’,
So wir, aus Schwachheit, nicht begreifen? Zudem, ſo kann
es ja geſchehn,
Daß wir ſchon Morgen alle Pracht des ſchoͤnen Fruͤhlings
wieder ſehn.
Die Knospen ſind ja ſchon geſchwollen, des Graſes Spitzen
zeigen ſich,
Und warten nur auf etwas Waͤrme. Hat gleich der Winter
grimmiglich,
Und mehr, als je geſchehn, geraſ’t; ſo ſiehet man doch offen-
bar,
Der Saamen iſt doch nicht erfroren. Man wird noch uͤber-
dem gewahr,
Daß auch der Rocken unverſehrt, wie ſtark der Froſt gewuͤtet,
blieben.
Man ſieht ihn, auch bey kalter Luft, die gruͤnen Spitzen
aufwerts ſchieben.
Ja, wenn es gleich noch ſchlimmer waͤre; geſetzt,
das uͤberbliebne Vieh
Stuͤrb’ alles, ja die Menſchen ſelber: ſo wuͤrde dieſes
Elend nie
Den ganzen Erd-Kreis doch betreffen. Ja, wenn auch
dieſes moͤglich waͤre;
So folget doch noch lange nicht der Schluß der ungluͤckſelgen
Lehre:
Es ſey kein GOtt. Die Millionen von ſo viel andern Erden
blieben,
Und zeigten, nach wie vor, die Proben von einer Gottheit,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/652>, abgerufen am 22.11.2024.
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