Hier war es, wo auch meine Luft, Bey eurer schönen Blühte, blühte; Hier, wo ich, mit gerührter Brust, Mein, durch des Schöpfers grosse Güte, Ganz angefülletes Gemühte Erfreut zu zeigen mich bemühte.
Dieß war mein trauriger Gesang, den ich, wie sich kein Frühling wies, Noch gestern, unter dürren Bäumen, auf öden Feldern, schallen ließ. Als heute füg ich ihm annoch, da noch das Wetter einerley, Mit eben so betrübtem Sinn, die folgende Gedanken bey:
Die Bluhmen- Blätter- Kräuter- Vieh- und Menschen- mörderische Kälte Hat, leider! noch nicht ausgeras't. Der May, der uns die Felder grün, Den Wald belaubt, die Gärten bunt, in jedem Jahr vor Augen stellte, Scheint in des kalten Jenners Tracht zu kommen, und sich wegzuziehn, Eilt über Blätter-lose Wipfel, begleitet von dem rauhen Nord, Und über schmutzig-welke Felder, entstellt, betrübt und grämlich, fort. Ach! rief ich: Hier, wo ich vor dem, mit Lust, zu eben die- ser Zeit, Jn vorigen vergangnen Jahren, im holden Grünen, allbe- reit,
Mein,
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gefaͤhrlichen Einwurfs.
Hier war es, wo auch meine Luft, Bey eurer ſchoͤnen Bluͤhte, bluͤhte; Hier, wo ich, mit geruͤhrter Bruſt, Mein, durch des Schoͤpfers groſſe Guͤte, Ganz angefuͤlletes Gemuͤhte Erfreut zu zeigen mich bemuͤhte.
Dieß war mein trauriger Geſang, den ich, wie ſich kein Fruͤhling wies, Noch geſtern, unter duͤrren Baͤumen, auf oͤden Feldern, ſchallen ließ. Als heute fuͤg ich ihm annoch, da noch das Wetter einerley, Mit eben ſo betruͤbtem Sinn, die folgende Gedanken bey:
Die Bluhmen- Blaͤtter- Kraͤuter- Vieh- und Menſchen- moͤrderiſche Kaͤlte Hat, leider! noch nicht ausgeraſ’t. Der May, der uns die Felder gruͤn, Den Wald belaubt, die Gaͤrten bunt, in jedem Jahr vor Augen ſtellte, Scheint in des kalten Jenners Tracht zu kommen, und ſich wegzuziehn, Eilt uͤber Blaͤtter-loſe Wipfel, begleitet von dem rauhen Nord, Und uͤber ſchmutzig-welke Felder, entſtellt, betruͤbt und graͤmlich, fort. Ach! rief ich: Hier, wo ich vor dem, mit Luſt, zu eben die- ſer Zeit, Jn vorigen vergangnen Jahren, im holden Gruͤnen, allbe- reit,
Mein,
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gefaͤhrlichen Einwurfs.
Hier war es, wo auch meine Luft,
Bey eurer ſchoͤnen Bluͤhte, bluͤhte;
Hier, wo ich, mit geruͤhrter Bruſt,
Mein, durch des Schoͤpfers groſſe Guͤte,
Ganz angefuͤlletes Gemuͤhte
Erfreut zu zeigen mich bemuͤhte.
Dieß war mein trauriger Geſang, den ich, wie ſich kein
Fruͤhling wies,
Noch geſtern, unter duͤrren Baͤumen, auf oͤden Feldern,
ſchallen ließ.
Als heute fuͤg ich ihm annoch, da noch das Wetter einerley,
Mit eben ſo betruͤbtem Sinn, die folgende Gedanken bey:
Die Bluhmen- Blaͤtter- Kraͤuter- Vieh- und Menſchen-
moͤrderiſche Kaͤlte
Hat, leider! noch nicht ausgeraſ’t. Der May, der uns die
Felder gruͤn,
Den Wald belaubt, die Gaͤrten bunt, in jedem Jahr vor
Augen ſtellte,
Scheint in des kalten Jenners Tracht zu kommen, und ſich
wegzuziehn,
Eilt uͤber Blaͤtter-loſe Wipfel, begleitet von dem rauhen
Nord,
Und uͤber ſchmutzig-welke Felder, entſtellt, betruͤbt und
graͤmlich, fort.
Ach! rief ich: Hier, wo ich vor dem, mit Luſt, zu eben die-
ſer Zeit,
Jn vorigen vergangnen Jahren, im holden Gruͤnen, allbe-
reit,
Mein,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/649>, abgerufen am 22.11.2024.
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