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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Beschreibung einer lieblichen
Bis Mittag war es hell und klar, und gleich nach Mittag
wieder klar.
Es glänzte recht, und funkelte was auf der Welt zu sehen
war.
Wie es nun gegen Abend ging, kam unversehens allge-
mach
Ein Nebel, der so niedrig schwebte, daß der auch niedre
Sonnen-Strahl,
Mit einer röhtlich-hellen Gluht, durch ihn, als wie ein
Feuer, brach,
Und ein drauf achtend Aug' ergetzte. Doch bald ver-
schwand er abermahl,
Und ließ das Firmament so klar, so schön, so still, so hell,
so rein,
Daß man kein schöner Abendroht, und keinen bunt-gefärb-
tern Schein,
Wohl nicht leicht am Gesicht-Kreis sah. Wobey des
Mondes Silber-Pracht

19 Jn einem blauen Schimmer strahlte. Der Morgen nach
verfloßner Nacht
War etwas trüb, es fror gelinde, die Bäum' und Sträu-
cher waren weiß,
Doch nicht von Schnee, auch nicht von Reif, es war ein
ganz durchsichtig Eis,
Das alle Zweig' auf einer Seite, und zwar Süd-Osten-
werts, bedeckte,
So daß ein jeder, nebst den Knospen, im selben bis zur
Hälfte steckte,
So denn, als wären sie candirt, ein krystallirtes Ansehn
gab.
Die Schwehre zog sie allgemach, in einer halben Ründ',
herab,
Als

Beſchreibung einer lieblichen
Bis Mittag war es hell und klar, und gleich nach Mittag
wieder klar.
Es glaͤnzte recht, und funkelte was auf der Welt zu ſehen
war.
Wie es nun gegen Abend ging, kam unverſehens allge-
mach
Ein Nebel, der ſo niedrig ſchwebte, daß der auch niedre
Sonnen-Strahl,
Mit einer roͤhtlich-hellen Gluht, durch ihn, als wie ein
Feuer, brach,
Und ein drauf achtend Aug’ ergetzte. Doch bald ver-
ſchwand er abermahl,
Und ließ das Firmament ſo klar, ſo ſchoͤn, ſo ſtill, ſo hell,
ſo rein,
Daß man kein ſchoͤner Abendroht, und keinen bunt-gefaͤrb-
tern Schein,
Wohl nicht leicht am Geſicht-Kreis ſah. Wobey des
Mondes Silber-Pracht

19 Jn einem blauen Schimmer ſtrahlte. Der Morgen nach
verfloßner Nacht
War etwas truͤb, es fror gelinde, die Baͤum’ und Straͤu-
cher waren weiß,
Doch nicht von Schnee, auch nicht von Reif, es war ein
ganz durchſichtig Eis,
Das alle Zweig’ auf einer Seite, und zwar Suͤd-Oſten-
werts, bedeckte,
So daß ein jeder, nebſt den Knospen, im ſelben bis zur
Haͤlfte ſteckte,
So denn, als waͤren ſie candirt, ein kryſtallirtes Anſehn
gab.
Die Schwehre zog ſie allgemach, in einer halben Ruͤnd’,
herab,
Als
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[550/0568] Beſchreibung einer lieblichen Bis Mittag war es hell und klar, und gleich nach Mittag wieder klar. Es glaͤnzte recht, und funkelte was auf der Welt zu ſehen war. Wie es nun gegen Abend ging, kam unverſehens allge- mach Ein Nebel, der ſo niedrig ſchwebte, daß der auch niedre Sonnen-Strahl, Mit einer roͤhtlich-hellen Gluht, durch ihn, als wie ein Feuer, brach, Und ein drauf achtend Aug’ ergetzte. Doch bald ver- ſchwand er abermahl, Und ließ das Firmament ſo klar, ſo ſchoͤn, ſo ſtill, ſo hell, ſo rein, Daß man kein ſchoͤner Abendroht, und keinen bunt-gefaͤrb- tern Schein, Wohl nicht leicht am Geſicht-Kreis ſah. Wobey des Mondes Silber-Pracht Jn einem blauen Schimmer ſtrahlte. Der Morgen nach verfloßner Nacht War etwas truͤb, es fror gelinde, die Baͤum’ und Straͤu- cher waren weiß, Doch nicht von Schnee, auch nicht von Reif, es war ein ganz durchſichtig Eis, Das alle Zweig’ auf einer Seite, und zwar Suͤd-Oſten- werts, bedeckte, So daß ein jeder, nebſt den Knospen, im ſelben bis zur Haͤlfte ſteckte, So denn, als waͤren ſie candirt, ein kryſtallirtes Anſehn gab. Die Schwehre zog ſie allgemach, in einer halben Ruͤnd’, herab, Als

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/568>, abgerufen am 22.11.2024.